D e r f r ü h n e u z e i t l i c h e
A m e r i k a– H a n d e l
Referat Oktober 2005
Im Vortrag sollen zunächst die geopolitischen Voraussetzungen für
den frühneuzeitlichen Amerikahandel im 16. Jahrhundert untersucht werden – in
politisch/militärischer Hinsicht, sowie in technologisch/wirtschaftlicher
Hinsicht.
Anschließend werden die portugiesisch/spanischen Eroberungen als Basis für
den Handelsaufbau, sowie die spanischen Maßnahmen zur Schaffung von
Marktmechanismen nach europäischen Vorstellungen in Amerika behandelt. Und
schließlich geht es um die Entwicklung des eigentlichen Handels bis zum Ende des
16. Jahrhunderts.
Hier soll vor allem auf die Frage des Handelsmonopols und der strikten
Kontrollmaßnahmen eingegangen werden. Weiters auf die Handelswege und
Schiffsrouten, die logistischen Probleme bei den Überfahrten (Überfälle, Wetter,
Krankheiten), den Umfang des Warenaustausches und die wichtigsten Güter. Die
großen Themenbereiche „atlantischer Sklavenhandel", „Karibik" und „Gold und
Silber" werden im Rahmen der Lehrveranstaltung in eigenen Referaten behandelt.
Zuletzt soll dargelegt werden, wie der Handel organisiert war, wer die
wichtigsten Partizipanten am Handel waren und wie gegen Ende des 16.
Jahrhunderts weitere europäische Mächte versuchten, in den Amerikahandel
einzugreifen.
Politisch/militärische Voraussetzungen
Die beiden führenden Seemächte Europas waren zum Ende des 15. Jahrhunderts
Portugal und Spanien. Einige dafür ausschlaggebende Faktoren waren neben der
günstigen geographischen Lage beider Länder und der damit verbundenen
seemännischen Tradition in Portugal vor allem die Tatsache, dass es sich
jahrzehntelang aus den europäischen Kriegen heraushalten konnte, in Spanien die
Vereinigung von Kastilien und Aragon ab 1474 und das Ende der reconquista mit
der Eroberung von Granada 1492. Beide Länder leiteten aus dem Kreuzzugsgedanken
und dem damit verbundenen Missionsauftrag das Recht auf ein Monopol für die
Schifffahrt und damit verbunden auch für den Handel ab.
Dementsprechend kam es 1479 im Vertrag von Alcacovas zur so genannten
„divisio mundi" in einen portugiesischen Ost- und einen spanischen Westteil,
wobei 1494 im Vertrag von Tordesillas die Grenze 370 Meilen westlich der
Kapverden gezogen wurde.
Von den anderen Mächten war England zu Ende des 15. Jahrhunderts „geschwächt
durch den Krieg der beiden Rosen und verfolgte eine kontinentale Strategie zum
Nachteil von Frankreich, das ebenfalls geschwächt aus dem Hundertjährigen Krieg
hervorging" (Lehners 2001: 183). Dazu kamen noch die Kriege von Heinrich VIII. gegen
Frankreich und Schottland. Deutschland und Italien waren keine einheitlichen
Territorialstaaten, die Niederlande traten als „Generalstaaten" erst 1581auf den Plan,
das Osmanische Reich war vorwiegend Kontinentalmacht.
In militärischer Hinsicht hatten sich zunächst Portugal, später auch Spanien
durch neue Schiffstypen Vorteile verschafft. Dabei wurde nicht nur die
Segeltüchtigkeit verbessert, sondern auch die Stabilität (damit wurde zum
Beispiel Kreuzen hart am Wind möglich). Die relativ kleinen aber wendigen
Karavellen wurden ab Mitte des 15. Jahrhunderts von den Portugiesen für die
Erschließung der afrikanischen Küste eingesetzt, ab dem 16. Jahrhundert kam die
Galeone als Kriegsschiff. Sie war dreimal so lang wie breit und damit schlanker
als die früheren Karacken und hatte niedrigere Aufbauten. Die Engländer begannen
erst in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, modernere Schiffe zu bauen - John
Hawkins wurde 1577 Schatzmeister der Flotte – und die „Revenge", das Flaggschiff
von Francis Drake gegen die spanische Armada war eine „Galeone von etwa 500
Tonnen, mit einer Länge von 92 Fuß und einer Breite von 32 Fuß und einer
schweren Bewaffnung von 40 Kanonen" (Hampden 1977: 16).
Die spanische Vorherrschaft auf den Weltmeeren ging mit der Niederlage der
spanischen Armada 1588 gegen die Niederlande und England verloren.
Technologisch/wirtschaftliche Voraussetzungen
Neben der Modernisierung im Schiffsbau waren für den Atlantikhandel auch
technologisch/wissenschaftliche Entwicklungen wesentlich: Kompass ab Mitte des
15. Jahrhunderts, Fortschritte in der Kartographie, astronomische Navigation -
die geographische Länge konnte allerdings erst im 17. Jahrhundert (Galilei,
Huygens) exakt bestimmt werden.
Der wirtschaftliche Impuls kam durch das Bestreben, an die Quellen der beiden
führenden Handelsgüter des ausgehenden 15. Jahrhunderts heranzukommen, ohne
künftig auf Zwischenhändler angewiesen zu sein, nämlich afrikanisches Gold und
Gewürze aus Indien. Begünstigt wurde dies vor allem durch das Interesse der
Genuesen, derartige Handelsunternehmungen in Kastilien zu finanzieren und das
Bestreben verarmter Adeliger, sich unter dem Deckmantel der Fortführung der
Reconquista, neue Lebensgrundlagen außerhalb der Heimat zu schaffen.
Daraus entwickelte sich in Spanisch-Amerika – im Gegensatz zu den
Portugiesen, die zunächst wie schon in Afrika nur Stützpunkte errichteten – das
Konzept einer Siedlungskolonisation (Gschwendtner, 2001: 204) unter der
Rechtsform der Eroberung, wie sie aus der Praxis der Reconquista in Spanien
gegen die Mauren entstanden war.
Der neue Wirtschaftsraum
Der neue Wirtschaftsraum in Spanisch-Amerika ist sowohl was Produktion, als
auch Konsumption betrifft, nicht einheitlich zu sehen. Mit Ausnahme der Karibik,
wo die autochthone Bevölkerung praktisch ausgerottet wurde, verfolgte die
Indianerpolitik der Spanier als Ziel „die Einordnung der unterworfenen
Bevölkerung in das neue, nach europäischen Vorstellungen ausgerichtete
Gesellschaftssystem. Dabei wurde ihr im wesentlichen die Funktion einer
bäuerlichen Unterschicht zugedacht, die die oberen Ränge der Hierarchie erhalten
sollte. So kannte man es aus Europa, wo die Masse der Menschen als Bauern lebte,
und so war es auch im Bereich der mesoamerikanischen und andinischen
Hochkulturen (Hausberger 2001: 261-262).
Im Gegensatz zu jenen Gebieten, in denen Plantagenwirtschaft etabliert wurde,
die vorwiegend mit indianischen Sklaven-Arbeitskräften (und nach deren Verbot
1542 durch Sklaven aus Afrika) betrieben wurde, standen die Eroberer im Gebiet
der Hochkulturen „geschlossenen und funktionierenden Wirtschaftssystemen mit
entwickeltem Handwerk und komplexen internen Markt- und Austauschstrukturen
gegenüber, die von einer intensiven, auf dörflicher oder dorfähnlicher Basis
organisierten und Überschüsse produzierenden Landwirtschaft getragen wurde"
(Hausberger 2001: 270).
Dieses System wurde beibehalten, die so genannten Substistenzbauern behielten
eine gewisse Selbständigkeit, mussten allerdings eine Art Kopfsteuer (tributo)
errichten, entweder in Naturalien oder dadurch, dass sie sich vorübergehend als
Lohnarbeiter verdingten (Hausberger 1996: 123). Damit konnte auf der
amerikanischen Seite des Atlantik – abgesehen vom Bedarf der europäischen
Einwanderer – erstmals eine Art „Nachfrage-Markt" etabliert werden: Indianer
wollten – und konnten – zum Beispiel Werkzeuge oder Textilien aus Europa
erwerben.
Wesentlicher Bestandteil der spanischen Kolonialwirtschaft blieb aber die
Möglichkeit, Indianer zur Zwangsarbeit zu verpflichten. Zunächst mit der so
genannten „encomienda", die einzelnen Konquistadoren Gebiete und deren Einwohner
überließ, später dann, nach zahlreichen Missbräuchen und Eingriffen der
spanischen Krone in Form des „repartimiento", wobei „ die Vollmacht, Indianer
aus den Dorfgemeinschaften zur Arbeit zu befehlen, nicht mehr wie bei der
encomienda dem interessierten Unternehmer selbst, sondern dem örtlichen
Distriktsbeamten vorbehalten" blieb. Und die 1573 eingeführte „mita" schließlich
führte zu einer Zwangsrekrutierung von jeweils einem Siebentel der
männlichen Bevölkerung in den andinischen Hochlandgemeinden rotierend in die
Silberminen von Potosi.
Der spanischen Krone ist es in relativ kurzer Zeit gelungen, mit dem Aufbau
einer bürokratischen Verwaltung feudale Entwicklungen in Spanisch-Amerika gering
zu halten (so Karl V. mit den „Leyes Nueves" 1542). Dennoch hat sich natürlich
nicht zuletzt auf Grund der großen Distanz zum Mutterland eine florierende
Schattenwirtschaft gebildet, in Form von Betrug, Bestechung, Korruption und
Diebstahl. Die Krone konnte sich jedoch selbst auch Gewinne sichern in Form
verschiedener Steuern: „tributo" – die indianische Kopfsteuer, „diezmo" der
Zehent auf die landwirtschaftliche Produktion, „diezmo minero" – die
Bergbausteuer, die "alcabala" – eine Art Handelsumsatzsteuer und der
„almojarifazgo" – Import- und Exportzölle aller zwischen Spanien und Amerika
verkehrenden Schiffe (Hausberger 2001: 274).
Im portugiesischen Teil erfolgte die Rechts- Verwaltungs- und
Wirtschaftsorganisation zunächst über so genannte „donatorios" mit Grund und
Boden, sowie uneingeschränkter Verfügungsgewalt. Diese feudalistische Struktur
wurde 1549 mit der Ernennung eines Generalgouverneurs und der Errichtung einer
festen Ordnung mit königlicher Kolonialbürokratie zu Gunsten einer „europäischen
Verwaltung" (mit Zollämtern, Finanzbeamten und Richtern) geändert.
Auch wenn es einige wenige Einheimische im Lauf des 16. Jahrhunderts sogar zu
bescheidenem Wohlstand gebracht haben, ist im Handel zwischen Europa und Amerika
ein Umstand bezeichnend, der sich signifikant vom Afrika- und Asienhandel
abhebt: dort wurde von den Europäern Handel mit der einheimischen Bevölkerung
betrieben, am Amerika-Handel waren auf beiden Seiten des Atlantik nur Europäer
beteiligt. In Asien waren die europäischen Kaufleute nur Mittelsmänner, die
keine Kontrolle über die lokalen Wirtschaftsabläufe besaßen, in Amerika hingegen
wurden die Erzeugnisse für den Atlantikhandel (später auch Asien-Handel)
innerhalb des kolonialen Wirtschaftssystems meist im Auftrag und unter der
Aufsicht europäischer Kolonisten oder ihrer Nachfahren hergestellt. Diesen
spanischen Vorbild folgten übrigens auch die übrigen europäischen Mächte in
Amerika. (Pieper 1996: 141).
Der Amerikahandel im 16. Jahrhundert
Das „Monopol"
Den Amerikahandel des 16. Jahrhunderts könnte man drei Phasen einteilen: Eine
„Goldphase" von 1503 bis 1540, eine Periode des Edelmetall-Gleichgewichts von
1540 bis etwa 1560 und schließlich die Silberperiode bis cirka 1630 (Vicens
Vives 1987: 360).
Man könnte auch eine Trennlinie im Jahr 1526 einziehen: ab diesem Jahr
durften die Schiffe nur noch im Konvoi den Atlantik überqueren.
Grundsätzlich für den spanischen Amerikahandel war jedoch die Schaffung der
so genannten „Casa de Contratacion" 1503 in Sevilla. Eine Behörde, die den
Handel und die Schifffahrt nach und von Amerika regelte und überwachte. Damit
griff die spanische Krone zwar durch strikte Reglementierungen in den Handel
ein, beteiligte sich aber – im Gegensatz zu Portugal – nicht direkt daran. Die
Krone verdiente an Zöllen, Steuern und Abgaben. (Phillips 1990: 76-77). Alle
Schiffe wurden registriert, für Personen war eine königliche Bewilligung
notwendig (zum Beispiel durften Verurteilte oder auch Juden nicht nach Amerika
reisen). Kapitäne mussten Eignungsprüfungen ablegen, von Lissabon aus war ab
1508 ein eigener Lotse vorgeschrieben (einer der ersten war übrigens Amerigo
Vespucci).
Der entscheidende Punkt war jedoch, dass Ausländer legal vom (direkten)
Handel mit Amerika ausgeschlossen waren. Allerdings hat König Ferdinand ab 1505
den "Genuesen und anderen Ausländern erlaubt, mit ihren Kapitalien am
Amerikahandel teilzunehmen, sofern sie nicht selbst die Hauptteilhaber der zu
diesem Zweck gegründeten Handelsgesellschaften seien und kastilische Faktoren
ihre Interessen in Übersee verträten" (Otte 2004: 274). Damit gab es zwar de
jure ein spanisches Handelsmonopol, de facto haben aber von Anfang an Kaufleute
aus Genua, Siena, Florenz, aber auch Holländer und Engländer über Sevilla am
Amerikahandel teilgenommen. Die Portugiesen konzentrierten sich natürlich vor
allem auf Lissabon als Ausgangshafen.
Die Organisation
Organisiert wurde der Handel vornehmlich in „Companias". Das waren meist
Assoziationen von Verwandten mit unbegrenzter Dauer und auf der Basis halb
-halb. Es gab kaum schriftliche Verträge, sondern nur mündliche Vereinbarungen.
Normale Handelsgesellschaften wurden meist in Form von Privatverträgen auf zwei
bis fünf Jahre abgeschlossen. Wichtig war, dass einer der Partner zumindest für
die Dauer des Verkaufs nach Amerika ging. Viele der Warenverkäufe im neuen
Wirtschaftsgebiet Amerika erfolgten auf Kredit, beim Geschäftserfolg musste sich
der Partner in Sevilla wohl oder übel auf die Zuverlässigkeit seines Partners in
Übersee verlassen.
Die „Compania" war ihrem Wesen nach vor allem für den Warenhandel vorgesehen,
wobei oft schon in Sevilla Kaufverträge mit den amerikanischen Produzenten
geschlossen wurden. Über die Kreditgeschäfte haben die Kaufleute aber auch –
gewollt oder ungewollt – in den amerikanischen Produktionsprozess eingegriffen,
etwa wenn amerikanische Produzenten die Kredite nicht zurückzahlen konnten und
die Händler die Produktionsanlagen übernommen haben. Ein Beispiel: „1530 haben
die Welser in Santo Domingo infolge der Verschuldung des Besitzers die Hälfte
einer der größten Zuckermühlen von La Espanola diese gegen Übernahme seiner
Schulden käuflich erworben" (Otte 2004: 284).
Zugleich mit der Ausweitung des Amerikahandels wurde in Sevilla das in den
Grundzügen von den Italienern übernommene Versicherungssystem ausgebaut. So
konnte man sich 1561 in Sevilla gegen Unfälle, aber auch gegen Invalidität und
sogar gegen Verwaisung versichern. Außerdem wurden bereits seit 1518 von der
„Casa des Contratacion" unter dem Titel „averia" (Haverie) Abgaben zur
Finanzierung der Schutzbegleitschiffe für die Handelskonvois eingehoben. (Vicens
Vives 1987: 367)
Transportvolumen
Wie groß das Transportvolumen in den ersten Jahren des Atlantikhandels war,
steht nicht genau fest. In den 1520-er Jahren waren es jedenfalls fast 100
Schiffe, die jährlich zwischen Spanien und Amerika fuhren. Ihr
Gesamt-Transportvolumen betrug rund 9000 Tonnen (je 1.42 Kubikmeter). Im späten
16. Jahrhundert stieg die Zahl der Schiffe im Amerikahandel auf 150 bis 200 pro
Jahr mit total 30-40.000 Tonnen (im Schnitt also etwa 200 Tonnen pro Schiff).
Die Zahl der Schiffe hat sich also verdoppelt, die Durchschnittsgröße war
ebenfalls verdoppelt, und somit ergab sich eine Vervierfachung der
Transportkapazität. (Phillips 1990: 78). Die größten um 1600 verfügbaren
Galeonen hatten übrigens eine Kapazität von bis zu 2000 Tonnen.
Konvois
Zunehmende Überfälle auf Handelsschiffe haben die Spanier zur Absicherung
ihres Monopols seit 1512 zu verstärkten militärischen Maßnahmen im Atlantik
veranlasst: zunächst kreuzten bewaffnete Schiffe vor den Kanaren, ab 1521 gab es
Patrouillen zwischen Azoren, Kanaren und dem spanischen Festland und ab 1524
wurden die Handelsschiffe von bewaffneten Galeonen begleitet. Ab 1526 durften
Schiffe nur noch im Konvoi über den Atlantik.
Zwischen 1543 und 1564 segelte jährlich ein Flottenverband nach Dominica. Von
dort fuhr ein Teil nach Nombre de Dios an der Küste von Panama. Über die
Landbrücke wurde die Waren – meist auf Maultieren - an die Pazifikküste
transportiert und von dort weiter wieder auf dem Seeweg nach Peru. In Panama kam
es immer wieder zu größeren Verzögerungen, weil die Ankunft der Schiffe mit
Waren aus Europa und jener mit Produkten aus Peru in den meisten Fällen nicht
zeitgleich erfolgte. (Pieper 1996: 144).
Die zweite Hälfte der Flotte fuhr von Dominica nordwestlich nach Vera Cruz
und stellte damit die Verbindung zu Mexiko her.
Nach einer Blockade der andalusischen Häfen durch die französische Flotte kam
der Atlantikverkehr in den Jahren 1553/54 zwischenzeitlich zum Erliegen. Auf
Anordnung von Philipp II. gab es dann ab 1564 zwei Flottenverbände zwischen
Spanien und Amerika: die so genannte „flota" fuhr im April nach Santo
Domingo, der zweite Konvoi, die „Galeones de Terra Firme" hatte Panama zum
Ziel. Der Zielhafen wurde nach Puerto Belo verlegt. Beide Verbände wurden von
Kriegsschiffen eskortiert, überwinterten in Amerika, versuchten dann, bis April
in Havanna einzutreffen um von dort gemeinsam nach Europa zurückzukehren.
(Pieper 1996: 144).
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass auch über den Pazifischen Ozean eine
reguläre Verbindung eingerichtet wurde: Nach der Gründung von Manila 1571 fuhren
zwei Schiffe pro Jahr zwischen dem mexikanischen Hafen Acapulco und den
Philippinen, eines in jeder Richtung. (Vicens Vives 1987: 364).
Logistik
Eines der größten Probleme im damaligen Handel waren die Distanzen. Nicht so
sehr in räumlicher, aber in zeitlicher Hinsicht. Für eine Überfahrt nach
Trinidad musste man etwa 32 Tage einrechnen. Nach Portobello dauerte es dann
noch einmal so lang, und die Reisezeit von Spanien ins mexikanische Vera Cruz
betrug rund 75 Tage. Die Rückreise nach Europa auf der Nordroute dauerte
allerdings noch länger. Hatten die Schiffe von ihren Umschlaghäfen endlich
Havanna erreicht, mussten sie noch einmal rund 65 Tage für die Fahrt nach
Spanien einrechnen. Die südliche Passatroute mit ihren günstigen Winden führte
also dazu, dass Fahrten nach Amerika rascher erfolgten als Fahrten nach Europa –
oder – im Gefühl der damaligen Menschen war Amerika näher bei Spanien als
Spanien bei Amerika (MacLeod 1986: 354).
Und das alles nur, wenn es keine Überfälle gab, keine Flauten, vor allem aber
keine Stürme und keine Krankheiten an Bord. So schildert etwa John Hawkins von
seiner dritten Reise, dass sie hofften, den Stürmen entrinnen zu können, die von
den Spaniern nicht umsonst „furicanos" genannt wurden: „Als wir jedoch am
westlichen Teil Kubas vorbei auf die Küste von Florida zusegelten, gerieten wir
am 12. Tage des August in einen entsetzlichen Sturm, der vier Tage lang heftig
wütete". Die höheren Aufbauten mussten gekappt werden, das Ruder war ernsthaft
beschädigt und das Schiff hatte gewaltige Lecks. Als dann noch „ein neuer Sturm
über uns hereinbrach, der weitere drei Tage tobe" waren sie gezwungen, einen
mexikanischen Hafen anzulaufen (Hampden, 1977: 35,36).
Die Versorgung der Mannschaften war gegen Ende des 16. Jahrhunderts – wie
Proviantlisten zeigen – theoretisch gut. 35oo Kalorien pro Tag waren vorgesehen.
In der Praxis gab es Zwieback, Roggenmehl, meist stinkendes Bier, Wein (weil
Wasser in den Fässern bald faulig wurde), Fleisch, Fisch, Käse, Salz...und
Lebensmittelvergiftungen, Ruhr, Typhus, Fieber, sowie die Pest des Meeres:
Skorbut.
Die folgenden Zahlen sprechen für sich: 1520 fuhren 71 Schiffe nach Amerika
und 32 kehrten zurück. 1550 waren es 133 Schiffe in Richtung Westen und 82, die
nach Spanien zurückkehrten (Pieper 1996: 152).
Die Warenströme
Die Eckpunkte des frühen Amerikahandels in Schlagworten dargestellt lauten:
Sklaven nach Amerika, Gold, Silber und Zucker nach Europa.
Daneben entwickelte sich im 16. Jahrhundert in Amerika ein Nachfragemarkt
zunächst nach europäischen Luxusartikeln, dann aber auch nach anderen Gebrauchs-
und Verbrauchsprodukten.
Zunächst Textilien der Spitzenklasse – Samt-, Seiden-, Brokat- und
Damaststoffe, Tücher, Leinen.
Große Nachfrage entstand nach europäischen Metallerzeugnissen: etwa Messer,
Scheren, Feilen. Weiters mechanische Geräte und Uhren
Bücher, Papier und Schreibgeräte. Glas- und Tonerzeugnisse, Möbel.
Schließlich Bekleidung wie Schuhe, Handschuhe und Hüte.
Der Anteil der Nahrungsmittel, die aus Europa exportiert wurden, wird häufig
unterschätzt. Den Anfang machten eher Luxusgüter wie Wein, Branntwein, Öl,
kandierte Früchte, sowie aus dem Levantehandel Arzneimittel und Gewürze. An
diesen letzten beiden Warengruppen zeigt sich, dass die exportierten Waren
keineswegs alle aus Spanien stammten, sondern aus Italien, Deutschland,
Frankreich und Nordeuropa über Sevilla umgeschlagen wurden. (Pieper 1996: 150).
In Portugal gab es mit der steigenden Nachfrage auch Produktionssteigerungen
bei traditionellen Exportgütern, wie etwa Salz, Fisch, Wein und Öl. (Phillips
1990: 73).
Verlässliche Daten über die quantitative Entwicklung im europäischen Export
nach Amerika liegen für das 16. Jahrhundert kaum vor, die Exporte werden aber
vermutlich proportional zu den amerikanischen Exporten verlaufen sein, weil die
europäischen Wareneinfuhren mit den Erlösen aus den amerikanischen Edelmetallen
bezahlt wurden. In diesem Zusammenhang zeigt sich übrigens, dass es gegen Ende
des 16. Jahrhunderts zwei Gegenpole zum Monopol von Sevilla in Amerika gegeben
hat: Mexiko und Lima, wobei vor allem die Monopolstellung Limas verwundert, weil
Spanien im Süden des amerikanischen Kontinents mit Buenos Aires über einen
exzellenten Hafen verfügte. (Vicens Vives 1987: 363).
Die goldenen fünfzig Jahre
In den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts dominierte Gold die
amerikanischen Exporte nach Spanien. Das erste Gold kam aus Santo Domingo, dann
wurden mit der Ausweitung des eroberten Territoriums nach und nach
Goldwaschunternehmungen gestartet, die an den einzelnen Flüssen jeweils immer
rund 10 Jahre andauerten. Ab 1510 in Puerto Rico, Panama und auf Kuba. In den
1520-er Jahren, als dort die Produktion zurückging, wurde die Goldsuche auf
Mexiko und Zentralamerika ausgeweitet, und schließlich ab 1540 kam Gold aus
Peru. Die Spitze der Goldproduktion im spanischen Teil Amerikas wurde knapp vor
1550 erreicht. (MacLeod 1986: 358).
Peirre Chaunu schätzt, dass in der ersten Periode bis 1525 zwischen 23.000
und 27.000 Kilo Gold nach Spanien exportiert wurden. (Phillips 1990: 83).
Die spanische Krone ist im ersten Jahrzehnt nach Kolumbus mit den
Goldlieferung überaus konfiskatorisch umgegangen. In dieser Zeit gingen rund 2/3
des ankommenden Goldes an die Krone. 1504 wurde nicht zuletzt aus Gründen der
Stimulation der Goldproduktion der „quinto real" eingeführt: die königliche
Steuer auf Gold betrug ein Fünftel. (MacLeod 1986: 359)
Am Höhepunkt der Goldförderung um 1550 wurden pro Jahr etwa 4,200 Kilo
Goldexporte nach Spanien registriert, danach ging die Goldproduktion rapide
zurück auf weniger als 1000 Kilo am Ende des Jahrhunderts
Insgesamt werden die amerikanischen Goldlieferung nach Spanien bis 1660 auf
164.000 Kilo geschätzt (Phillips 1990: 83)
Der Rückgang der Goldlieferungen in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts wird
vom Silberboom begleitet. Bis dahin hat das Gold zum rasanten
Wirtschaftsaufschwung in Europa beigetragen, zweifellos aber auch zu den hohen
Preissteigerungen, nicht zuletzt in Spanien.
Bei den amerikanischen Exporten nach Europa lagen im 16. Jahrhundert nach
Silber und Gold die Farbstoffe Koschenille und Indigo an zweiter Stelle. Von
großer Bedeutung war auch schon Brasilholz. Tabak, Kakao und Kaffe kamen erst
später hinzu.
Es wurden allerdings zahlreiche Produkte nach Europa transportiert – wenn
auch ohne große wert- oder mengenmäßige Bedeutung: etwa Perlen und Smaragde,
Farbhölzer, Vanille, Chinin. Wichtiger dagegen landwirtschaftliche Produkte vor
allem aus der Viehzucht, etwa Wolle, Felle, Horn, Talg. (Pieper 1996: 151).
Konkrete Ziffern zum Export von Häuten sind ab Mitte des 16. Jahrhunderts
verfügbar: so wurden 1560 rund 27.000 Häute pro Jahr nach Europa exportiert,
1570 hat sich die Anzahl auf 83.000 mehr als verdreifacht und bis 1580 gab es
nochmals eine Steigerung auf über 134.000 Häute pro Jahr (Phillips 1990: 79).
Das gesamte Handelsvolumen mit Amerika ist schwer zu quantifizieren. Grobe
Schätzungen auf Grund der „averia"-Abgabe für die bewaffneten Eskorten und des
„almojarifazgo" – der Steuer für Ausfuhren aus Sevilla - sprechen von einem
totalen Handelsvolumen von 450 Millionen Maravedis pro Jahr Anfang der 1560-er
Jahre und einer Steigerung auf rund 850 Millionen zu Beginn der 1590-er Jahre.
(Phillips 1990: 82)
Schmuggel
Der Anteil des Schmuggelhandels dürfte im 16. Jahrhundert zumindest 10
Prozent des Gesamtvolumens gewesen sein, möglicherweise aber auch deutlich
höher. Die hohen Kosten für Bestechungen, und das größere Risiko eines Verlustes
etwa durch Konfiskation scheinen dazu beigetragen zu haben, dass der größte Teil
des Handels im Rahmen des staatlich kontrollierten Monopols erfolgte. In Summe
dürfte der Gewinn beim Schmuggel nicht viel höher ausgefallen sein als beim
regulären Handel. (Pieper 1996: 149).
Der Kampf gegen das Monopol
Die übrigen europäischen Mächte sind bis zum Ende des 16. Jahrhunderts mit
Ausnahme der Kaperfahrten und kriegerischen Auseinandersetzungen kaum in einen
legalen, eigenständigen Amerikahandel eingetreten. Nach der Bildung der
Generalstaaten 1581 hat sich Amsterdam neben London zum neuen Handelszentrum
entwickelt. Zuvor war Antwerpen der zentrale Verteiler für koloniale Produkte
aus dem iberischen Raum für Nordwesteuropa. Seit 1599 holten sich die Holländer
jedenfalls Salz aus dem heutigen Venezuela für die Konservierung von Fisch und
Fleisch (Hausberger 2005: 34)
Um 1600 verfügten die Generalstaaten über die größte Handelsflotte Europas
und durch die gute Konjunktur war viel Kapital für die Finanzierung neuer
Vorhaben verfügbar (Valentinitsch 2001: 56)
Die Franzosen begannen um 1540 in Kanada einen bescheidenen Pelzhandel und
betrieben Fischfang vor Neufundland. Nach der ausdrücklichen Anerkennung des
Vertrages von Tordesillas 1544 traten sie erst nach 1598 - dem Ende des
spanischen Krieges - wieder stärker in Aktion.
Und in England beteiligten sich Kaufleute, Kapitäne, Adelige, Mitglieder des
Hofes und auch die Königin selbst an den zur Finanzierung wichtiger
Unternehmungen - seinen sie nun offiziell oder inoffiziell - ad hoc gegründeten
Aktiengesellschaften. Die Königin verlieh Schiffe der Kriegsmarine, um sich an
Kaperfahrten zu beteiligen, und wie alle anderen Unternehmer erwartete sie auch
Gewinn (Hampden 1977: 14).
Dies aber führt direkt zu Hawkins und Drake.....
(Das Referat wurde am 16. 10. 2005 als Einleitung der Lehrveranstaltung „Die
Soziologie der karibischen Piraten" bei Univ. Prof. Bernd Hausberger in der Universität
Wien gehalten).
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