Wolfgang Fözö - Geboren am 6. August 1942 in Wien – Simmering. Als „echter Wiener“ mit Wurzeln in der gesamten Habsburgermonarchie: der Großvater väterlicherseits stammte aus Ungarn, die Großmutter aus Wien; mütterlicherseits war der Großvater polnischer Herkunft, die Großmutter kam aus Znaim.
Meine Mutter brachte mich in der elterlichen Wohnung zur Welt mit Hilfe einer ganz lieben Hebamme, die ich später dann einmal kennen lernen durfte. Ich war das dritte Kind. Mein Bruder war drei Jahre älter, meine Schwester 16 Monate. Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Wir hatten eine Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnung im dritten Stock eines typischen Wiener „Bassena-Hauses“ mit Wasser und Gemeinschaftsklosett am Gang. Das war im Winter oft eingefroren und mein Vater versuchte dann, es mit einer Lötlampe aufzutauen.
Im Jahr meiner Geburt 1942 war der komplette „Fözö-Clan“ - mein Vater und seine vier Brüder - bei der Luftwaffe eingerückt. Allerdings ist nur einer geflogen, vier waren im Bodendienst. Der Älteste war für das Magazin verantwortlich, mein Vater war bei der Bildstelle, einer arbeitete als Tapezierer und der Jüngste war Flugzeugmechaniker. Der fünfte Bruder „Joschko“ Fözö war ein bekannter Jagdflieger. Er wurde 1938 vom österreichischen Bundesheer übernommen, kam in die Legion „Condor“, war Ritterkreuzträger und nach zwei schweren Verwundungen ab 1942 ebenfalls im Bodendienst.
Ab 1944 verbrachte meine Mutter wegen der Bombenangriffe auf Wien die Zeit bis zum Kriegsende mit uns drei Kindern am Land, in Pillersdorf bei Retz. Der Heimtransport 1945 erfolgte übrigens mit einem russischen Kleinlastwagen.
Nach den ersten Monaten mit russischer Besetzung wurde Simmering, der 11. Wiener Gemeindebezirk, britische Besatzungszone. Allerdings sind auch immer Russen durch unsere Gasse gefahren. Es gab da eine Wäscherei, und dort haben sie ihre Wäsche waschen lassen. Und auch die Artillerie-Kaserne in Kaiserebersdorf war von der Roten Armee besetzt.
In unserer Gasse waren nach dem Krieg nur drei Häuser unbeschädigt. Eines davon war das Haus, in dem wir wohnten. Dann gab es in unserer Gasse – mitten im Stadtgebiet - zwei kleine Landwirtschaften. Wir Kinder haben in den ersten Jahren die Milch direkt vom Bauern geholt. Wir haben in der Nachkriegszeit nicht wirklich Hunger gelitten – wir haben aber natürlich nicht gewusst, auf was die Eltern alles verzichten mussten. Wir hatten einen Fleischhauer in der Nähe, da konnten wir „gegen anschreiben“ etwas bekommen, was es auf Lebensmittelkarten gegeben hat – das wurde dann immer am Monatsende bezahlt.
Mein Vater war gelernter Drogist, konnte damit aber nach dem Krieg nichts anfangen. Also hatte er ein Angebot angenommen, zur Straßenbahn zu gehen. Dort ist er dann bis zur Pension geblieben. Erst als Schaffner, später dann im Expedit. Dabei ist interessant, dass bei uns zu Hause nie über Politik gesprochen wurde. Ich habe erst viel später – wie ich schon nachgefragt habe – einiges erfahren. Sowohl über die Kriegszeit, wobei mir mein Vater dann auch noch einige Bilder aus der Luftwaffen-Bildstelle zeigte.
Ebenso auch über die Zeit nach dem Kriegsende: Der Vater des derzeitigen EU-Kommissars Hahn war damals im Rathaus und war ein Freund meines Vaters. Und mich hat damals schon immer gewundert, dass mein Vater am 1. Mai meist zu Hause war. Er war nie bei diesen Aufmärschen dabei, wo alle in Uniformen über die Ringstraße mitmarschiert sind, Straßenbahner, Eisenbahner und so weiter. Und erst später habe ich erfahren, dass mein Vater bei der Straßenbahn bei der schwarzen Gewerkschaft war.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je von meinem Vater geschlagen worden wäre. Er war zwar streng und aufbrausend – ein Patriarch – aber ich hatte vor ihm nie Furcht – wogegen meine größeren Geschwister vor ihm immer Angst hatten. Es hat damals auch schon Kindergärten gegeben, aber ohne die Verpflichtung zum Besuch – auch nicht im letzten Jahr vor der Volksschule. Meine Geschwister und ich waren nie im Kindergarten. Ich war allerdings noch vor der Volksschule bei der Union turnen.
Schulzeit
Die Schule war dann schon ein Einschnitt im Leben. Das Schulgebäude war direkt vis a vis unseres Hauses. Lehrbücher gab es in der Leihbibliothek und in einem der Bücher, die ich bekommen hatte, fand ich den Namen Johann Fözö. Also ich hatte dasselbe Buch, das schon mein Vater hatte.
In der Schule war ich offenbar ein „kleiner Revoluzzer“, besonders was den Religionsunterricht betroffen hat. Da war ich dann meist auf der Strafbank außerhalb der Klasse, bis der Religionsunterricht vorbei war. Wenn der Religionslehrer von mir wissen wollte, welches Thema am Sonntag in der Kirche besprochen wurde, habe ich wahrheitsgemäß gesagt, dass ich nicht in der Kirche gewesen wäre. Ich hätte natürlich auch lügen und mich vorher bei den anderen Schülern erkundigen können. Jedenfalls hatte ich immer in Religion meine schlechteste Note. Ich war römisch-katholisch getauft, obwohl meine Mutter – aus einer sozialistischen Familie – konfessionslos war. Es war dies 1942 der Wunsch meines katholischen Vaters. Und sein Bruder war mein Taufzeuge.
Wir hatten einen wunderbaren Volksschullehrer und leider ein furchtbares Erlebnis: wir haben ihn einmal von der Simmeringer Hauptstraße abgeholt und beim Überqueren der Straße hat ihn ein britischer Jeep überfahren. Der Lehrer lag verletzt auf der Straße und ich habe sofort meinen Vater zu Hause informiert. Die Rettung zu verständigen war damals höchst kompliziert. Wir hatten ja kein Telefon und es hat lange gedauert, bis die Rettung gekommen ist. Unser Lehrer ist gestorben.
Später dann bei einem anderen Lehrer hat der Vater meines Cousins, der in einem Spielwarengeschäft gearbeitet hat, für unseren Lehrer „Rohrstaberln“ mitgegeben – und genau damit habe ich dann vom Lehrer mehrmals einige Schläge auf die Finger bekommen. Das hat mich so zornig gemacht, dass ich nach der Schule meinen Cousin ziemlich verprügelt habe – obwohl ich einen Kopf kleiner war als er.
In der Hauptschule hatten wir dann einen sehr netten Engländer als Englisch-Lehrer. Wenn man gute Noten hatte, hat man von ihm manchmal Kinokarten geschenkt bekommen – für das Kosmos-Kino im 6. Bezirk. Dort habe ich meine ersten Naturfilme gesehen. Wenn ich zwei Karten hatte, habe ich den Edi Krieger mitgenommen, der dann ein bekannter Fußballer in Österreich war.
Es hat zwei Schulgebäude gegeben, eines für die Buben, eines für die Mädchen. Beide Schulen waren teilweise zerstört und wir mussten daher öfter zwischen den Gebäuden hin und her wechseln.
Was man sich heute ja nicht vorstellen kann: Im Schulpark zwischen der Buben- und der Mädchenschule stand ein britischer Panzer. Er wurde streng bewacht und es war absolut verboten, sich dem Panzer zu nähern - im Schulpark.
Unsere Freizeit haben wir überwiegend auf der Straße oder im Park verbracht. Mit sportlicher Betätigung und hin und wieder auch mit Lausbubenstreichen
Laufen um den Häuserblock, wobei die Zeiten sogar schon gestoppt wurden. Und Fußball in einem kleinen Park, einem sogenannten „Beserlpark“. Nur, in dem Park war uns eine Sandkiste im Weg. Sie wurde eines Tages kurzerhand angezündet. Für mich waren solche „Streiche“ immer ein besonderes Risiko, weil die Polizisten alle meinen Vater gekannt haben….
Dann hatten wir einen Kohlenhändler, der war ganz besonders „kinderfreundlich“ und hat uns immer unsere Fußbälle zerschnitten. Und wir mussten alle immer zusammensparen, um uns einen Ball kaufen zu können. Später hatten wir einen Plastikball, den man aufpumpen konnte. Wir sind auch öfter bis in den Prater gelaufen, um dort Fußball zu spielen. Nicht gegangen, gelaufen.
Einige hatten dann schon ein Fahrrad. Da war der beliebteste Sport das sogenannte „Zuwegitschen“: die Fahrradglocke wurde abmontiert auf die Straße gelegt und es wurde versucht, sie mit dem Vorderrad wie einen Eishockeypuck an die Gehsteigkante zu schießen. Schließlich hat es in unserem noch teilweise ländlichen Bezirk auch viele Gärten gegeben, mit schönen Obstbäumen. Und schönen Blumen für unsere Mütter zum Muttertag. Aber wir haben schon darauf geachtet, richtige Schäden zu vermeiden.
„Kriminelle Handlungen“ waren damals wohl auch dabei: Es hat da eine Villa gegeben, in der waren die Kommunisten – die hatten dort ihre Veranstaltungen. Und da waren Plakate, auf denen ist gestanden „Hände weg von Korea“ und „Ami go home“. Und wir als „Noch-Kinder“ haben uns eingebildet, dass die Kommunisten böse Leute sind. Aber das hatten wir nicht von zu Hause. Doch wenn du so häufig auf der Straße warst, hast du eben einiges mitbekommen. Die Räumlichkeiten waren im Hochparterre und sie hatten immer die Fenster offen. Einer von uns Buben hatte sich Karbid organisiert gehabt. Wir haben dann in eine Essigflasche – von Mautner Markhof – Wasser hineingegeben, Karbid dazu und hineingeworfen. Es hat furchtbar gekracht, die Leute drinnen haben sich auf den Boden geworfen, das Licht ist ausgegangen – und wir sind gerannt.
Interessant war, dass es auf unsere Aktion keine Reaktion gegeben hat. Wir haben nachher nichts gehört, es gab keine Beschwerde.
An einem Tag ist einer der Buben mit einer Hitlerbüste gekommen – etwa einen halben Meter hoch. Eine weiße Büste aus Gips. Wir hatten in der Gegend viele ebenerdige Häuser, in einem war das Papiergeschäft vom Herrn Gans. Ein ganz lieber Mann, aber wir Buben – blöd – sind vom Nebenhaus auf sein Dach geklettert und haben ihm die Hitlerbüste auf den Schornstein gestellt. Danach gab es einen ordentlichen Auflauf. Es wurde zwar vermutet, dass wir das waren – aber es gab keinen Beweis.
Mit 14 Jahren hat meine Sportlerkarriere begonnen: ich wurde mitgenommen zum ASKÖ – zum Stemmen. Dort habe ich mit dem Training begonnen und wurde in meiner Gewichtsklasse – Federgewicht – ganz gut – allerdings bei wenigen Gegnern in dieser Klasse. Beim Training wurde ich von einem sehr guten Sportler beobachtet – Peppi Tauchner, Dritter der Europameisterschaft. Er hat bei der Waggonfabrik gearbeitet und ist immer bei uns vorbeigekommen. Er hat meinen Trainern gesagt: so wie ihr hier arbeitet, bringt ihr mir den „Buam“ um. Er hat begonnen, mir die richtige Technik für die damals noch drei verschiedenen Stemm-Kategorien (Reißen, Drücken, Stoßen) beizubringen. Nach einem halben Jahr war ich bereits ein ziemlich guter Stemmer und für meinen Klub Teilnehmer an Wettkämpfen. Dann kam mein plötzlicher „Abgang“: der Zeugwart hatte mir ein Paket mit neuen Leibchen und Trainingsanzügen gebracht mit der Aufforderung, beim „Fackelzug“ mitzugehen. Als großer Gegner des Wortes “Muss“ habe ich die Türe aufgemacht und bin gegangen. Allerdings habe ich da schon gewusst, dass „die Roten“ den Fackelzug machen. Das wäre mir zwar egal gewesen, aber der Zeugwart ist zu meinem Vater gegangen mit der Aufforderung, mich umzustimmen – schließlich würde ich in zwei Tagen bei einem Wettkampf in Hainburg gebraucht. Mein Vater meinte, er müsste wohl meine Entscheidung zur Kenntnis nehmen. Damit war für mich das Kapitel „Stemmen“ abgeschlossen.
Im Sommer haben wir viele Tage an der Donau verbracht. Bei unseren Familienausflügen zum Winterhafen sind wir erst mit der Linie 73 gefahren und dann die ehemalige Artilleriekaserne entlang gegangen – dem letzten großen Wiener Kasernenbau. Nach den Österreichern waren dort die Deutschen und schließlich bis 1955 die Russen. 1956 wurden in der Kaserne die Ungarnflüchtlinge untergebracht. Wenn kein Badewetter war, gab es Ausflüge zu verschiedenen Zielen
Im Winter waren wir Geschwister manchmal Rodeln am Laaerberg. Sonst hat es mit Vater und Mutter kaum gemeinsame Sachen gegeben. Fernsehen gab es noch nicht, mit den Eltern war ich vielleicht zweimal im Kino. Ein Film war jedenfalls „Die Wüste lebt“. Soweit ich mich erinnern kann, war das damals noch schwarz-weiß. Und dann waren wir auch noch einmal in einem Farbfilm.
Wir haben als Kinder auch immer Erlebnisse mit russischen Soldaten gehabt – und zwar oben am Laaerberg (der war im 10. Bezirk und russische Besatzungszone). Es gab zahlreiche Teiche und wir waren dort oft zum Schwimmen und Fischen. Auch zum Essen haben wir dort immer etwas gefunden, zum Beispiel wilde Erdäpfel. Ein Russe, der eigentlich sehr nett war, hat mich einmal gezwungen, einen Zug von seiner „Machorka“ zu rauchen – grauenhaft. Da ich sowohl von meinem Großvater als auch von meinem Bruder einiges über das Fischen gelernt hatte, habe ich ihm geholfen, mit einem Stock eine Angel zu basteln. Wir haben dann mehrmals zusammen gefischt.
Ein weiteres Erlebnis auf dem Laaerberg fällt schon in das Ende der Besatzungszeit (ich war noch in der Schule – 13 Jahre alt): In Richtung Oberlaa war um die ehemalige Radiostation der Engländer Wein angebaut worden. Kleine, saure Perlen. Wir sind dort über den Stacheldraht hinübergeklettert. Es gab offenbar auf privater Basis Posten, die mit einem Gewehr bewaffnet waren. Österreicher, die ursprünglich von den Engländern beauftragt worden sind. Einmal hat uns einer der Posten, den wir nicht gesehen hatten, verhältnismäßig knapp vor uns angerufen. Wir sind davongelaufen. Bei Laufen habe ich mich kurz einmal umgedreht und dabei einen Stich beim rechten Auge gespürt. Beim Weiterlaufen haben mich meine Freunde aufmerksam gemacht, dass ich blute. Zu Hause musste ich dann noch aufpassen, dass nichts zu sehen war – sonst hätte mir mein Vater „noch eine ordentliche Watschen“ gegeben. Es zeigte sich später, dass ich von einer Schrotkugel in der äußeren Ecke des rechten Auges getroffen worden war. Die Kugel steckt heute noch drinnen. Wir sind damals natürlich nicht zur Polizei gegangen – schließlich waren wir die „Spitzbuben“, die allerhand angestellt haben. Einige Zeit später habe ich das dann zu Hause erzählt – meiner Mutter. Ob der Posten den Auftrag hatte zu schießen oder Spaß daran hatte, weiß ich natürlich nicht.
Ein Jahr später - ich war 14 – waren wir wieder oben. Und mir ist zufällig einer der Posten entgegen gekommen – ob es der war, der mich angeschossen hatte, wusste ich nicht. Wie mir es dann meine Freunde erzählt haben, habe ich „durchgedreht“: im Weingarten waren Holzstangen in den Boden gesteckt – die waren noch aus der Zeit der Schrebergärten, als dort Paradeiser gewachsen sind. Ich habe eine Stange genommen und dem Posten damit auf den Kopf geschlagen. Er hat nicht gewusst, wie ihm passiert – und für mich war die Sache erledigt. Die Aggression, die ich ein Jahr lang mit mir herumgetragen hatte, war vorbei. Ich bin nicht weggelaufen, sondern einfach davon gegangen. Und er hat nicht reagiert.
Berufsausbildung
Dann hat meine Ausbildungszeit begonnen. Mein Wunschberuf war damals schon Kellner. Es war aber zu dieser Zeit im Hotel Regina – dort hat mein älterer Bruder nach Abschluss seiner Kellner-Lehre bereits gearbeitet - kein Platz für mich. Und ich wollte unbedingt ins Regina. Wir waren starke Geburtsjahrgänge und es war überhaupt schwer, eine Lehre zu bekommen. Zur Auswahl waren noch Automechaniker oder die Bundesbahn. Aber das hat mich nicht interessiert.
Mein Onkel – Bruder meines Vaters – war Teilhaber an einem Lederwarengeschäft, das vor allem Taschen erzeugt hat. Er hat mich in die Firma geholt. Das Geschäft mit Werkstätte war in der Renngasse im 1. Bezirk im hinteren Teil eines großen Innenhofes im Parterre und im ersten Stock. Es gab drei Teilhaber. Einer - Herr Skala - hat neben der Hohen Brücke in einer wunderbaren Wohnung gewohnt, der zweite war der „Geldmann“ (er war Anhänger vom Fußballklub „Simmering“, ist überall hingefahren, wo Simmering gespielt hat und er hat mich oft mitgenommen).
Also, ich hatte mit dieser Berufswahl keine Freude. Aber ich habe mich dann entschieden, diese drei Jahre bis zur Abschlussprüfung hinter mich zu bringen. Ich war damit Taschner-Lehrling. Einmal pro Woche war ich in der Berufsschule (in der Hütteldorferstraße vis a vis der Stadthalle – die war damals zunächst noch eine Baustelle und wurde 1958 eröffnet) mit praktischem und theoretischem Unterricht. Das hat mich dann schon interessiert. Ich hatte einen sehr guten Lehrer, der uns gezeigt hat, was man aus dem Material Leder alles machen kann. Und was es für verschiedene Leder-Arten gibt.
In der Firma selbst war ein zweiter Lehrling, der allerdings schon älter war und nur noch ein Jahr zum Auslernen hatte – das heißt, das Zusammenräumen war eher meine Aufgabe. Er musste dafür den riesigen Ofen einheizen, der im Raum stand. Sauber machen war wichtig, weil es natürlich sehr viel Staub gegeben hat von den Lederresten. Es gab Fräsen, mit denen verhältnismäßig dicke Meterstreifen auf die gewünschte Stärke abgefräst wurden und dabei ist viel Staub angefallen. Ich bin mit den Leuten in der Firma gut ausgekommen, auch nachdem sich mein Onkel von der Firma getrennt hatte – ein Jahr, bevor ich frei wurde.
Nach meinem Gesellen-Brief im Juni 1959 habe ich bis zum Herbst eine Pause eingelegt und bin ein wenig „herumgeflogen“. Dann bin ich im Spätherbst in die Währingerstraße 3 gegangen – zum Herrn Rudolf Kremslehner. Wie ich das sehe, waren wir uns auf Anhieb sympathisch. Er war ein bulliger Mensch und sehr rau in seiner Art. Mein Bruder hat nichts davon gewusst, dass ich mich bewerben kam. Das war mein Geheimnis. Als Kremslehner meinen Namen hörte, fragte er, ob ich mit Heinz verwandt sei. Und nach meinem „Ja“: warum mein Bruder nichts davon wüsste? Meine Antwort: „Man muss nicht alles wissen“. Später einmal hat er mir erzählt, dass ihm das „getaugt“ habe. Kremslehner meinte, er könne mich momentan nicht als Kellner unterbringen. Dazu muss man ergänzen, dass er Sportler war – Ruderer – und ich damals bereits mit dem Boxsport begonnen hatte. Er sagte, ich wäre zwar „kein großer Apparat“, aber ich könnte mich wohl sicher wehren. „Geh zur Köberl hinunter. Ab morgen bist im Hotel Royal“.
Die großen Häuser hatten damals eine „Gouvernante“, eine Angestellte, die als eine Autorität über allen Mitarbeitern stand. Bei ihr war – eine Etage tiefer – die Wäscheausgabe für die Stubenmädchen und die Kellner. Frau Köberl gab mir zwar kein Kellner-Gewand, aber einen weißen Mantel und einen zweiten als Reserve.
Das „Royal“ in der Singerstraße war als dritter Kremslehner-Betrieb (neben „Regina“ und „Graben-Hotel“ in der Dorotheergasse) noch im Bau. Gleich nach dem Eingang war ein kleines Kammerl, an dem alle Handwerker vorbeigehen mussten. Und dort war ich dann als „Aufpasser“. Damit nichts „hinausgetragen“ wird. Damals waren im Burgenland wahrscheinlich einige Häuser, die mit Material erbaut wurden, das aus Wien von den Baustellen mitgenommen worden war. Da war eine kräftige Frau, die hat noch als „Malter-Weib“ (die den Mörtl rührt) gearbeitet, die habe ich ganz gern gehabt. Sie hat zu mir immer „Klaner“ gesagt: „Klaner, wenn irgend einer frech wird, dann sag mir‘s“. Ich habe sie aber nicht gebraucht.
Dann war der Bau fertig und ich dachte, ich könnte nun gleich als Kellner anfangen. Aber ich wurde zunächst Telefonist und als solcher musste ich zwischen „Regina“ und „Grabenhotel“ pendeln. Wo ich halt gebraucht wurde. Eigentlich war ich in der Funktion eines Lohndieners auch mit entsprechender Uniform. Da habe ich in jungem Alter ganz schön verdient. Damals waren die Leute ja großzügig. Es sind zum Beispiel sehr viele Ex-Österreicher, viele Juden, die emigrieren mussten, über die Sommermonate aus Amerika nach Wien gekommen. Die haben ein gutes Trinkgeld gegeben, fürs Koffer hinauftragen. Dabei hatte ich auch sehr nette Kontakte. Da war zum Beispiel ein Maler – ein Rapid-Anhänger. Er hat über Rapid mehr gewusst, als viele Wiener. Er hatte sich alle Informationen nach New York schicken lassen.
Ich wollte aber dann doch als Kellner anfangen und habe begonnen, entsprechende Kurse zu besuchen. Vor allem Abendkurse. Organisiert hatte mir das Herr Fischer, unser Chefkellner im Regina gemeinsam mit Rudolf Kremslehner. In den Kursen wurden die damals noch ziemlich strengen Regeln unterrichtet – vom Decken des Tisches bis zu den Serviervorschriften. Zum Beispiel wurde damals noch in Handschuhen serviert und jedes einzelne Besteck wurde vor dem Auflegen noch poliert. Die Kurse waren in einem großen Gebäude beim Karlsplatz (vermutlich in der Elisabethstraße), das heute – glaube ich – nicht mehr steht. Es wurde nur eine kleine Gruppe unterrichtet und es wurde genau die Praxis durchgenommen: Im richtigen Kellner-Anzug haben wir das Aufdecken geprobt, das richtige Einschenken, Tischdekorationen. Wer den Kurs genau veranstaltet hat, kann ich nicht mehr sagen, Die Gewerkschaft kann es jedenfalls nicht gewesen sein, weil es im “Regina“ keinen Betriebsrat gegeben hat – weil es nicht notwendig war.
Die Kurse haben etwa ein Jahr gedauert. Am Ende der Schulungen gab es ein Zeugnis und die Aufmunterung vom Kursleiter: „Ihr könnt jetzt in der Praxis anfangen“.
Das Zeugnis habe ich heute gar nicht mehr.
I
Ich wollte immer schon den Kellner-Beruf ausüben und Kontakt mit Menschen haben. Und so habe ich mit 19 Jahren als ausgelernter Taschner und angelernter Kellner meinen „Traumberuf“ im „Regina“ begonnen. Zunächst nur für einige Monate, bis zum Beginn meines Dienstes im Österreichischen Bundesheer.
Bundesheer
Im Oktober 1961 bis ich eingerückt. In Neusiedel am See in der Montecuccoli-Kaserne. Benannt nach dem großen Feldherrn von der Schlacht bei St. Gotthard an der Raab 1664. Es war eine ehemalige Reiterkaserne. Ich habe dort nicht einmal meine Grundausbildung fertig gemacht, da ist der Major durchgegangen. Er war aus Deutschkreuz. Und er hat uns nach unseren Namen gefragt. Als ich meinen Namen nannte, sagte er: „Der Name kommt mir bekannt vor“. Ob es in meiner Verwandtschaft einen Piloten gegeben hätte? Ja, das war mein Firmpate, der Bruder meines Vaters. Dann meinte er, es wäre ihm noch ein anderer Fözö untergekommen. Ja, sagte ich, mein Bruder war drei Jahre vor mir – in der B-Kompanie.
Ich war in der A-Kompanie. Und ich bin da auf die „Butterseite“ gefallen: mit meinem „Schmäh“ und mit meinem großen Selbstvertrauen habe ich mich für den Dienst im Offizierskasino angemeldet. Auf die Frage, ob ich das überhaupt könnte, habe ich gesagt „Ja“ – obwohl ich keine Ahnung davon hatte. Es war ein kleines Kasino, das dann ausgebaut wurde. Mit einem riesigen Saal und Küche. Nach einiger Zeit war ich dann schon für den Einkauf verantwortlich, habe kleine Kränzchen organisiert. Da ist auch der General gekommen mit seiner „Dulcinea“. Dem Major hat das imponiert: „Du machts ja da aus dem Kasino ein richtiges Restaurant“. Es gab zwar eine Frau, die abgewaschen und zusammen geräumt hat, ich habe aber fürs Kasino einen Zweiten gebraucht. Da war einer bei der Artillerie, dem hat der Dienst ganz offensichtlich keinen Spaß gemacht. Ich habe ihm angeboten, ihn zu mir ins Kasino zu holen und habe mit dem Hauptmann darüber gesprochen. Der sagte: „Selbstverständlich. Du bist verantwortlich, Du machst das“.
Mein Neuer war akademischer Maler: Rente Rüdiger Herzog von Marquart. Wir haben uns gut verstanden. Dann haben wir überlegt – wir haben ja viel Zeit gehabt – was wir machen könnten, um ein wenig Geld zu verdienen. Er hat Wein-Etiketts gezeichnet. Dann haben wir jemanden gefunden, der uns diese hergestellt hat. Ich habe die Schrift gemacht. Gleich im Hof bei der Bezirkshauptmannschaft ist eine Quelle gewesen mit Thermalwasser. Das haben wir einfach in Liter- Flaschen abgefüllt und Korken organisiert. Die Literflaschen waren nicht so leicht aufzutreiben, weil es damals im Weinbau im Burgenland vor allem Doppelliterflaschen gegeben hat. Und die Flaschen haben wir verkauft, zum Beispiel an die Frauen der Offiziere.
Es ist aber nicht lange gut gegangen. Das Wasser hat nach drei Tagen zu stinken begonnen und unsere Käuferinnen haben sich heftig beschwert. Es war furchtbar - aber immerhin haben wir das Geld nicht zurückgeben müssen. Aber „das Geschäft“ war vorbei.
I
ch habe die Kaserne jederzeit verlassen können. In der ersten Zeit haben wir im Kasino nur serviert. Essen mussten wir aus der Küche hinauf holen. Um die Getränke mussten aber wir uns kümmern. Ich habe mich um den Einkauf gekümmert, auch neue Gläser habe ich besorgt. Dieses selbstständige Arbeiten hat mich sehr interessiert und das hat mir dann sehr geholfen, als ich nach dem Militär wieder ins Regina zurückgekommen bin.
Kellner im "Regina"
Es hat dort drei Kategorien von Kellnern gegeben: Kellner, Kellner mit Inkasso (das war zu dieser Zeit mein Bruder) und Oberkellner. Ich habe da einiges von meinem Bruder gelernt und auch begonnen, selbständig zu arbeiten. Zum Beispiel bei der Betreuung von kleinen Gruppen, etwa eine kleine Hochzeit oder eine andere Festivität. Im kleinen Saal, wo man etwa 20 Personen unterbringen konnte. Das habe ich dann zum Beispiel mit einem Lehrling im dritten Lehrjahr machen können – und ich war sein Vorgesetzter.
Unser Oberkellner war der Herr Fischer. Er hat den feinsten Platz gehabt – das Revier mit der Prominenz. Ich bin dann zu ihm als Mitarbeiter gekommen und da habe ich eigentlich erst richtig zu lernen begonnen. Als Kellner und Speisenträger. Man musste sich da mit einem riesigen Plateau aus der Küche zu den Gästen abschleppen und das gesamte Geschirr – mit Ausnahme der „kleinen Menüs“ – war Silber. Auch die Unterplatten. Ich habe dann beim Servieren geholfen und Herr Fischer hat mir viel aus der Praxis vermittelt „… wenn Du dann hier einmal als Ober arbeiten wirst“. Das Revier hat mir natürlich sehr „getaugt“ und ich habe auch gut verdient. Herr Fischer hat kassiert, aber ich habe von den Gästen separat Trinkgeld bekommen. Und er hat das Trinkgeld dann auch immer noch aufgeteilt und hat gemeint: „Ich mache die wenigste Arbeit und kassiere am meisten“.
Meine Zeit als Kellner hat sechs Jahre gedauert. Mit 25 wurde ich Oberkellner. In der Zwischenzeit war ich dann auch Kellner mit Inkasso. Wenn es Gesellschaften gegeben hat, wurde ich vom Platz vom Herrn Fischer abberufen und habe die Gesellschaften eigenständig betreut. Das hat auch immer mehr Selbstvertrauen gebracht, wie man mit den Leuten umgeht. Auch bei bekannten Gästen hatte ich kein ungutes Gefühl – sie waren Gäste wie jeder auch. Ich habe zum Beispiel drei Bundespräsidenten serviert. Und zum Schluss der letzte Bundespräsident, Herr Kirchschläger, hat sich auf der Alserstraße, als ich auf dem Heimweg war, plötzlich bei mir eingehengt. Wir sind dann eine Strecke gemeinsam gegangen – allein. Er hatte damals keine Bodyguards.
Was man nicht vergessen darf: wir hatte in der Nähe das alte Allgemeine Krankenhaus. Und die ganzen Vorstände vom AKH waren bei uns Mittagessen. Manchmal auch am Abend mit ihren Frauen – und am Wochenende sowieso. Sie haben ja alle in der Nähe gewohnt. Das war natürlich auch ein Vorteil, wenn man etwas gebraucht hat. Zum Beispiel ist mir beim Sport der Bauchmuskel gerissen. Und der Professor Trojan, der seine Ordination in der Liechtensteinstraße hatte, ist mit mir hinaus gegangen, hat sich das angesehen und mir dann gesagt, „machen sie sich einen Termin aus.“
Mit meinem Bruder habe ich zeitweise zusammengearbeitet, als er noch Kellner mit Inkasso war. Danach war er Oberkellner, allerdings auf einem anderen Platz und dort habe ich nicht bei ihm gearbeitet. Mein Bruder wurde dann Direktor – über alle drei Hotels.
Oberkellner
Die Entscheidung, mich zum Oberkellner zu machen, hat Herr Kremslehner getroffen. Er hatte öfter mit Herrn Oberkellner Fischer über mich gesprochen. Und Fischer hatte – wie ich später gehört habe – gemeint, er hätte gerne, dass ich seinen Platz als Oberkellner übernehme, wenn er in Pension geht. Und so ist es dann auch gewesen. 1967. Durchaus möglich, dass ich damals Wiens jüngster Oberkellner war – weil es ja fast nur alte Oberkellner gegeben hat. Jedenfalls hat in den Kremslehner-Hotels eine große Eifersucht geherrscht. Der Fözö, der den Beruf gar nicht gelernt hat, der sich hinaufarbeitet hat, wird Oberkellner am feinsten Platz – und das mit 25 Jahren! Es waren ja einige, die schon jahrelang im Haus waren und auf den Oberkellner-Posten gewartet hatten. Und ich habe sie überholt. Ich dürfte wohl auch heute nicht sagen “es tut mir leid“ – weil es mir damals ja auch nicht leidgetan hat.
Es war mein Leben, ich habe viel Geld „in die Mulde gesteckt“, ich war viel unterwegs. Dann habe ich mir einen Opel-Kapitän gekauft. Eine eigenartige Geschichte: ich wollte mir ja als junger Oberkellner einen Sportwagen kaufen, einen MG. War schon fast alles fixiert. Doch dann: wir haben bei uns im Bezirk ein feines Kaffeehaus gehabt - keine „Bumsen“. Dort war ein Direktor immer Frühstücken. Eines Tages ist er zu mir zum Tisch gekommen und sagte, er habe gehört, dass ich mir ein neues Auto kaufen möchte. Er würde mir gerne etwas zeigen. Er hatte ein schönes Haus mit Garten und einer Garage. Er öffnete die Garagentüre und für mich stand – damals – ein Ungetüm von einem Auto drinnen. Chrom, blank, metallise, Weißwandreifen. Ich wollte mir einen Sportwagen kaufen – und dann kommt der mit einem „Alt-Herren-Fahrzeug“. Das Auto hatte auch noch nicht viele Kilometer oben, er hat mir einen guten Preis gemacht und ich habe „zugeschlagen“. Dann sind die „wilden Zeiten“ gekommen, verschiedene Bekanntschaften …..
Dabei habe ich pro Woche 50 bis 55 Stunden gearbeitet - aber es hat Spaß gemacht. Ich bin oft um 10 Uhr ins Geschäft gekommen, habe meist ein Gabelfrühstück gegessen, ein Szegediner-Gulasch mit einem Laberl, ein Pfiff Bier. Dann habe ich geschaut, ob alles schön aufgedeckt ist und alles hergerichtet. Dann habe ich die Speisekarte studiert, mich mit dem Küchenchef abgesprochen, was besonders zu empfehlen ist und immer um halbzwölf habe ich dem Herrn Kremslehner und seiner Gattin serviert. In dem Büro, in dem er mich aufgenommen hatte. Er hatte dort ein „Katzentischerl“, auf dem gerade einmal Platz für zwei Teller war. Es war nichts Besonderes, er hat mit seiner Gattin das gegessen, was als „kleines Menü“ auf der Speisekarte war. Und dazu einen Kaffee.
Danach sind schon die Leute gekommen, ich habe die Gäste begrüßt und auf meine Kellner geschaut – und eine Frau als Servierkraft habe ich auch gehabt. An manchen Tagen bin ich anschließend in die Schwemme hinübergegangen und habe sie übernommen, auch zusammen mit einem Lehrbuben im dritten Lehrjahr. Und am Nachmittag hatte ich noch eine Kraft bei der Schank. Die Schwemme war auch eine meiner Lieblingsplätze. Sammy Molcho war dort, der Heller; dort habe ich bis 10 Uhr gearbeitet, da wurde dann die Schank geschlossen. Danach musste ich noch abrechnen.
An anderen Tagen habe ich am Nachmittag in der Schwemme gearbeitet, bin dann um 18.00 Uhr wieder hinübergegangen auf den „Einser-Platz“ und war dann dort oft bis Mitternacht. Von 10 Uhr bis 24 Uhr. Zwar ohne Pause, aber am Nachmittag hatte ich oft wenig zu tun. Da habe ich mich dann auf den „Zweier-Platz“ gesetzt und habe mir Sachen machen lassen, vom Feinsten! Der „Bua“ hat draußen serviert und mich halt geholt, wenn er mich gebraucht hat. Für die Leute, die auf den feinen Plätzen gearbeitet haben, hat es aber am Nachmittag eine Drei-Stunden-Erholungspause gegeben.
Prominente Gäste: Wallnöfer und Kreisky
Ich habe natürlich Leute gehabt, da habe ich gewusst, dass es da gut zu verdienen gibt. Ich habe zum Beispiel kein einziges Mal zu solchen Gästen gesagt „nicht bös sein, aber wir schließen“. Ich habe halt gewartet. Wenn zum Beispiel der Tiroler Landeshauptmann Wallnöfer angesagt war – er ist immer erst knapp vor Mitternacht gekommen – hat mir der zweite Küchenchef etwas vorbereitet. Der „Walli“ hat meist ein Naturschnitzel gegessen, interessanter Weise mit Spinat und mit Erdäpfeln. Das war dann schnell gemacht. Ich habe das Sakko ausgezogen und das rasch in einer großen Pfanne gemacht. Vom Wallnöfer hat es immer ein ganz herzliche Begrüßung gegeben, es hat ihm gefallen, dass ich auf ihn gewartet habe – es war Sympathie auf beiden Seiten. Er war sehr großzügig. Er ist auch immer mit (seinem Chauffeur zusammen beim Tisch gesessen. Und der „Walli“ hat gern getrunken – obwohl er schwer zuckerkrank war. Und es war nicht einmal, dass ich ihn zusammen mit seinem Chauffeur ins Zimmer hinaufschleppen musste. Er war ja nicht groß, aber „punkert“ – ein ordentliches Stückerl. Und wenn einer ein bisserl mehr getrunken hat, dann ist er auch ziemlich „schwer“. Ich habe damals viele Kartons „Herrnstein“ besorgen müssen, das war ein „Sauerampfer“, den hat er trinken dürfen. Eine Art Diabetikerwein – und der Chauffeur hat dann einige Kartons in den Kofferraum gepackt. In der Früh ist Wallnöfer dann öfter zu Fuß weggegangen. Auf meine Frage „Machen wir einen Spaziergang, Herr Landeshauptmann?“ sagte er einmal: „Ich gehe zu meinem Freund den Kreisky hinüber“. Damals hat es eben noch – parteiübergreifend – gute Freunde gegeben.
Damals hatte ich auch – ohne es zu ahnen – meinen künftigen Schwiegervater als Gast, wenn er nach einer Synodensitzung in der Garnisongasse zu uns gekommen ist. Und auch seinen Schwager Kurt Maix. Und ich wusste natürlich nicht, dass ich einmal in diese Familien einheiraten würde.
Die Brüder Doralt waren meine Gäste und ich hatte die Ehre, dass bei mir der Rudolf Schock gesessen ist. Als wir einmal um 10 Uhr aufgesperrt haben ist der Qualtinger schon draußen gestanden. Hat sich zum ersten Tisch gesetzt und bestellt „Bitte einen doppelten Fernet Branca“- Danach noch einen zweiten. Hat ausgetrunken und ist gegangen.
Eines Tages werde ich um sieben Uhr am Abend in die Schwemme gebeten. Ein bekannter Professor und ein Freund von Bundeskanzler Kreisky wollte mich sprechen. Ein sehr sparsamer Mensch. Er sagte zu mir: „Wolferl, der Kreisky kommt“ – als sein Gast. Ich sollte doch dem Bundeskanzler ein Gulasch empfehlen. Mein Kollege hat mich dann geholt, damit ich dem Kreisky serviere. Die Tür ging auf und herein kamen zwei „Apparate“, bei der anderen Tür ein weiterer – Kreiskys „Aufpasser“. Dann kam Kreisky, begrüßte mich und nahm mich kurz auf die Seite: „Hat der Professor ein Gulasch empfohlen?“ Nach meinem „Ja“ meine er noch: „Wie immer“. Ich habe dem Bundeskanzler ein sehr schönes Gulasch herrichten lassen. Beim Weggehen hat sich Kreisky dann noch zu mir umgedreht und gemeint: „Ich komme wieder – aber nicht auf ein Gulasch…“. Das Beste kam dann beim Zahlen: die drei Bodyguards sind am Nebentisch gesessen, jeder hat ein Krügel Bier getrunken und dazu jeder ein Körberl mit feinem Gebäck. Der Professor hat sich wie üblich die Rechnung genau angeschaut - das Gulasch hat damals glaube ich acht Schilling gekostet – und die Konsumation der Begleitung hat fast das Doppelte vom Gulasch gekostet. Der Professor ist „verfallen“. Daraufhin habe ich dem Professor gesagt, es müsste halt das nächste Mal vorher den Bundeskanzler anrufen und ihn bitten, ohne Bodyguards zu kommen.