Wolfgang Fözö – damit es nicht vergessen wird.
Geboren am 6. August 1942 in Wien – Simmering. Als „echter Wiener“ mit Wurzeln in der gesamten Habsburgermonarchie: der Großvater väterlicherseits stammte aus Ungarn, die Großmutter aus Wien; mütterlicherseits war der Großvater aus polnischer Herkunft, die Großmutter war aus Znaim.
Meine Mutter brachte mich in der elterlichen Wohnung zur Welt mit Hilfe einer ganz lieben Hebamme, die ich später dann einmal kennen lernen durfte. Ich war das dritte Kind. Mein Bruder war drei Jahre älter, meine Schwester 16 Monate. Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Wir hatten eine Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung im dritten Stock eines typischen Wiener „Bassena-Hauses“ mit Wasser und Gemeinschaftsklosett am Gang. Das war im Winter oft eingefroren und mein Vater versuchte dann, es mit einer Lötlampe aufzutauen.
Im Jahr meiner Geburt 1942 war der komplette „Fözö-Clan“ - mein Vater und seine vier Brüder - bei der Luftwaffe eingerückt. Allerdings ist nur einer geflogen, vier waren im Bodendienst. Der Älteste war für das Magazin verantwortlich, mein Vater war bei der Bildstelle, einer arbeitete als Tapezierer und der Jüngste war Flugzeugmechaniker. Der fünfte Bruder „Joschko“ Fözö war ein bekannter Jagdflieger. Er wurde 1938 vom österreichischen Bundesheer übernommen, kam in die Legion „Condor“, war Ritterkreuzträger und nach zwei schweren Verwundungen ab 1942 ebenfalls im Bodendienst.
Ab 1944 verbrachte meine Mutter wegen der Bombenangriffe auf Wien die Zeit bis zum Kriegsende mit uns drei Kindern am Land, in Pillersdorf bei Retz. Der Heimtransport 1945 erfolgte übrigens mit einem russischen Kleinlastwagen.
Nach den ersten Monaten mit russischer Besetzung wurde Simmering, der 11. Wiener Gemeindebezirk, britische Besatzungszone. Allerdings sind auch immer Russen durch unsere Gasse gefahren. Es gab da eine Wäscherei, und dort haben sie ihre Wäsche waschen lassen. Und auch die Artillerie-Kaserne in Kaiserebersdorf war von der Roten Armee besetzt. In unserer Gasse waren nach dem Krieg nur drei Häuser unbeschädigt. Eines davon war das Haus, in dem wir wohnten. Dann gab es in unserer Gasse – mitten im Stadtgebiet, zwei kleine Landwirtschaften. Wir Kinder haben in den ersten Jahren die Milch direkt vom Bauern geholt. Wir haben in der Nachkriegszeit nicht wirklich Hunger gelitten – wir haben aber natürlich nicht gewusst, auf was die Eltern alles verzichten mussten. Wir hatten einen Fleischhauer in der Nähe, da konnten wir „gegen anschreiben“ etwas bekommen, was es auf Lebensmittelkarten gegeben hat – das wurde dann immer am Monatsende bezahlt.
Mein Vater war gelernter Drogist, konnte damit aber nach dem Krieg nichts anfangen. Also hatte er ein Angebot angenommen, zur Straßenbahn zu gehen. Dort ist er dann bis zur Pension geblieben. Erst als Schaffner, später dann im Expedit. Dabei ist interessant, dass bei uns zu Hause nie über Politik gesprochen wurde. Ich habe erst viel später – wie ich schon nachgefragt habe – einiges erfahren. Sowohl über die Kriegszeit, wobei mir mein Vater dann auch noch einige Bilder aus der Luftwaffen-Bildstelle zeigte.
Ebenso auch über die Zeit nach dem Kriegsende: Der Vater des derzeitigen EU-Kommissars Hahn war damals im Rathaus und war ein Freund meines Vaters. Und mich hat damals schon immer gewundert, dass mein Vater am 1. Mai meist zu Hause war. Er war nie bei diesen Aufmärschen dabei, wo alle in Uniformen über die Ringstraße mitmarschiert sind, Straßenbahner, Eisenbahner und so weiter. Und erst später habe ich erfahren, dass mein Vater bei der Straßenbahn bei der schwarzen Gewerkschaft war.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je von meinem Vater geschlagen worden wäre. Er war zwar streng und aufbrausend – ein Patriarch – aber ich hatte vor ihm nie Furcht – wogegen meine größeren Geschwister vor ihm immer Angst hatten. Es hat damals auch schon Kindergärten gegeben, aber ohne die Verpflichtung zum Besuch – auch nicht im letzten Jahr vor der Volksschule. Meine Geschwister und ich waren nie im Kindergarten. Ich war allerdings noch vor der Volksschule bei der Union turnen.
Die Schule war dann schon ein Einschnitt im Leben. Das Schulgebäude war direkt vis a vis unseres Hauses. Lehrbücher gab es in der Leihbibliothek und in einem der Bücher, die ich bekommen hatte, fand ich den Namen Johann Fözö. Also ich hatte dasselbe Buch, das schon mein Vater hatte.
In der Schule war ich offenbar ein „kleiner Revoluzzer“, besonders was den Religionsunterricht betroffen hat. Da war ich dann meist auf der Strafbank außerhalb der Klasse, bis der Religionsunterricht vorbei war. Wenn der Religionslehrer von mir wissen wollte, welches Thema am Sonntag in der Kirche besprochen wurde, habe ich wahrheitsgemäß gesagt, dass ich nicht in der Kirche gewesen wäre. Ich hätte natürlich auch lügen und mich vorher bei den anderen Schülern erkundigen können. Jedenfalls hatte ich immer in Religion meine schlechteste Note. Ich war römisch-katholisch getauft, obwohl meine Mutter – aus einer sozialistischen Familie – konfessionslos war. Es war dies 1942 der Wunsch meines katholischen Vaters. Und sein Bruder war mein Taufzeuge.
Wir hatten einen wunderbaren Volksschullehrer und leider ein furchtbares Erlebnis: wir haben ihn einmal von der Simmeringer Hauptstraße abgeholt und beim Überqueren der Straße hat ihn ein britischer Jeep überfahren. Der Lehrer lag verletzt auf der Straße und ich habe sofort meinen Vater zu Hause informiert. Die Rettung zu verständigen war damals höchst kompliziert. Wir hatten ja kein Telefon und es hat lange gedauert, bis die Rettung gekommen ist. Unser Lehrer ist gestorben.
Später dann bei einem anderen Lehrer hat der Vater meines Cousins, der in einem Spielwarengeschäft gearbeitet hat, für unseren Lehrer „Rohrstaberln“ mitgegeben – und genau damit habe ich dann vom Lehrer mehrmals einige Schläge auf die Finger bekommen. Das hat mich so zornig gemacht, dass ich nach der Schule meinen Cousin ziemlich verprügelt habe – obwohl ich einen Kopf kleiner war als er.
In der Hauptschule hatten wir dann einen sehr netten Engländer als Englisch-Lehrer. Wenn man gute Noten hatte, hat man von ihm manchmal Kinokarten geschenkt bekommen – für das Kosmos-Kino im 6. Bezirk. Dort habe ich meine ersten Naturfilme gesehen. Wenn ich zwei Karten hatte, habe ich den Edi Krieger mitgenommen, der dann ein bekannter Fußballer in Österreich war.
Es hat zwei Schulgebäude gegeben, eines für die Buben, eines für die Mädchen. Beide Schulen waren teilweise zerstört und wir mussten daher öfter zwischen den Gebäuden hin und her wechseln.
Was man sich heute ja nicht vorstellen kann: Im Schulpark zwischen der Buben- und der Mädchenschule stand ein britischer Panzer. Er wurde streng bewacht und es war absolut verboten, sich dem Panzer zu nähern - im Schulpark.
Unsere Freizeit haben wir überwiegend auf der Straße oder im Park verbracht. Mit sportlicher Betätigung und hin und wieder auch mit Lausbubenstreichen
Laufen um den Häuserblock, wobei die Zeiten sogar schon gestoppt wurden. Und Fußball in einem kleinen Park, einem sogenannten „Beserlpark“. Nur, in dem Park war uns eine Sandkiste im Weg. Sie wurde eines Tages kurzerhand angezündet. Für mich waren solche „Streiche“ immer ein besonderes Risiko, weil die Polizisten alle meinen Vater gekannt haben….
Dann hatten wir einen Kohlenhändler, der war ganz besonders „kinderfreundlich“ und hat uns immer unsere Fußbälle zerschnitten. Und wir mussten alle immer zusammensparen, um uns einen Ball kaufen zu können. Später hatten wir einen Plastikball, den man aufpumpen konnte. Wir sind auch öfter bis in den Prater gelaufen, um dort Fußball zu spielen. Nicht gegangen, gelaufen.
Einige hatten dann schon ein Fahrrad. Da war der beliebteste Sport das sogenannte „Zuwegitschen“: die Fahrradglocke wurde abmontiert auf die Straße gelegt und es wurde versucht, sie mit dem Vorderrad wie einen Eishockeypuck an die Gehsteigkante zu schießen. Schließlich hat es in unserem noch teilweise ländlichen Bezirk auch viele Gärten gegeben, mit schönen Obstbäumen. Und schönen Blumen für unsere Mütter zum Muttertag. Aber wir haben schon darauf geachtet, richtige Schäden zu vermeiden.
„Kriminelle Handlungen“ waren damals wohl auch dabei: Es hat da eine Villa gegeben, in der waren die Kommunisten – die hatten dort ihre Veranstaltungen. Und da waren Plakate, auf denen ist gestanden „Hände weg von Korea“ und „Ami go home“. Und wir als „Noch-Kinder“ haben uns eingebildet, dass die Kommunisten böse Leute sind. Aber das hatten wir nicht von zu Hause. Aber wenn du so häufig auf der Straße warst, hast du eben einiges mitbekommen. Die Räumlichkeiten waren im Hochparterre und sie hatten immer die Fenster offen. Einer von uns Buben hatte sich Karbid organisiert gehabt. Wir haben dann in eine Essigflasche – von Mautner Markhof – Wasser hineingegeben, Karbid dazu und hineingeworfen. Es hat furchtbar gekracht, die Leute drinnen haben sich auf den Boden geworfen, das Licht ist ausgegangen – und wir sind gerannt. Interessant war, dass es auf unsere Aktion keine Reaktion gegeben hat. Wir haben nachher nichts gehört, es gab keine Beschwerde.
An einem Tag ist einer der Buben mit einer Hitlerbüste gekommen – etwa einen halben Meter hoch. Eine weiße Büste aus Gips. Wir hatten in der Gegend viele ebenerdige Häuser, in einem war das Papiergeschäft vom Herrn Gans. Ein ganz lieber Mann, aber wir Buben – blöd – sind vom Nebenhaus auf sein Dach geklettert und haben ihm die Hitlerbüste auf den Schornstein gestellt. Danach gab es einen ordentlichen Auflauf. Es wurde zwar vermutet, dass wir das waren – aber es gab keinen Beweis.
Mit 14 Jahren hat meine Sportlerkarriere begonnen: ich wurde mitgenommen zum ASKÖ – zum Stemmen. Dort habe ich mit dem Training begonnen und wurde in meiner Gewichtsklasse – Federgewicht – ganz gut – allerdings bei wenigen Gegnern in dieser Klasse. Beim Training wurde ich von einem sehr guten Sportler beobachtet – Peppi Tauchner, Dritter der Europameisterschaft. Er hat bei der Waggonfabrik gearbeitet und ist immer bei uns vorbeigekommen. Er hat meinen Trainern gesagt: so wie ihr hier arbeitet, bringt ihr mir den „Buam“ um. Er hat begonnen, mir die richtige Technik für die damals noch drei verschiedenen Stemm-Kategorien (Reißen, Drücken, Stoßen) beizubringen. Nach einem halben Jahr war ich bereits ein ziemlich guter Stemmer und für meinen Klub Teilnehmer an Wettkämpfen. Dann kam mein plötzlicher „Abgang“: der Zeugwart hatte mir ein Paket mit neuen Leibchen und Trainingsanzügen gebracht mit der Aufforderung, beim „Fackelzug“ mitzugehen. Als großer Gegner des Wortes “Muss“ habe ich die Türe aufgemacht und bin gegangen. Allerdings habe ich da schon gewusst, dass „die Roten“ den Fackelzug machen. Das wäre mir zwar egal gewesen, aber der Zeugwart ist zu meinem Vater gegangen mit der Aufforderung, mich umzustimmen – schließlich würde ich in zwei Tagen bei einem Wettkampf in Hainburg gebraucht. Mein Vater meinte, er müsste wohl meine Entscheidung zur Kenntnis nehmen. Damit war für mich das Kapitel „Stemmen“ abgeschlossen.
Im Sommer haben wir viele Tage an der Donau verbracht. Bei unseren Familienausflügen zum Winterhafen sind wir erst mit der Linie 73 gefahren und dann die ehemalige Artilleriekaserne entlang gegangen – dem letzten großen Wiener Kasernenbau. Nach den Österreichern waren dort die Deutschen und schließlich bis 1955 die Russen. 1956 wurden in der Kaserne die Ungarnflüchtlinge untergebracht. Wenn kein Badewetter war, gab es Ausflüge zu verschiedenen Zielen
Im Winter waren wir Geschwister manchmal Rodeln am Laaerberg. Sonst hat es mit Vater und Mutter kaum gemeinsame Sachen gegeben. Fernsehen gab es noch nicht, mit den Eltern war ich vielleicht zweimal im Kino. Ein Film war jedenfalls „Die Wüste lebt“. Soweit ich mich erinnern kann, war das damals noch schwarz-weiß. Und dann waren wir auch noch einmal in einem Farbfilm.
Wir haben als Kinder auch immer Erlebnisse mit russischen Soldaten gehabt – und zwar oben am Laaerberg (der war im 10. Bezirk und russische Besatzungszone). Es gab zahlreiche Teiche und wir waren dort oft zum Schwimmen und Fischen. Auch zum Essen haben wir dort immer etwas gefunden, zum Beispiel wilde Erdäpfel. Ein Russe, der eigentlich sehr nett war, hat mich einmal gezwungen, einen Zug von seiner „Machorka“ zu rauchen – grauenhaft. Da ich sowohl von meinem Großvater als auch von meinem Bruder einiges über das Fischen gelernt hatte, habe ich ihm geholfen, mit einem Stock eine Angel zu basteln. Wir haben dann mehrmals zusammen gefischt.
Ein weiteres Erlebnis auf dem Laaerberg fällt schon in das Ende der Besatzungszeit (ich war noch in der Schule – 13 Jahre alt): In Richtung Oberlaa war um die ehemalige Radiostation der Engländer Wein angebaut worden. Kleine, saure Perlen. Wir sind dort über den Stacheldraht hinübergeklettert. Es gab offenbar auf privater Basis Posten, die mit einem Gewehr bewaffnet waren. Österreicher, die ursprünglich von den Engländern beauftragt worden sind. Einmal hat uns einer der Posten, den wir nicht gesehen hatten, verhältnismäßig knapp vor uns angerufen. Wir sind davongelaufen. Bei Laufen habe ich mich kurz einmal umgedreht und dabei einen Stich beim rechten Auge gespürt. Beim Weiterlaufen haben mich meine Freunde aufmerksam gemacht, dass ich blute. Zu Hause musste ich dann noch aufpassen, dass nichts zu sehen war – sonst hätte mir mein Vater „noch eine ordentliche Watschen“ gegeben. Es zeigte sich später, dass ich von einer Schrotkugel in der äußeren Ecke des rechten Auges getroffen worden war. Die Kugel steckt heute noch drinnen. Wir sind damals natürlich nicht zur Polizei gegangen – schließlich waren wir die „Spitzbuben“, die allerhand angestellt haben. Einige Zeit später habe ich das dann zu Hause erzählt – meiner Mutter. Ob der Posten den Auftrag hatte zu schießen oder Spaß daran hatte, weiß ich natürlich nicht.
Ein Jahr später - ich war 14 – waren wir wieder oben. Und mir ist zufällig einer der Posten entgegen- gekommen – ob es der war, der mich angeschossen hatte, wusste ich nicht. Wie mir es dann meine Freunde erzählt haben, habe ich „durchgedreht“: im Weingarten waren Holzstangen in den Boden gesteckt – die waren noch aus der Zeit der Schrebergärten, als dort Paradeiser gewachsen sind. Ich habe eine Stange genommen und dem Posten damit auf den Kopf geschlagen. Er hat nicht gewusst, wie ihm passiert – und für mich war die Sache erledigt. Die Aggression, die ich ein Jahr lang mit mir herumgetragen hatte, war vorbei. Ich bin nicht weggelaufen, sondern einfach davon gegangen. Und er hat nicht reagiert.
Dann hat meine Ausbildungszeit begonnen. Mein Wunschberuf war damals schon Kellner. Es war aber zu dieser Zeit im Hotel Regina – dort hat mein älterer Bruder nach Abschluss seiner Kellner-Lehre bereits gearbeitet - kein Platz für mich. Und ich wollte unbedingt ins Regina. Wir waren starke Geburtsjahrgänge und es war überhaupt schwer, eine Lehre zu bekommen. Zur Auswahl waren noch Automechaniker oder die Bundesbahn. Aber das hat mich nicht interessiert. Mein Onkel – Bruder meines Vaters – war Teilhaber an einem Lederwarengeschäft, das vor allem Taschen erzeugt hat. Er hat mich in die Firma geholt. Das Geschäft mit Werkstätte war in der Renngasse im 1. Bezirk im hinteren Teil eines großen Innenhofes im Parterre und im ersten Stock. Es gab drei Teilhaber. Einer - Herr Skala - hat neben der Hohen Brücke in einer wunderbaren Wohnung gewohnt, der zweite war der „Geldmann“ (er war Anhänger vom Fußballklub „Simmering“, ist überall hingefahren, wo Simmering gespielt hat und er hat mich oft mitgenommen).
Also, ich hatte mit dieser Berufswahl keine Freude. Aber ich habe mich dann entschieden, diese drei Jahre bis zur Abschlussprüfung hinter mich zu bringen. Ich war damit Taschner-Lehrling. Einmal pro Woche war ich in der Berufsschule (in der Hütteldorferstraße vis a vis der Stadthalle – die war damals zunächst noch eine Baustelle und wurde 1958 eröffnet) mit praktischem und theoretischem Unterricht. Das hat mich dann schon interessiert. Ich hatte einen sehr guten Lehrer, der uns gezeigt hat, was man aus dem Material Leder alles machen kann. Und was es für verschiedene Leder-Arten gibt.
In der Firma selbst war ein zweiter Lehrling, der allerdings schon älter war und nur noch ein Jahr zum Auslernen hatte – das heißt, das Zusammenräumen war eher meine Aufgabe. Er musste dafür den riesigen Ofen einheizen, der im Raum stand. Sauber machen war wichtig, weil es natürlich sehr viel Staub gegeben hat von den Lederresten. Es gab Fräsen, mit denen verhältnismäßig dicke Meterstreifen auf die gewünschte Stärke abgefräst wurden und dabei ist viel Staub angefallen. Ich bin mit den Leuten in der Firma gut ausgekommen, auch nachdem sich mein Onkel von der Firma getrennt hatte – ein Jahr, bevor ich frei wurde.
Nach meinem Gesellen-Brief im Juni 1959 habe ich bis zum Herbst eine Pause eingelegt und bin ein wenig „herumgeflogen“. Dann bin ich im Spätherbst in die Währingerstraße 3 gegangen – zum Herrn Rudolf Kremslehner. Wie ich das sehe, waren wir uns auf Anhieb sympathisch. Er war ein bulliger Mensch und sehr rau in seiner Art. Mein Bruder hat nichts davon gewusst, dass ich mich bewerben kam. Das war mein Geheimnis. Als Kremslehner meinen Namen hörte, fragte er, ob ich mit Heinz verwandt sei. Und nach meinem „Ja“: warum mein Bruder nichts davon wüsste? Meine Antwort: „Man muss nicht alles wissen“. Später einmal hat er mir erzählt, dass ihm das „getaugt“ habe.
Kremslehner meinte, er könne mich momentan nicht als Kellner unterbringen. Dazu muss man ergänzen, dass er Sportler war – Ruderer – und ich damals bereits mit dem Boxsport begonnen hatte. Er sagte, ich wäre zwar „kein großer Apparat“, aber ich könnte mich wohl sicher wehren. „Geh zur Köberl hinunter. Ab morgen bist im Hotel Royal“.
Die großen Häuser hatten damals eine „Gouvernante“, eine Angestellte, die als eine Autorität über allen Mitarbeitern stand. Bei ihr war – eine Etage tiefer – die Wäscheausgabe für die Stubenmädchen und die Kellner. Frau Köberl gab mir zwar kein Kellner-Gewand, aber einen weißen Mantel und einen zweiten als Reserve.
Das „Royal“ in der Singerstraße war als dritter Kremslehner-Betrieb (neben „Regina“ und „Graben-Hotel“ in der Dorotheergasse) noch im Bau. Gleich nach dem Eingang war ein kleines Kammerl, an dem alle Handwerker vorbeigehen mussten. Und dort war ich dann als „Aufpasser“. Damit nichts „hinausgetragen“ wird. Damals waren im Burgenland wahrscheinlich Häuser, die mit Material erbaut wurden, das aus Wien von den Baustellen mitgenommen worden war. Da war eine kräftige Frau, die hat noch als „Malter-Weib“ (die den Mörtl rührt) gearbeitet, die habe ich ganz gern gehabt. Sie hat zu mir immer „Klaner“ gesagt: „Klaner, wenn irgend einer frech wird, dann sag mir‘s“. Ich habe sie aber nicht gebraucht.
Dann war der Bau fertig und ich dachte, ich könnte nun gleich als Kellner anfangen. Aber ich wurde zunächst Telefonist und als solcher musste ich zwischen „Regina“ und „Grabenhotel“ pendeln. Wo ich halt gebraucht wurde. Eigentlich war ich in der Funktion eines Lohndieners auch mit entsprechender Uniform. Da habe ich in jungem Alter ganz schön verdient. Damals waren die Leute ja großzügig. Es sind zum Beispiel sehr viele Ex-Österreicher, viele Juden, die emigrieren mussten, über die Sommermonate aus Amerika nach Wien gekommen. Die haben ein gutes Trinkgeld gegeben, fürs Koffer hinauftragen. Dabei hatte ich auch sehr nette Kontakte. Da war zum Beispiel ein Maler – ein Rapid-Anhänger. Er hat über Rapid mehr gewusst, als viele Wiener. Er hatte sich alle Informationen nach New York schicken lassen.
Ich wollte aber dann doch als Kellner anfangen und habe begonnen, entsprechende Kurse zu besuchen. Vor allem Abendkurse. Organisiert hatte mir das Herr Fischer, unser Chefkellner im Regina gemeinsam mit Rudolf Kremslehener. In den Kursen wurden die damals noch ziemlich strengen Regeln unterrichtet – vom Decken des Tisches bis zu den Serviervorschriften. Zum Beispiel wurde damals noch in Handschuhen serviert und jedes einzelne Besteck wurde vor dem Auflegen noch poliert. Die Kurse waren in einem großen Gebäude beim Karlsplatz (vermutlich in der Elisabethstraße), das heute – glaube ich – nicht mehr steht. Es wurde nur eine kleine Gruppe unterrichtet und es wurde genau die Praxis durchgenommen: Im richtigen Kellner-Anzug haben wir das Aufdecken geprobt, das richtige Einschenken, Tischdekorationen. Wer den Kurs genau veranstaltet hat, kann ich nicht mehr sagen, Die Gewerkschaft kann es jedenfalls nicht gewesen sein, weil es im “Regina“ keinen Betriebsrat gegeben hat – weil es nicht notwendig war
Die Kurse haben etwa ein Jahr gedauert. Am Ende der Schulungen gab es ein Zeugnis und die Aufmunterung vom Kursleiter: „Ihr könnt jetzt in der Praxis anfangen“. Das Zeugnis habe ich heute gar nicht mehr.
Ich wollte immer schon den Kellner-Beruf ausüben und Kontakt mit Menschen haben. Und so habe ich mit 19 Jahren als ausgelernter Taschner und angelernter Kellner meinen „Traumberuf“ im „Regina“ begonnen. Zunächst nur für einige Monate, bis zum Beginn meines Dienstes im Österreichischen Bundesheer.
Im Oktober 1961 bis ich eingerückt. In Neusiedel am See in der Montecuccoli-Kaserne. Benannt nach dem großen Feldherrn von der Schlacht bei St. Gotthard an der Raab 1664. Es war eine ehemalige Reiterkaserne. Ich habe dort nicht einmal meine Grundausbildung fertig gemacht, da ist der Major durchgegangen. Er war aus Deutschkreuz. Und er hat uns nach unseren Namen gefragt. Als ich meinen Namen nannte, sagte er: „Der Name kommt mir bekannt vor“. Ob es in meiner Verwandtschaft einen Piloten gegeben hätte? Ja, das war mein Firmpate, der Bruder meines Vaters. Dann meinte er, es wäre ihm noch ein anderer Fözö untergekommen. Ja, sagte ich, mein Bruder war drei Jahre vor mir – in der B-Kompanie.
Ich war in der A-Kompanie. Und ich bin da auf die „Butterseite“ gefallen: mit meinem „Schmäh“ und mit meinem großen Selbstvertrauen habe ich mich für den Dienst im Offizierskasino angemeldet. Auf die Frage, ob ich das überhaupt könnte, habe ich gesagt „Ja“ – obwohl ich keine Ahnung davon hatte. Es war ein kleines Kasino, das dann ausgebaut wurde. Mit einem riesigen Saal und Küche. Nach einiger Zeit war ich dann schon für den Einkauf verantwortlich, habe kleine Kränzchen organisiert. Da ist auch der General gekommen mit seiner „Dulcinea“. Dem Major hat das imponiert: „Du machts ja da aus dem Kasino ein richtiges Restaurant“. Es gab zwar eine Frau, die abgewaschen und zusammen geräumt hat, ich habe aber fürs Kasino einen Zweiten gebraucht. Da war einer bei der Artillerie, dem hat der Dienst ganz offensichtlich keinen Spaß gemacht. Ich habe ihm angeboten, ihn zu mir ins Kasino zu holen und habe mit dem Hauptmann darüber gesprochen. Der sagte: „Selbstverständlich. Du bist verantwortlich, Du machst das“.
Mein Neuer war akademischer Maler: Renke Rüdiger Herzog von Marquart. Wir haben uns gut verstanden. Dann haben wir überlegt – wir haben ja viel Zeit gehabt – was wir machen könnten, um ein wenig Geld zu verdienen. Er hat Wein-Etiketts gezeichnet. Dann haben wir jemanden gefunden, der uns diese hergestellt hat. Ich habe die Schrift gemacht. Gleich im Hof bei der Bezirkshauptmannschaft ist eine Quelle gewesen mit Thermalwasser. Das haben wir einfach in Liter- Flaschen abgefüllt und Korken organisiert. Die Literflaschen waren nicht so leicht aufzutreiben, weil es damals im Weinbau im Burgenland vor allem Doppelliterflaschen gegeben hat. Und die Flaschen haben wir verkauft, zum Beispiel an die Frauen der Offiziere.
Es ist aber nicht lange gut gegangen. Das Wasser hat nach drei Tagen zu stinken begonnen und unsere Käuferinnen haben sich heftig beschwert. Es war furchtbar - aber immerhin haben wir das Geld nicht zurückgeben müssen. Aber „das Geschäft“ war vorbei.
Ich habe die Kaserne jederzeit verlassen können. In der ersten Zeit haben wir im Kasino nur serviert. Essen mussten wir aus der Küche hinauf holen. Um die Getränke mussten aber wir uns kümmern. Ich habe mich um den Einkauf gekümmert, auch neue Gläser habe ich besorgt. Dieses selbstständige Arbeiten hat mich sehr interessiert und das hat mir dann sehr geholfen, als ich nach dem Militär wieder ins Regina zurückgekommen bin.
Es hat dort drei Kategorien von Kellnern gegeben: Kellner, Kellner mit Inkasso (das war zu dieser Zeit mein Bruder) und Oberkellner. Ich habe das einiges von meinem Bruder gelernt und auch begonnen, selbständig zu arbeiten. Zum Beispiel bei der Betreuung von kleinen Gruppen, etwa eine kleine Hochzeit oder eine andere Festivität. Im kleinen Saal, wo man etwa 20 Personen unterbringen konnte. Das habe ich dann zum Beispiel mit einem Lehrling im dritten Lehrjahr machen können – und ich war sein Vorgesetzter.
Unser Oberkellner war der Herr Fischer. Er hat den feinsten Platz gehabt – das Revier mit der Prominenz. Ich bin dann zu ihm als Mitarbeiter gekommen und da habe ich eigentlich erst richtig zu lernen begonnen. Als Kellner und Speisenträger. Man musste sich da mit einem riesigen Plateau aus der Küche zu den Gästen abschleppen und das gesamte Geschirr – mit Ausnahme der „kleinen Menüs“ – war Silber. Auch die Unterplatten. Ich habe dann beim Servieren geholfen und Herr Fischer hat mir viel aus der Praxis vermittelt „… wenn Du dann hier einmal als Ober arbeiten wirst“. Das Revier hat mir natürlich sehr „getaugt“ und ich habe auch gut verdient. Herr Fischer hat kassiert, aber ich habe von den Gästen separat Trinkgeld bekommen. Und er hat das Trinkgeld dann auch immer noch aufgeteilt und hat gemeint: „Ich mache die wenigste Arbeit und kassiere am meisten“.
Meine Zeit als Kellner hat sechs Jahre gedauert. Mit 25 wurde ich Oberkellner. In der Zwischenzeit war ich dann auch Kellner mit Inkasso. Wenn es Gesellschaften gegeben hat, wurde ich von Platz vom Herrn Fischer abberufen und habe die Gesellschaften eigenständig betreut. Das hat auch immer mehr Selbstvertrauen gebracht, wie man mit den Leuten umgeht. Auch bei bekannten Gästen hatte ich kein ungutes Gefühl – sie waren Gäste wie jeder auch. Ich habe zum Beispiel drei Bundespräsidenten serviert. Und zum Schluss der letzte Bundespräsident, Herr Kirchschläger, hat sich auf der Alserstraße, als ich auf dem Heimweg war, plötzlich bei mir eingehängt. Wir sind dann eine Strecke gemeinsam gegangen – allein. Er hatte damals keine Bodyguards.
Was man nicht vergessen darf: wir hatten in der Nähe das alte Allgemeine Krankenhaus. Und die ganzen Vorstände vom AKH waren bei uns Mittagessen. Manchmal auch am Abend mit ihren Frauen – und am Wochenende sowieso. Sie haben ja alle in der Nähe gewohnt. Das war natürlich auch ein Vorteil, wenn man etwas gebraucht hat. Zum Beispiel ist mir beim Sport der Bauchmuskel gerissen. Und der Professor Fuchsjäger, der seine Ordination in der Liechtensteinstraße hatte, ist mit mir hinaus gegangen, hat sich das angesehen und mir dann gesagt, „machen sie sich einen Termin aus.“
Mit meinem Bruder habe ich zeitweise zusammengearbeitet, als er noch Kellner mit Inkasso war. Danach war er Oberkellner, allerdings auf einem anderen Platz und dort habe ich nicht bei ihm gearbeitet. Mein Bruder wurde dann Direktor – über alle drei Hotels.
Die Entscheidung, mich zum Oberkellner zu machen, hat Herr Kremslehner getroffen. Er hatte öfter mit Herrn Oberkellner Fischer über mich gesprochen. Und Fischer hatte – wie ich später gehört habe – gemeint, er hätte gerne, dass ich seinen Platz als Oberkellner übernehme, wenn er in Pension geht. Ich wurde dann sogar früher befördert, 1967, einige Jahre bevor Herr Fischer in Pension ging. Durchaus möglich, dass ich damals Wiens jüngster Oberkellner war – weil es ja fast nur alte Oberkellner gegeben hat. Jedenfalls hat in den Kremslehner-Hotels eine große Eifersucht geherrscht. Der Fözö, der den Beruf gar nicht gelernt hat, der sich hinaufarbeitet hat, wird Oberkellner am feinsten Platz – und das mit 25 Jahren! Es waren ja einige, die schon jahrelang im Haus waren und auf den Oberkellner-Posten gewartet hatten. Und ich habe sie überholt. Ich dürfte wohl auch heute nicht sagen “es tut mir leid“ – weil es mir damals ja auch nicht leidgetan hat.
Es war mein Leben, ich habe viel Geld „in die Mode gesteckt“, ich war viel unterwegs. Dann habe ich mir einen Opel-Kapitän gekauft. Eine eigenartige Geschichte: ich wollte mir ja als junger Oberkellner einen Sportwagen kaufen, einen MG. War schon fast alles fixiert. Dann haben wir bei uns im Bezirk ein feines Kaffeehaus gehabt - keine „Bumsen“. Dort war ein Direktor immer Frühstücken. Eines Tages ist er zu mir zum Tisch gekommen und sagte, er habe gehört, dass ich mir ein neues Auto kaufen möchte. Er würde mir gerne etwas zeigen. Er hatte ein schönes Haus mit Garten und einer Garage. Er öffnete die Garagentüre und für mich stand – damals – ein Ungetüm von einem Auto drinnen. Chrom, blank, metallisee, Weißwandreifen. Ich wollte mir einen Sportwagen kaufen – und dann kommt der mit einem „Alt-Herren-Fahrzeug“. Das Auto hatte auch noch nicht viele Kilometer oben, er hat mir einen guten Preis gemacht und ich habe „zugeschlagen“. Dann sind die „wilden Zeiten“ gekommen, verschiedene Bekanntschaften …..
Dabei habe ich pro Woche 50 bis 55 Stunden gearbeitet - aber es hat Spaß gemacht. Ich bin oft um 10 Uhr ins Geschäft gekommen, habe meist ein Gabelfrühstück gegessen, ein Szegediner-Gulasch mit einem Laberl, ein Pfiff Bier. Dann habe ich geschaut, ob alles schön aufgedeckt ist und alles hergerichtet. Dann habe ich die Speisekarte studiert, mich mit dem Küchenchef abgesprochen, was besonders zu empfehlen ist und immer um halbzwölf habe ich dem Herrn Kremslehner und seiner Gattin serviert. In dem Büro, in dem er mich aufgenommen hatte. Er hatte dort ein „Katzentischerl“, auf dem gerade einmal Platz für zwei Teller war. Es war nichts Besonderes, er hat mit seiner Gattin das gegessen, was als „kleines Menü“ auf der Speisekarte war. Und dazu einen Kaffee.
Danach sind schon die Leute gekommen, ich habe die Gäste begrüßt und auf meine Kellner geschaut – und eine Frau als Servierkraft habe ich auch gehabt. An manchen Tagen bin ich anschließend in die Schwemme hinübergegangen und habe sie übernommen, auch zusammen mit einem Lehrbuben im dritten Lehrjahr. Und am Nachmittag hatte ich noch eine Kraft bei der Schank. Die Schwemme war auch eine meiner Lieblingsplätze. Sammy Molcho war dort, der Heller; dort habe ich bis 22 Uhr gearbeitet, da wurde dann die Schank geschlossen. Danach musste ich noch abrechnen.
An anderen Tagen habe ich am Nachmittag in der Schwemme gearbeitet und bin dann um 18.00 Uhr wieder hinübergegangen auf den „Einser-Platz“ und war dann dort oft bis Mitternacht. Von 10 Uhr bis 24 Uhr. Zwar ohne Pause, aber am Nachmittag hatte ich oft wenig zu tun. Da habe ich mich dann auf den „Zweier-Platz“ gesetzt und habe mir Sachen machen lassen, vom Feinsten! Der „Bua“ hat draußen serviert und mich halt geholt, wenn er mich gebraucht hat. Für die Leute, die auf den feinen Plätzen gearbeitet haben, hat es aber am Nachmittag eine Drei-Stunden-Erholungspause gegeben.
Ich habe natürlich Leute gehabt, da habe ich gewusst, dass es da gut zu verdienen gibt. Ich habe zum Beispiel kein einziges Mal zu solchen Gästen gesagt „nicht bös sein, aber wir schließen“. Ich habe halt gewartet. Wenn zum Beispiel der Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer angesagt war – er ist immer erst knapp vor Mitternacht gekommen – hat mir der zweite Küchenchef etwas vorbereitet. Der „Walli“ hat meist ein Naturschnitzel gegessen, interessanter Weise mit Spinat und mit Erdäpfeln. Das war dann schnell gemacht. Ich habe das Sakko ausgezogen und das rasch in einer großen Pfanne gemacht. Vom Wallnöfer hat es immer eine ganz herzliche Begrüßung gegeben, es hat ihm gefallen, dass ich auf ihn gewartet habe – es war Sympathie auf beiden Seiten. Er war sehr großzügig. Er ist auch immer mit seinem Chauffeur zusammen beim Tisch gesessen. Und der „Walli“ hat gern getrunken – obwohl er schwer zuckerkrank war. Und es war nicht einmal, dass ich ihn zusammen mit seinem Chauffeur ins Zimmer hinaufschleppen musste. Er war ja nicht groß, aber „punkert“ – ein ordentliches Stückerl. Und wenn einer ein bisserl mehr getrunken hat, dann ist er auch ziemlich „schwer“. Ich habe damals viele Kartons „Herrnstein“ besorgen müssen, das war ein „Sauerampfer“, den hat er trinken dürfen. Eine Art Diabetikerwein – und der Chauffeur hat dann einige Kartons in den Kofferraum gepackt. In der Früh ist Wallnöfer dann öfter zu Fuß weggegangen. Auf meine Frage „Machen wir einen Spaziergang, Herr Landeshauptmann?“ sagte er einmal: „Ich gehe zu meinem Freund den Kreisky hinüber“. Damals hat es eben noch – parteiübergreifend – gute Freunde gegeben.
Damals hatte ich auch – ohne es zu ahnen – meinen künftigen Schwiegervater als Gast, wenn er nach einer Synodensitzung in der Garnisongasse zu uns gekommen ist. Und auch seinen Schwager Kurt Maix. Und ich wusste natürlich nicht, dass ich einmal in diese Familien einheiraten würde.
Die Brüder Doralt waren meine Gäste und ich hatte die Ehre, dass bei mir der Rudolf Schock gesessen ist. Als wir einmal um 10 Uhr aufgesperrt haben ist der Qualtinger schon draußen gestanden. Hat sich zum ersten Tisch gesetzt und bestellt „Bitte einen doppelten Fernet Branca“- Danach noch einen zweiten. Hat ausgetrunken und ist gegangen.
Eines Tages werde ich um sieben Uhr am Abend in die Schwemme gebeten. Ein bekannter Künstler und ein Freund von Bundeskanzler Kreisky wollte mich sprechen. Ein sehr sparsamer Mensch. Er sagte zu mir: „Wolferl, der Kreisky kommt“ – als sein Gast. Ich sollte doch dem Bundeskanzler ein Gulasch empfehlen. Mein Kollege hat mich dann geholt, damit ich dem Kreisky serviere. Die Tür ging auf und herein kamen zwei „Apparate“, bei der anderen Tür ein weiterer – Kreiskys „Aufpasser“. Dann kam Kreisky, begrüßte mich und nahm mich kurz auf die Seite: „Hat er ein Gulasch empfohlen?“ Nach meinem „Ja“ meine er noch: „Wie immer“. Ich habe dem Bundeskanzler ein sehr schönes Gulasch herrichten lassen. Beim Weggehen hat sich Kreisky dann noch zu mir umgedreht und gemeint: „Ich komme wieder – aber nicht auf ein Gulasch…“. Das Beste kam dann beim Zahlen: die drei Bodyguards sind am Nebentisch gesessen, jeder hat ein Krügel Bier getrunken und dazu jeder ein Körberl mit feinem Gebäck. Der Künstler hat sich wie üblich die Rechnung genau angeschaut - das Gulasch hat damals glaube ich acht Schilling gekostet – und die Konsumation der Begleitung hat fast das Doppelte vom Gulasch gekostet. Der Schauspieler ist „verfallen“. Daraufhin habe ich ihm gesagt, es müsste halt das nächste Mal vorher den Bundeskanzler anrufen und ihn bitten, ohne Bodyguards zu kommen.
In Europa unterwegs
Ich habe das Leben komplett ausgelebt. Ich war viel unterwegs, war sehr selten in der Wohnung, war in Österreich unterwegs und im Sommer meistens in Italien, zusammen mit Freunden – „wir Burschen“. Man kann zwar nicht sagen „Bande“ – aber wir hatten eine Zeit, in der wir uns alle gleich angezogen haben. Da hat jeder von uns eine Pepita-Hose gehabt, dazu passende Schlüpfer, blaues Hemd und Jacke. Da waren wir zu Viert. Das waren die Freunde, mit denen man aufgewachsen ist. In Italien waren wir in Cesenaticco und in Lignano. Was den Winter betrifft: ich war ja kein Schifahrer. Ich habe ja von zu Hause nicht das Geld für einen Schikurs gehabt. In der Schule haben sie vielleicht zwanzig Schüler zusammengebracht, die sich einen Schikurs leisten konnten. Nach der Schule habe ich zwar keine Ausrüstung gehabt, bin aber mit meinen Freunden mitgefahren. Das waren Kurzurlaube. Ich war zum Beispiel mit ihnen auf der Schmittenhöhe bei Zell am See oder auch in Mittersill. Manchmal waren wir auch mit zwei Autos unterwegs, oft nur mit einem Auto. Ein Jugendfreund hatte einen Fiat. Damals habe ich beschlossen: sollte ich mir einmal ein Auto kaufen, dann keinen Fiat. Ich habe das Auto „gehasst“, weil es so nach Treibstoff gestunken hat.
Bei den Sommerurlauben sind wir meist einfach losgefahren, wir haben gezeltelt, ganz primitiv. Also wenn es geregnet hat, was nicht oft der Fall war, hat es schon eine Zeit gedauert, bis wir wieder trocken waren. Wichtig in Italien war auch das Einkaufen. Ich hatte einmal Schuhe gesehen, die mir gefallen haben. Schlüpfer – ich habe sie anprobiert, sie haben gepasst. Ich bin mit den Schuhen ein wenig herumgegangen und auf meine Frage hat mir der Verkäufer versichert, dass die Schuhe von guter Qualität wären. Ich habe einen Schuh genommen, an der Spitze und an der Ferse und zusammengeklappt. Mit einem Ratsch ist die Sohle abgerissen. Der Verkäufer ist mir dann ein ganzes Stück nachgerannt…..
In Deutschland war ich oft in Stuttgart. Eine Schwester meiner Mutter war dort verheiratet, der Onkel war Werkmeister bei Bosch. Die Firma hatte nicht nur ein eigenes Spital, sondern auch Siedlungen für ihre Mitarbeiter. Es war eine schöne Wohnung, wie bei uns eine große Gemeindewohnung. Vom Balkon aus hat man zum Bosch-Werk hinuntergesehen. Da war ich öfter. Unangenehm in Erinnerung ist mir, wenn ich mit meiner Cousine tanzen gegangen bin. Sie hatte, was damals üblich war, Haare wie eine Matratze – voll mit nicht besonders gut riechendem Taft. Wir waren da in der nächsten Kleinstadt – Zuffenhausen. Es hat dort viele Amerikaner gegeben und wir haben im Lokal zweimal Raufereien erlebt. Einmal hat ein kleiner weißer Soldat, eine Art Chef, einem Schwarzen, groß wie ein Bär, einen Schlag versetzt und der Große hat daraufhin den Kleinen aus dem Lokal hinausgeworfen. Dann ist die Militärpolizei gekommen und mit beiden nicht zimperlich umgegangen…..
Mein Onkel hat mir in Stuttgart einiges gezeigt. Was mich beeindruckt hat, war der sogenannte „Monte Scherbelino“. Der war nach dem Krieg aufgerichtet worden mit dem ganzen Schutt, den die Bomben hinterlassen hatten. Stuttgart war ja ziemlich dem Erdboden gleichgemacht.
Dann bin ich auch oft mit dem Freund meines Vaters mitgefahren. Mit seiner Frau und seinen Töchtern und auch ein Onkel von mir war dabei: wir waren Ende der Fünfziger-Jahre zweimal am Gardasee. Das war immer eine schöne Zeit. Einmal musste ich allerdings den Urlaub abbrechen, weil mein Großvater verstorben war. Kontakt mit zu Hause war damals ja kaum möglich und ich wurde durch die Autofahrer-Sendung im Radio gesucht. Wir haben zwar die Sendung nicht gehört, aber Wiener, die in der Nähe ebenfalls einen Zelt-Bungalow gemietet hatten, hatten die Sendung gehört und mich verständigt. Die Rückfahrt war insofern noch „interessant“, weil ich beim Umsteigen auch noch einen falschen Zug erwischt habe.
Auch Ostblockländer hinter dem damaligen „Eisernen Vorhang“ habe ich besucht. Einmal war ich in der Tschechoslowakei, das war später, da hatte ich schon den Opel Kapitän. Ich bin mit meiner Mutter und ihren Schwestern zu der Verwandtschaft nach Znaim gefahren. Ab der Grenze war dichter Nebel, aber ich habe bemerkt, dass uns ein Auto nachfolgt. Bis zum Haus der Verwandtschaft. Dort ist unser „Verfolger“ ebenfalls hinter uns stehen geblieben – ganz offensichtlich waren es Angehörige der Geheimpolizei. Ich habe mir denn den Spaß erlaubt und Mutter und Tanten aussteigen lassen. Dann bin ich einige Male im Kreis um den Häuserblock gefahren und habe sie hinter mir „hergezogen“. Dann bin ich vor dem Haus ausgestiegen und habe ihnen das „Viktoria-Zeichen“ gezeigt. War eigentlich ein Glück, dass es keine Folgen gehabt hat.
In Ungarn war ich zweimal mit meinem Vater, ebenfalls auf Verwandten-Besuch. Das war noch vor dem Aufstand 1956. Mein Vater hatte einen VW-Bus „Samba“ und wir waren in einem kleinen Ort bei Sopron in der Nähe der Grenze. Ich war erst 14 und es war mir damals ziemlich schlecht, weil ich zum ersten Mal mit dem Barac Bekanntschaft gemacht hatte. Ich hatte bis dahin ja keine Erfahrung mit Alkohol. Später war das einzige alkoholische Getränk – wenn ich einmal ins Kaffeehaus in der Nähe gegangen bin – „Campari“. Darauf bin ich gekommen, wie ich zum ersten Mal im Kaffeehaus war. Ich bin an einem kleinen Tisch gesessen und an der Wand vor meinen Augen hing eine Campari-Reklame. Eine vollbusige Kellnerin ist gekommen und hat nach meinen Wünschen gefragt. Ich habe kurz auf die Reklame geschaut und einen Campari bestellt. Und diese „Tante“ fragt mich: „Pur oder mit Soda“? Und ich – ohne jede Erfahrung, bestelle „pur“. Das war dann ganz grauslich.
1960 bin ich Autostopp nach England gefahren. Es war im Frühjahr. Ein Jugendfreund hatte London als Reiseziel vorgeschlagen, wir hatten zwei Wochen frei, kauften uns Holzfäller-Jacken und Reisetaschen und starteten – mit nicht besonders viel Geld in der Tasche - in der Hadikgasse im Westen von Wien. Ein Schotter-LKW, der beim Bau der Westautobahn eingesetzt war, hat uns nach St. Pölten mitgenommen, von dort ging es in einem PKW nach Salzburg und auf Vermittlung eines Wirten, bei dem wir eingekehrt waren, mit einem LKW nach München. Dann ein richtiger Glücksfall: eine große Limousine blieb stehen, am Lenkrad ein amerikanischer Oberstleutnant. Er hat uns in das US-Quartier in Kaiserslautern mitgenommen. Dort konnten wir zwei Nächte als Gäste verbringen. Über Aachen fuhren wir weiter nach Lüttich und nach einer Nacht in der Jugendherberge nach Calais. Für die Überfahrt nach Dover mussten wir als „Gäste“ in einem PKW nichts bezahlen. Nach der Zugsfahrt nach London bezogen wir ein 6-Bett-Zimmer in einer Jugendherberge und bekamen von der resoluten Verwalterin einen Besen in die Hand gedrückt, um sauber zu machen. Dann haben wir uns fünf Tage lang London „erobert“. Auf der Rückfahrt – zunächst mit dem Zug nach Dover – mussten wir für die Überfahrt wieder nichts bezahlen, als Mitfahrer in einem PKW, der uns bis Köln brachte. Nach der Nacht in einer sehr schönen Jugendherberge ging es weiter nach Stuttgart, wo wir zwei Tage bei meiner Tante Station machten. Von München aus hat uns ein PKW bis St. Pölten mitgenommen und wir haben dort in der Raststation ziemlich „blank“, also ohne Geld in der Tasche länger warten müssen, bis uns ein Fahrer nach Wien zum Schwarzenbergplatz in der Innenstadt mitgenommen hat. Es war nach Mitternacht und wir sind zum Abschluss unserer England-Reise zu Fuß nach Simmering gegangen. Um die Eltern nicht aufzuwecken haben wir dort in einem Schrebergarten übernachtet und waren dann um 7 Uhr früh wieder zu Hause.
Weitere Erinnerungen
Von einer Jugendsünde zu Hause im Bezirk ist auch noch zu berichten. Wir hatten in Simmering einerseits die „schwarze Partie“ – nicht parteipolitisch – nämlich das Gebiet der Geschäftsleute. Und die andere Partie „Hasenleiten“, dort haben noch viele in Baracken gelebt. In der Jugend hatten wir immer wieder Auseinandersetzungen – da habe ich einmal einem mit der Schleuder in den Rücken geschossen. Wir wohnten im dritten Stock, unten war ein sogenannter “Beserlpark“. Einer meiner Jugendfreunde hatte ein schlechtes Bein, er konnte nicht laufen. Ich habe gesehen, wie einer aus der „Hasenleiten“-Partie sich mit einem Prügel in der Hand von hinten an ihn anschleicht. Ich habe meine Schleuder geholt, und eine Eisenkugel und habe ihn vom dritten Stock ins Kreuz getroffen. Er ist gestürzt, hat sich „überschlagen wie ein Hase“ und mir ist dann erst bewusst geworden, dass er hätte tot sein können, wenn ich ihn am Kopf erwischt hätte.
Sport habe ich auch betrieben, ich bin zwischendurch trainieren gegangen – aber nur, wenn es mir Spaß gemacht hat. Eher aus einer Laune heraus. Ich habe nicht mehr wettkampfmäßig trainiert, sondern auf Ausdauer, um mich fit zu halten. Ich habe zum Beispiel Schigymnastik betrieben – obwohl ich nicht Schifahren konnte. Zum ASKÖ bin ich ja nicht mehr gegangen, ich war dann in einem Fitnesszentrum der Union.
Und noch ein Erlebnis aus einer Laune heraus: zusammen mit Söhnen und Töchtern der Geschäftsleute aus der Simmeringer Hauptstraße habe wir uns um 500 Schilling eine Harley Davidson mit Beiwagen gekauft. Eine amerikanische Militär-Harley. (Damit waren übrigens auch die ersten Wiener Polizeistreifen unterwegs – ein Polizist auf der Maschine, der andere im Beiwagen). Die Eltern von einem von uns hatten eine Großgärtnerei in Simmering. Dann sind wir mit dieser Maschine im Gebiet der Gärtnereien herumgefahren. Einmal – ich war im Beiwagen – hat die Maschine zu brennen begonnen, ein Kabelbrand. Und dann war unser Interesse auch schon wieder erloschen.
Ich hatte nur wenige Jugendfreunde. Ich war immer in gewissem Sinn ein Einzelgänger – ich habe immer das gemacht, was ich wollte. Beim Ausgehen hat sich halt oft eine Gruppe zusammengefunden, etwa wenn wir zum Tanzen in die Innenstadt gefahren sind. Oder auf „Aufriss“. Einmal waren wir im Eszterhazy-Keller. Aber auch dort ist es wieder einmal zu einer Rauferei gekommen. Es gab dort Tische in Logen, wir hatten hübsche Mädchen mit und einige andere Burschen haben zu stänkern begonnen. Ich wollte schlichten, doch einer mit Bart ist aufgesprungen. Ich habe ihn beim Bart genommen, daraufhin ist ein anderer mit einem Springmesser auf mich zugekommen. Dem habe ich einen ordentlichen Schlag versetzt. Der ist dann in einer der Logen gelandet. Es gab drei Verletzte. Dann ist die Polizei gekommen. Ich habe aber Glück gehabt: ich musste nicht einmal meinen Ausweis herzeigen. Andere Gäste hatten erklärt, dass dies betrunkene Stänkerer gewesen wären.
Auch zu Heurigenbesuchen hatten sich immer wieder Gruppen zusammengefunden. In unmittelbarer Nähe war der Kellerberg in Schwechat. Es gab dort schöne Keller, viele mit angeschlossenem Restaurant. Mit den meisten Betreibern waren wir per Du. Ich habe damals doch relativ viel Wein getrunken – ich habe ziemlich viel vertragen. Eines werde ich nie vergessen: ich war wahnsinnig verkühlt und wir waren in einem der Restaurants. Ich habe ziemlich heftigen Husten gehabt. Ist plötzlich einer mit einer Flasche Wodka zu mir gekommen und hat mich aufgefordert zu trinken. Ich glaube, ich habe fast die halbe Flasche ausgetrunken. Was mich gewundert hat, ich habe nicht einmal „einen Spitz“ gehabt. Nur Durst – den habe ich aber dann mit Wasser gestillt.
Wo ich nie mitgemacht habe, waren die sogenannten „Heim – oder Flucht-Achterln“. Dazu auch noch eine Erinnerung: eine Gräfin, die auch im Alter noch bildhübsch war – die Frau eines sehr reichen sizilischen Grafen – ist mit zwei Autos nach Wien gekommen: einem Cadillac und einem Royce. In einem war sie, der andere Wagen musste nachfahren. Sie hatte bei uns im Regina gewohnt und war überaus großzügig. Ihr Mann hatte aus geschäftlichen Gründen meist keine Zeit. Sie hat mich offenbar sehr gern gehabt. Einmal nach der Arbeit habe ich gegen Mitternacht noch kurz mit dem Nachtportier geplaudert, sie ist ins Hotel gekommen und hat gemeint „mach mir einen Gefallen und bring uns zwei doppelte Whisky“. Ich habe den besten Whisky ausgesucht und ihn aufs Zimmer gebracht. Sie hatte das „große Plaudern“ und hat mir verschiedene Dinge erzählt. Dann hat sie beschlossen „wir zwei fahren jetzt nach Grinzing!“ Ihr Mann hatte ebenfalls einen Rolls Royce, war aber vorübergehend nicht in Wien und daher wurde sowohl der Chauffeur ihres Mannes als auch ihr eigener beauftragt, mit den beiden Rolls Royce nach Grinzing zu fahren nach Mitternacht! Und dort haben wir dann alle – auch die Chauffeure - „Flucht-Achterln“ getrunken. Sonst habe ich ja nie Whisky getrunken, aber wenn Landeshauptmann Wallnöfer spät gekommen ist, musste ich dann Cognac trinken mit ihm und seinem Chauffeur.
Noch eine Erinnerung an unsere Gäste im Hotel: Einmal habe ich einen Anruf der Frau eines italienischen Arztes erhalten. „Wolfgang, wir sind eingeladen“. Meinen Einwurf, dass sie offenbar einen Chauffeur brauche, hat sie entrüstet zurückgewiesen. Unser Ziel war die „Fledermaus“ von Bronner. Dort ist Fats Edwards aufgetreten. Die Einladung war von einem Angehörigen der amerikanischen Botschaft, der gut Deutsch gesprochen hat. Es waren überraschender Weise nicht viele Gäste in der Fledermaus. Es gab Steak-Sandwichs und Cocktails a la James Bond. Bronner kam dann zu uns an den Tisch – mir war er ehrlich gesagt nicht sympathisch. Aber, als dann keine Gäste mehr da waren, haben wir noch mitsammen gesungen – die damals aktuellen „Schlager“.
Von Simmering nach Ottakring – nach Apetlon und in die OMV
Ich habe meine Frau Uli im Hotel Regina kennen gelernt. Sie war damals beim Telefon. Im Jahr 1969 haben wir geheiratet und sind nach Ottakring übersiedelt. Ich habe Simmering - mit Ausnahme meines Elternhauses – zurückgelassen.
Wir hatten im Hotel einen Gast, von dem man mir erzählte, er habe mit Wohnungen zu tun. Mein Bruder Heinz hat ihn darauf angesprochen und ich habe ihn dann im Cafe Schwarzspanier getroffen. Es hat sich gezeigt, dass in Ottakring neue Häuser errichtet wurden, damals eine durchaus „gute Gegend“ – da war die Thaliastraße noch die Thaliastraße – kein Basar, wie es heute der Fall ist. Die Wohnungen waren fast fertig, aber noch im Bau. Die uns angebotene Wohnung war zwar schön, aber aus unserer Sicht nicht kindergerecht. Die Nebenwohnung war in unserem Sinn, aber für einen kanadischen Diplomaten reserviert. Ich habe den Vermittler darauf angesprochen und nach einigen Tagen kam die Nachricht, das ginge in Ordnung.
Die Wohnung wurde von meiner Frau bezahlt. Ich habe ja damals kein Geld gehabt. Ich hatte bis dahin keine Verpflichtungen und habe eigentlich alles „in die Mode“ hineingesteckt. Mit dem Geld von Ulis Großmutter konnten wir die Grundanteilskosten bar bezahlen. Inklusive Autoabstellplatz – eine richtige Entscheidung, obwohl es damals noch kaum Autos in der Roseggergasse gegeben hat. Allerdings waren die Parkplätze damals so klein dimensioniert, dass ich mit dem Opel Kapitän zwar knapp die Einfahrt geschafft hätte, aber dann nicht aussteigen hätte können. Wir sind dann bald auf ein kleineres Auto - einen Renault - umgestiegen.
Zu dieser Zeit hatte auch die Schwester meines Schwiegervaters, Tante Helga, Onkel Willi Hufnagel geheiratet. Sie hatten nach mehreren Aufenthalten in Apetlon dort ein kleines, altes Haus erworben und nach aufwändiger Renovierung und jahrelangem Rechtsstreit mit den Nachbarn zu ihren „Alterswohnsitz“ gemacht. Wir haben unsere „Hochzeitsreise“ nach Neusiedl gemacht und sind sie von dort aus - nach einem stürmischen Boots-Tag auf dem Neusiedlersee - zum ersten Mal besuchen gefahren. Sie waren nicht zu Hause, von der Nachbarin haben wir erfahren, dass sie privat einen Badeteich gemietet hätten. Dort haben wir sie nacktbadend angetroffen und das wurde dann später auch unser Baderevier.
Und mit dem angeheirateten Onkel Willi - Schauspieler und Chef der ORF-Sendung „Autofahrer unterwegs“ - hat es natürlich einige Erlebnisse gegeben. Vor allem in Apetlon. Einmal musste dort eine ziemlich große Robinie geschnitten werden – volkstümlich „Akazie-Baum“ genannt. Alles händisch, Äste mit 20 Zentimeter Durchmesser. Ich habe oben geschnitten und er ist immer unten gestanden. Ich habe ihn mehrfach aufgefordert, unten wegzugehen. Aber erst, bis ein starker Ast direkt neben ihm „eingeschlagen“ hat, ist er auf die Seite gegangen. Für den offenen Kamin brauchten wir Holzscheite und er ist mir beim Holzhacken grundsätzlich im Weg gestanden. Aber er war nicht nur mir im Weg, sondern auch sämtlichen Professionisten, Installateure oder Elektriker. Er ist immer auf Tuchfühlung hinter ihnen gestanden. Einmal – die Störche haben schon gebrütet – hat er beim Kamin hantiert. Ich war kurz im Garten, um Kräuter zu holen. Und wie durch eine Eingebung drehe ich mich um und schaue in die Höhe und sehe, dass beim Rauchfang Flammen herausgeschlagen haben – knapp oberhalb des mit Schilf gedeckten Dachs. Das Storchennest ist Gott sei Dank nicht direkt auf dem Schornstein aufgesessen, sondern war auf vier Metallträgern erhöht. Der Rand vom Nest hat aber schon zu glühen begonnen. Ich bin mit dem Wasserschlauch hinauf auf den Dachboden und zur Sicherheit zwei Stunden ober geblieben. Was war der Grund für die Beinahe-Katastrophe: Onkel Willi hatte unten in den Kamin Papiere hineingeworfen und angezündet. Und dann hat sich herausgestellt, dass bis dahin der Kamin nie von einem Rauchfangkehrer gereinigt worden war. Übrigens hatte er auch in seiner Wiener Wohnung keinen Rauchfangkehrer – bis es gesetzlich Pflicht wurde. Als er mir bei anderer Gelegenheit wieder einmal bei der Arbeit im Weg war, habe ich ihn weggeschickt und hatte danach ein schlechtes Gewissen: er ist nämlich in seine Werkstatt gegangen. Da hatte er eine kleine Kreissäge. Und damit hat er sich eine Sehne durchgeschnitten und fast einen Finger verloren. Wenn man in Rechnung stellt, dass er sich meist dessen nicht bewusst war, dass er andere gestört oder geärgert hat, ist man mit Onkel Willi aber gut ausgekommen. Sogar, als ich ihn einmal – als er wieder besonders lästig war – mit jenem „A“-Wort bedacht hatte, das ein ehemaliger Bundeskanzler angeblich auch für seinen Vorgänger als Parteivorsitzender verwendet haben soll. Onkel Willi war empört: „Das hat noch nie jemand zu mir gesagt!“ – „Dann bin ich eben der Erste!“ Nach fünf Minuten war alles wieder vergessen – Willi Hufnagel war nicht nachtragend.
Ich bin dann noch zehn Jahre lang im Regina geblieben, als Oberkellner auf dem feinsten Platz. Im sogenannten Goldkabinett, wo sich die einheimische Prominenz getroffen hat. Bundespräsident, Landeshauptleute – nur „schwarze“ Landeshauptleute – und Geschäftsleute. Dazu kamen viele bekannte Ärzte, meist Vorstände der nahen Universitätskliniken, sowie Schauspieler und Künstler. Von den Jungen kennt heute zum Beispiel keiner mehr Rudolf Schock, der war damals bei mir Gast. Dann hat sich im Regina einiges geändert. Der alte Kremslehner, mit dem ich mich gut verstanden hatte, ist gestorben, mein Bruder war Direktor von allen drei Hotels und hat sich auch ein wenig „gedreht“. Ich habe damals auch die Lehrlinge unterrichtet, wenn Zeit dafür war.
Ein Stammgast von mir war Generaldirektor Luigi Bauer von der OMV. Damals war die OMV-Zentrale nur wenige hundert Meter vom Hotel Regina entfernt am Otto-Wagner-Platz. Eines Tages hat er zu mir gesagt: „Ich würde Dich brauchen, drüben bei mir“. Auf meine Frage „wofür“ meinte er, zunächst einmal für den Empfang. Und da ich damals mit dem Juniorchef, der keine Ahnung von Gastronomie hatte und auch mit meinem Bruder nicht immer einer Meinung war, habe ich mir gedacht: „es ist Zeit“. Nach Absprache mit meiner Frau und einer Woche Urlaub auf Kreta bin ich mich bei der OMV vorstellen gegangen. Das war 1981. Dort hat es mir gefallen, ich habe aber gleich dem Generaldirektor gesagt, dass ich „keiner Fraktion angehöre“. Dass ist seht gut, meinte er – und was die Betriebsräte angeht „das mach ich schon“. Sie sind natürlich trotzdem auf mich zugekommen, es gäbe für mich einige Möglichkeiten (zwei Drittel waren rot, ein Drittel schwarz), der Generaldirektor war ein „Schwarzer“, der Präsident ein „Roter“ – der Neffe des früheren Bundespräsidenten Schärf. Ich habe erklärt, ich käme zum Arbeiten in die OMV – und alles andere wäre Privatsache.
Dann bin ich zwei Jahre im Vorzimmer vom Generaldirektor gesessen. Ich habe Bauer gemocht, auch wenn er ausgeschaut hat wie ein Mafioso-Boss: Seidenanzug, braunes Gesicht. Seine erste Frau hat übrigens Martha geheißen, danach war zu dieser Zeit eine ganze Tankstellen-Kette benannt. Ziemlich bald nach meinem Einstieg kam der erste größere Auftrag. Damals war die OMV noch die ÖMV und hatte Verträge mit den Russen. Etwa dreimal im Jahr ist eine russische Delegation zu Gesprächen nach Wien gekommen. Der General sagte zu mir, wir bekämen jetzt einen Besuch, bei dem es um eine spezielle Verhandlung ginge. Darauf habe ich geschaut, ob wir etwas zum Anbieten hätten. Es war eine Katastrophe. Keine passenden Gläser, keine Getränke. Ich habe den Chauffeur geschickt, um eine Flasche Whisky zu kaufen. Beim Empfang hat sich dann für mich herausgestellt, dass nicht eine russische Delegation, sondern der libysche Erdölminister gekommen war. Das war gerade die Zeit, als die Libyer die Amerikaner „hinausgeschmissen“ haben. Die Amerikaner konnten von ihrem Equipment nichts mitnehmen. Und da Bundeskanzler Kreisky ein gutes Verhältnis mit Gaddafi hatte, hat die OMV das praktisch ohne große Probleme übernehmen können. Das war bei uns natürlich ein wichtiges Treffen. Der libysche Ölminister war an die zwei Meter groß, ein Bär von einem Mann. Ich habe ihm Whisky eingeschenkt, er hat auf einen Zug ausgetrunken, dann hat er die Flasche genommen und sich selbst nachgeschenkt. Generaldirektor Bauer hatte auf seinem Schreibtisch eine Holzkassette mit Zigarren. Ich denke, die ist schon zehn Jahre unbenützt dort gestanden, die Zigarren waren schon „mumifiziert“. Der Minister nimmt sich die größte Zigarre heraus, zündet sie an und es gibt einen Knall – das war wie in einem Mikey-Maus-Film. Starke Rauchentwicklung, der Minister verkutzt sich, nimmt den Whisky und trinkt ihn auf einen Zug aus. Er hat sich dann relativ rasch erfangen und der Vertrag war gut. Die Chefs waren alle erleichtert. Ich habe dann zum Generaldirektor gesagt, wenn sie wollen, dass ich bei Ihnen bleibe, würde ich Sie bitten, dass wir da etwas Ordnung hineinbringen: nicht fünf verschiedene Gläser, darauf achten, dass es verschiedene Getränke gibt, ein paar Aperitifs, dass man den Gästen etwas anbieten kann. Daraufhin hat er mich beauftragt, mich darum zu kümmern.
Nach meinem ersten Jahr in der OMV kam in der Chefetage der Wechsel von Ludwig Bauer zu Herbert Kaes. Er hat jeweils mit einigen Wochen Abstand gerne an Freitag Nachmittagen einen kleinen Umtrunk veranstaltet, mit zwei Flaschen Champagner und Brötchen vom Sluka. Dann erhielt ich innerhalb der OMV ein Angebot: man wolle mich unten an der Rezeption haben. Ich würde mich da auskennen, ich wüsste, wie man Leute behandeln muss. Mit diesem Wechsel habe ich auch mehr verdient, auch mit Nachtdiensten, die mir nichts ausgemacht haben. Nach einiger Zeit wurde ich von Finanzvorstand Meszaros gefragt, ob ich nicht „den Keller“ übernehmen wollte. Im Keller waren die Sitzungsräume. Mit Schiebetüren konnte man je nach Bedarf die Räume teilen oder auch vergrößern. Da habe ich mich dann einige Zeit um die Sitzungsräume gekümmert.
1989 wurde dann für drei Jahre Siegfried Meysel Vorstandsvorsitzender. Und 1990 ist als neuer Personalchef Viktor Klima gekommen. Er ließ mich rufen „Fözö komm zu mir herauf und nimm zwei Kaffee mit“. Er erklärte mir, dass ein größerer Umbau geplant wäre. Das Souterrain würde komplett neugestaltet, mit „dem Besten vom Besten“. Inklusive einer modernen Küche. „Bist Du einverstanden? Du hast dort jede Vollmacht“. Ich würde damit zwar der Hausverwaltung unterstehen. Aber wenn ich etwas bräuchte, sollte ich mich an ihn wenden. Dass Klima einmal Bundeskanzler werden würde, habe ich mir natürlich damals nicht träumen lassen. Aus meiner Sicht hat er nie politisch agiert. Er war ein Arbeitstier, von der Früh bis zum späten Abend. Da ist dann manchmal seine damalige Frau Sonja gekommen: „Herr Fözö, bitte rufen sie den Viktor an, er hat schon wieder vergessen, dass wir eingeladen sind…“
Beim Umbau konnte ich ein wenig „mitreden“. Wir hatten einen Hausarchitekten, mit dem bin ich ganz gut ausgekommen. Er war ein Trinker. Ich konnte ihm zum Beispiel sagen: „Wie die Küche aussehen soll und was, wo und wie eingebaut werden soll, betrifft uns zwei nur am Rande“. Die Damen, die dort arbeiten sollen, muss man fragen, wo sie was haben wollen. Er gab mir recht.
Von Klima bekam ich den Auftrag, die Ausstattung zu kaufen. „Das beste Geschirr“. Die Kosten waren egal. Ich bin dann zu einem bekannten Ausstatter am Graben gefahren und habe den Geschäftsführer verlangt. Nach meiner Mitteilung, dass ich von der OMV mit einem größeren Auftrag käme, hat er schon eine Verbeugung gemacht. Ich habe mir dann verschiedene Hutschenreuther – Service zeigen lassen, weißes Porzellan. Meine Bestellung „für 80 Personen – und alles was dazu gehört“, hat ihn kurz sprachlos gemacht. Von den verschiedenen Tellern über unterschiedliche Schalen bis zu den Eierbechern. Nach dem O.K. vom Vorstand habe ich alles liefern lassen. Dann das Besteck: österreichische Qualität von „Berndorf“. Dort habe ich dann auch noch Prozente herausgeholt mit meinem Hinweis, dass ein Onkel von mir im Aufsichtsrat von Berndorf sitze. Die Lieferung erfolgte dann mit einem Kleinlastwagen. Und bei Riedl in der Liechtensteinstraße habe ich die Gläser bestellt, 100 Stück Weißweingläser, 80 von den anderen Sorten. Anschließend die Fahrt auf die Triester-Straße zum Kauf des kompletten Küchengeschirrs inklusive Kupferpfannen. Alles zusammen etliche Zehntausend Schilling. Da habe ich mich dann schon ziemlich wohl gefühlt. Die Zimmer wurden umgebaut und renoviert, es gab verschiedene Speiseräume, eine Bar, dahinter ein intimer Speiseraum für acht Personen, der vor allem von Mitgliedern der Geschäftsführung frequentiert wurde. Hierher sind auch immer wieder Politiker gekommen.
Dieses „Casino“ habe ich dann bis zu meiner Pensionierung 1999 geleitet. Es war dies eine Position mit ziemlicher Selbständigkeit, mir wurde kaum dreingeredet. Und ich hatte immer drei bis vier Firmen an der Hand, auf die ich mich auch bei kurzfristigen Aufträgen verlassen konnte. Von Brötchen und kleinen Imbissen bis zu sechsgängigen Menüs war bei uns alles möglich. Mit den Getränken, vor allem Wein, hatte sich ohnedies keine Schwierigkeiten. Aus meiner Sicht entscheidend war aber nicht nur der korrekte, sondern auch der persönliche und menschliche Umgang mit den unterschiedlichen Gästen.
Ich erinnere mich noch, wie Siegfried Meysel in die OMV gekommen ist. Er war aus der Papierindustrie von Hugo Michael Sekyra geholt worden, der damals der Chef der Österreichischen Industrieholding AG war. Meysel blieb nur drei Jahre OMV-Chef, aber ich hatte bei ihm einen guten Einstand und er hat mich offensichtlich geschätzt. Ich hatte mich erkundigt, welches Getränk Meysel bevorzugt und erfahren, dass er einen bestimmten österreichischen Rotwein bevorzugt und dass er keinen Cognac trinkt, sondern nur Armagnac. Ich hatte also diesen speziellen Rotwein besorgt und Armagnac. Als er dann erstmals zu mir an die Bar kam, zusammen mit seinem damaligen Stellvertreter Schenz, habe ich mich vorgestellt und auf der Bar eine Flasche Cognac und eine Flasche Armagnac aufgestellt. Ich habe wortlos ein Glas Cognac für Schenz und ein Glas Armagnac für Meysel eingeschenkt und den beiden Herren serviert. Daraufhin fragte mich Meysel – nachdem er sich erkundigt hatte, wie man Fözö richtig ausspricht – woher ich denn wisse, dass er ein Armagnac—Liebhaber sei. Ich habe ihm gesagt: „Herr Generaldirektor, wenn so viele Jahre wie ich in der Branche ist, dann hat man schon ein wenig Ahnung, welcher Chef was bevorzugt“. Völlig eingenommen von mir war er dann wohl, als ich ihm danach auch noch „seinen“ Rotwein brachte. Mit Meysel hatte ich eine sehr lockere Gesprächsbasis. Aber man musste sich damals in der OMV auch nicht fürchten. Wenn man nicht goldene Löffel gestohlen hat, konnte man schließlich nicht hinausgeworfen werden. Und goldene Löffel haben wir ja keine gehabt.
Woran ich mich noch wirklich gut erinnere: Unter Generaldirektor Meysel hat es einmal eine große Sitzung gegeben – es ging um einen Erdölvertrag mit den Russen. An der Spitze der russischen Delegation war der spätere Parteichef Tschernomyrdin. Vor Beginn der Sitzung sagte Meysel zu mir, Herr Fözö, wir brauchen genügend Wodka. Meine Gegenfrage war: „Wozu?“. Nun, weil die Russen ziemlich viel trinken, meinte Meysel. Darauf sagte ich: „wenn ich nach Russland fahre, Herr Generaldirektor, verlange ich dort auch kein Wien er Schnitzel“. Ich wette mit Ihnen, meinte Meysel, wir werden es ja sehen. Die russische Delegation ist gekommen, das waren ja schon die Post-Kommunisten, und Minister Tschernomyrdin hat auch gut Deutsch gesprochen. Er fragte mich, was ich zum Trinken anzubieten hätte, und ich antwortete so, dass es auch Meysel hören konnte: „Herr Tschernomyrdin, ich glaube nicht, dass Sie hier bei uns Wodka trinken möchten. Ich würde eher einen guten Whisky oder Cognac empfehlen“. Er entschied sich für Cognac. Ich habe eingeschenkt, er hat darauf bestanden, dass auch ich einen Schluck nehmen musste, dann hat er sein Glas erhoben und gesagt: “Herr Meysel, auf Ihr Wohl“. Es hat nicht gesagt, „nastrovje“ sondern „Auf Ihr Wohl“. Dann wollte Tschernomyrdin noch von mir wissen, welche Funktion ich hier in der OMV hätte. Ich bin hier für das leibliche Wohl der Gäste verantwortlich, für die Zusammenstellung der Speisen und Getränke. Schon im Vorfeld hatte der russische Botschafter bei uns in der Generaldirektion angerufen und wollte wissen, ob wir ein typisches Wiener Menü zusammenstellen könnten. Ich habe daraufhin Tafelspitz vorgeschlagen, mit sämtlichen Beilagen für rund 20 Personen. Aus meiner Sicht ist der Empfang perfekt abgelaufen.
Noch eine Veranstaltung ist mir in Erinnerung geblieben; das war mit den Norwegern. Mit „Nordgas“. Das war ganz interessant: die hatten ihre eigenen Köche mit und auch zum Teil ihr eigenes Essen. Das war kein unfreundlicher Akt, sondern vorher so vereinbart. Da ein Gegenbesuch in Norwegen nicht absehbar war, hatten sie vorgeschlagen, uns in Wien selbst zubereitete norwegische Spezialitäten zu servieren. Das Service ist dann aber von uns durchgeführt worden. Da habe ich übrigens erstmals geräucherte Austern gegessen. Geräucherte. Sie waren vorzüglich! Also: die Vorspeisen sind von den Norwegern gekommen, das übrige Essen und Trinken habe dann schon ich organisiert. Und interessant: sie haben sich als Hauptgang Forellenfilet gewünscht – vielleicht statt dem Lachs. Jedenfalls gab es für 22 Personen Forellenfilet.
Araber waren natürlich auch als Gäste hier. Das waren lauter Scheichs, aber alle in Anzügen und nicht in ihrem „Original-Gewand“. Sie waren vor allem bei den Aufsichtsratssitzungen dabei, nachdem sie sich mit 25 Prozent in die OMV eingekauft hatten. Da war natürlich klar, dass Hühner- oder Schaffleisch serviert wurde. Bei den Sitzungen haben sie auch keinen Alkohol getrunken – privat aber schon. Das habe ich schon aus dem Hotel Regina gekannt, da hatten wir ja auch zahlreiche Gäste aus dem Nahen Osten, die im Lokal Tee getrunken haben und im Zimmer Alkohol.
Bei größeren Veranstaltungen habe ich auch mehr als 40 Gäste zu betreuen gehabt, etwa bei Aufsichtsratssitzungen. Auch bei den Vorbesprechungen war ich dabei, bei den „Roten“ genauso wie bei den „Schwarzen“. Es ist immer ganz gut, wenn man „Neutral“ ist. Was natürlich auch zu meinen Aufgaben gezählt hat, war die Einschulung des Personals. Das hat schon beim Aufdecken begonnen: man muss sich vorstellen, wir hatten ja Tischtücher, die waren bis zu 20 Meter lang.
An meinem letzten Arbeitstag hat man oben in der Vorstandsetage schon auf mich gewartet. Das musste man deshalb, weil ich meinen Dienst bis zur Übergabe an den Nachfolger geleistet hatte. Der Personalchef hat dann meiner Bitte zugestimmt, dass meine Damen ordentlich untergebracht würden. Meine Pensionierung erfolgte unter Generaldirektor Richard Schenz, mit dem ich ein wirklich menschliches Erlebnis hatte. Ich bin an einem Feiertag in die OMV gefahren, um einiges für den nächsten Tag vorzubereiten. Als ich über den Otto-Wagner-Platz ging, stand dort der Generaldirektor in Jeans und Jacke neben seinem Auto – ohne seinen Chauffeur. Das Auto hatte einen Patschen und Schenz war dabei, selbst den Reifen zu wechseln. Als ich ihn fragte, ob ich ihm helfen könnte, lehnte er dankend ab und meinte „mach dich nicht dreckig“……
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Willkommen auf der homepage von Wolfgang Pav.
* 1943, Wien. Mag. et Dr. phil (Geschichte). Historiker, freier Journalist in Wien, Vortragstätigkeit.
Sie können hier - vorwiegend historische - Texte von wissenschaftlichen Arbeiten und Vorträgen aufrufen.
Zur Zeit verfügbar:
Dissertation über Oesterreichs Statthalter in Dalmatien 1906-1911, Nikolaus Nardelli.
Diplomarbeit über die dalmatinischen Abgeordneten im Wiener Reichsrat 1907-1911.
Vortrag über die Katholische Kirche in Oesterreich und ihr Erscheinungsbild in der Oeffentlichkeit Ende des 20.Jahrhunderts.
Eroeffnungsvortrag "Auf neuen Bahnen" beim internationalen Brahms - Musikfest 2007 in Muerzzuschlag.
Der "Roemermonat" als Geld/Leistungseinheit am Beginn der Neuzeit im Heiligen Roemischen Reich.
Der Dalmatien/Kroatienbezug in den Schriften von Paula von Preradovic und Hermann Bahr
Die Kolonen (Kleinbauern) von Split um 1910.
Die nationalsozialistische Jugenderziehung (Forschungsseminar 2007)
Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager (Buch-Analyse)
Briefe aus Dachau (13 Originalbriefe aus dem Konzentrationslager)
Das Traditionsverstaendnis in der DDR (Referat)
Der fruehneuzeitliche Amerika-Handel (Referat)
Politische Kriminalitaet im spaeten Zarenreich (Referat)
Maennlichkeitskonstruktionen in der FPOe - Freiheitlichen Partei Oesterreichs (Buchanalyse 2005)
Dalmatien 1918 bis 1945 (Vortrag 2008)
Oesterreich und Kroatien: Lernen aus der Geschichte? (Vortrag 2012)
Damit es nicht vergessen wird - Lebenserinnerungen Wolfgang Fözö
* 1943, Wien. Mag. et Dr. phil (Geschichte). Historiker, freier Journalist in Wien, Vortragstätigkeit.
Sie können hier - vorwiegend historische - Texte von wissenschaftlichen Arbeiten und Vorträgen aufrufen.
Zur Zeit verfügbar:
Dissertation über Oesterreichs Statthalter in Dalmatien 1906-1911, Nikolaus Nardelli.
Diplomarbeit über die dalmatinischen Abgeordneten im Wiener Reichsrat 1907-1911.
Vortrag über die Katholische Kirche in Oesterreich und ihr Erscheinungsbild in der Oeffentlichkeit Ende des 20.Jahrhunderts.
Eroeffnungsvortrag "Auf neuen Bahnen" beim internationalen Brahms - Musikfest 2007 in Muerzzuschlag.
Der "Roemermonat" als Geld/Leistungseinheit am Beginn der Neuzeit im Heiligen Roemischen Reich.
Der Dalmatien/Kroatienbezug in den Schriften von Paula von Preradovic und Hermann Bahr
Die Kolonen (Kleinbauern) von Split um 1910.
Die nationalsozialistische Jugenderziehung (Forschungsseminar 2007)
Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager (Buch-Analyse)
Briefe aus Dachau (13 Originalbriefe aus dem Konzentrationslager)
Das Traditionsverstaendnis in der DDR (Referat)
Der fruehneuzeitliche Amerika-Handel (Referat)
Politische Kriminalitaet im spaeten Zarenreich (Referat)
Maennlichkeitskonstruktionen in der FPOe - Freiheitlichen Partei Oesterreichs (Buchanalyse 2005)
Dalmatien 1918 bis 1945 (Vortrag 2008)
Oesterreich und Kroatien: Lernen aus der Geschichte? (Vortrag 2012)
Damit es nicht vergessen wird - Lebenserinnerungen Wolfgang Fözö