Lebenserinnerungen
….. damit es nicht vergessen wird
Lacy Milkovics geb. 24. Mai 1941
Kriegszeit im Burgenland
Ich bin im Südburgenland in Markt Neuhodis bei Rechnitz geboren und habe meine ersten Lebensjahre im Burgenland verbracht, bis zur zweiten Klasse Volksschule. Ich war das Neunte von insgesamt zehn Kindern – sechs Brüder und vier Schwestern. Nach dem zehnten Kind, meiner jüngsten Schwester, war vom Nazi-Regime für meine Mutter bereits das „Goldene Mutterkreuz“ vorgesehen. Nach meiner Geburt hatte sie das „Silberne Mutterkreuz“ erhalten – das habe ich jetzt noch zu Haus in der Lade liegen. Meine beiden ältesten Brüder waren schon im Krieg und hatten das Glück zu überleben. Ich erinnere mich noch, wie sie verlaust und verdreckt von der Front zurückgekommen sind und Mutter versucht hatte, in einem Holzbottich warmes Wasser zu machen und sie zu reinigen.
Mein Vater war Gutsangestellter und zu Hause im Burgenland haben wir hauptsächlich Ungarisch gesprochen. Allerdings hatte mein Vater Kroatisch als Muttersprache. Bei seiner Geburt war Neuhodis noch Teil von Ungarn, aber der Ort war vor allem von Kroaten bewohnt. Und wenn die Eltern nicht wollten, dass wir Kinder sie verstehen, haben sie miteinander Kroatisch gesprochen. In der Schule wurde der Unterricht aber – leider – nur auf Deutsch abgehalten. Dazu noch eine kleine Anmerkung: ich bin wohl einer der wenigen, der in eine „Judenschule“ gegangen ist. 1947 gab es zwar keine Juden mehr im Burgenland, aber die Schule hat noch so geheißen.
Carnuntum als „Sprungbrett“ nach Wien
Wir sind dann übersiedelt, weil mein Vater eine Anstellung auf einem Gutshof in Petronell / Carnuntum bekommen hat – beim Grafen Abensberg-Traun.
Ich war dann bis zur siebenten Klasse Volksschule in Petronell und danach im Internat in der Neulandschule im 10. Bezirk in Wien. Ich habe dort die vierte Klasse Hauptschule absolviert und habe dann eine Lehre begonnen als Fotograf bei Foto Winkler in der Singerstraße in der Wiener Innenstadt und die zweieinhalb-jährige Fachschule für Fotografie besucht.
Ich war zwei Jahre lang im Internat. Die Neulandschule galt nach dem Krieg als die modernste pädagogische katholische Bildungseinrichtung Österreichs. Die ganze Schule hat damals zweimal jährlich den Standort gewechselt. Im Winterhalbjahr waren wir in Wien und im Sommerhalbjahr in Bad Ischl in ehemaligen Hotels aus der Monarchie. In der Internatszeit hatte ich dann nur noch wenig Kontakt mit meinen Eltern und Geschwistern – manchmal in den Ferien, aber auch diese Zeit habe ich meist schon in Wien verbracht. Die Wiener Familie Hammer hat begonnen, sich um mich zu kümmern – mit Einverständnis meines Vaters. Die Hammers hatten eine Tochter, die Baroness Ingrid, mit der ich mich sehr gut verstanden habe - aber keinen Sohn. Ich wurde so zusagen schon während meiner Internatszeit zum Ziehsohn und habe später auch bei der Familie Hammer in Wien gewohnt.
Meine Bekanntschaft mit dem Baron Hammer ist eine ziemlich lustige Geschichte und eigentlich auf einen Zufall zurückzuführen. Wir haben etwa 400 Meter von den Ausgrabungen von Carnuntum entfernt gewohnt. Ich bin oft nach der Schule dort herumgeklettert und auf den Mauern gesessen. Baron Hammer hatte eine Filmfirma, die sowohl Kultur- als auch Spielfilme produzierte. Er war einmal zusammen mit seinem Cousin zur Vorbereitung eines Projekts in Carnuntum. Nachdem ich dort herumgekraxelt bin, haben mich die beiden gefragt, ob ich überhaupt wüsste, um was es hier eigentlich ginge. Meine Antwort: hier sind die Reste der östlichsten römischen Grenz-Stadt Carnuntum. Dass ich dazu jede Menge Details erzählen konnte, hat dem Baron Hammer – der ja Archäologie studiert hatte – besonders gut gefallen. Er war erstaunt, wie gut ich in meinem Alter über die römische Geschichte informiert war. Das Wissen hatte ich nicht aus der Schule. Ich bin einfach sehr oft bei Führungen mitgegangen, habe mir dabei viel gemerkt und auch Notizen gemacht. Ich konnte bald den Inhalt einer Führung auswendig. Und ich habe dann auch – versehen mit einer blauen Schleife - Führungen selbst durchgeführt und an manchen Wochenenden bis zu 100 Schilling - unglaublich viel für damalige Verhältnisse – als Taschengeld verdient.
Nach meiner „Führung durch die römische Geschichte“ kam der Baron zu mir nach Hause und hat meinen Eltern – sehr zu ihrer Überraschung – vorgeschlagen, mir eine „bessere Bildung“ angedeihen zu lassen. So hat im Alter von 13 Jahren mein Weg von einem einfachen Haus in Petronell über das Internat bis in eine elegante Villa in Wien – Hietzing begonnen.
Im Umfeld der Hammers gab es Frau Dr. Maria Dissmann, eine Art Wahltante. Auch sie habe ich durch Carnuntum geführt – übrigens zusammen mit der Schauspielerin Hannerl Matz und der späteren Opernball – „Chefin“ Lotte Tobisch (bei einer anderen Führung war auch der Industrielle Mayer Gunthof „mein Gast“). Die drei Damen haben danach eine Art Konsortium gegründet und mir damit das Schulgeld für die Neulandschule finanziert.
Frau Dissmann wollte, dass ich nach dem Ende der Schulpflicht in eine höhere Schule aufgenommen würde. Meine Entscheidung ist allerdings anders gefallen. Foto Winkler war „die Adresse“ in der Wiener Innenstadt mit vielen Aristokraten als Stammkunden. Und ich habe dort neben der Fachschule jenen Beruf erlernt, den ich ja später – als Pressefotograf – ausgeübt habe.
Neben der Ausbildung habe ich begonnen, bei einigen der Hammer – Kulturfilme, z.B. über den Deutschen Ritterorden, mitzuarbeiten. Etwa als Kameraassistent, der das Stativ tragen durfte. Ich habe dabei aber viel gelernt – und auch viel gelesen (etwa „Götter, Gräber und Gelehrte“ statt Karl May, auch wenn ich einiges davon noch nicht verstanden hatte).
Erstes Zusammentreffen mit Otto
Mein erstes Treffen mit Otto von Habsburg war knapp nach dem Abschluss des Staatsvertrages im Mai oder Juni 1955 - ich war gerade 14 Jahre alt. Das kam so: ich durfte zweimal im Jahr an einem gesellschaftlichen Essen beim Baron Hammer teilnehmen – gemeinsam mit meiner Ziehschwester Ingrid. Dabei war auch eine Abgeordnete zum österreichischen Bundesrat, Prof. Dr. Nora Hiltl, eine sehr bekannte ÖVP-Politikerin. Und als sie bei dem Essen „vom Kaiser“ gesprochen hat, habe ich mir erlaubt einzuwerfen, dass „der Kaiser“ längst tot wäre. Ihr Einwand, dass „der Kaiser auch einen Nachkommen“ habe, hat mich zu interessieren begonnen. Und eines Tages – da hatte ich zuvor noch eine heftige Diskussion mit ihr, ich denke, ich war ziemlich frech - habe ich von Hiltl die Einladung bekommen, mit ihr nach Pöcking in Bayern zu einem Treffen mit Otto mitzufahren. Das Ereignis war ziemlich folkloristisch aufgezogen, es waren zahlreiche Autobusse aus ganz Österreich gekommen. Da habe ich Otto zum ersten Mal gesehen: ich war überrascht (ich hatte mir einen alten Mann vorgestellt), es war ein strahlender, sympathischer, fröhlicher Otto von Habsburg. Ich war von ihm ziemlich beeindruckt und am allermeisten beeindruckt hatte mich, als er sich auch bei mir für den Besuch bedankt hatte: „Danke vielmals“. Die Folge des Besuches war, dass mich Nora Hiltl zur monarchistischen Jugend gebracht hat. Damit war 1955 das entscheidende Jahr in meinem ganzen Leben. Ich bin dann nur mehr zu den Führungen nach Carnuntum gefahren und war sonst die ganze Zeit in Wien. Ich war jedenfalls 14 Jahre alt und bereits vom „Habsburg-Virus“ angesteckt.
Ich habe ein eigenes Zimmer im Nebenhaus der Villa Hammer bekommen (bei den Hammers hatte noch eine alte pensionierte Professorin gewohnt und man musste warten, bis sie auszieht). Später ist meine Zimmerwirtin Hilde Brandstätter in eine Wohnung in der Pfeilgasse übersiedelt, weil sie für den Kauf der Nachbarvilla nicht genug Geld hatte. Und immer, wenn ich in späteren Jahren „Krach“ mit den Hammers hatte, habe ich dann für einige Zeit dort in der Stadt gewohnt.
Mit der monarchistischen Jugend bin ich später zum zweiten Mal nach Pöcking gefahren. Das war dann schon ein kleiner Kreis. Ich war von diesem Besuch so begeistert, dass ich mir in den Kopf gesetzt habe, alles zu tun, damit Otto von Habsburg nach Österreich zurückkommen kann. In diesem Zusammenhang war auch die Ansicht meines Vaters interessant, der ja ein ungarischer Sozialdemokrat war. Er hatte alles erlebt: erst das Königreich, dann die „Schwarzen“ und danach die Nazis, sowie schließlich die Republik. Er meinte: „die Anständigsten von allen waren die Habsburger“. Für mich war das eine Beruhigung, denn ich hatte ja Angst, ihm davon zu erzählen, dass ich politisch „umgedreht“ worden bin. Ich war in einer ziemlich verwirrenden Situation. Auf der einen Seite gab es die Hammers, die mich in ihre Kreise eingeführt haben und auf der anderen Seite meine einfachen Eltern. Ich war deshalb recht froh, dass ich mit der Schule auf ein halbes Jahr nach Ischl gefahren bin und damit etwas Abstand gewonnen habe.
Der Weg zum Fotoreporter
Zu meiner Ausbildung: ich war in dieser Zeit einen Tag pro Woche in der Berufsschule. Zunächst in der Westbahnstraße, in der Graphischen Lehranstalt. Später sind die Fotografen ins neue Haus in der Märzstraße übersiedelt, da war ich aber nicht mehr dabei. Ich war schon so weit ausgebildet, mit knapp Achtzehn, dass ich selbst Filme entwickeln und Bilder herstellen konnte. Das hat mir große Freude gemacht. Bei Foto Winkler war ich nicht die gesamte Ausbildungszeit, sondern nur zweieinhalb Jahre. Die Gesellenprüfung habe ich nicht gemacht. Es war so, dass die Hammers ja die gut gehende – katholische – „Elite“ - Filmproduktion hatten.
Sie haben gemerkt, dass mir nicht nur das Fotografieren großen Spaß macht, sondern dass mich auch das Filmen interessiert. So habe ich eben dann auch einige Zeit als Kameraassistent gearbeitet. Danach kam noch ein halbes Jahr als Angestellter bei einer Fotofirma in der Pfeilgasse mit praktischer Erfahrung bei der Fotoausarbeitung.
Schließlich Rückkehr zur Elite-Film: damit ist schon die Zeit gekommen, in der ich begonnen habe, für Otto von Habsburg zu arbeiten. Das kam natürlich nicht von ungefähr, das hat der Baron Hammer „geregelt“. Es war zunächst auch kein Vollzeit-Job: ich habe im Jahr bei etwa drei Filmproduktionen mitgearbeitet - jeweils einige Wochen oder Monate und war „offiziell“ bei einer Firma als Laborant angestellt. Damit hatte ich dazwischen Zeit für erste Habsburg-Aktivitäten. Ich bin regelmäßig in Österreich herumgefahren und habe mich für die Heimkehr der Habsburger eingesetzt. Ich war als Referent fast an jedem Wochenende auf Veranstaltungen der Monarchistischen Jugend.
Dann habe ich mich bei einem der bekanntesten Fotografen Wiens beworben, bei Fritz Kern. Er hat mich zu meiner Überraschung aufgenommen, hat mich als Reporter ausgebildet und mir Fotojournalismus beigebracht. Das habe ich einige Jahre lang gemacht.
Eine meiner wichtigen Aufgaben bei der Agentur Kern war es, täglich die neuesten Fotos in die Redaktionen zu bringen. Und es hat sich natürlich herumgesprochen, dass ich privat und öffentlich ein großer Agitator für die Rückkehr von Otto von Habsburg nach Österreich war. Für meinen Chef Fritz Kern war das offenbar kein großes Problem – ich glaube sogar, es hat ihm gefallen. Und auch die Journalisten-Kollegen haben mich nicht unfreundlich behandelt und mein Engagement für Otto zumindest respektiert.
Als mein späterer Freund und Paneuropa-Mitstreiter Wolfgang Pav seinem Vater Josef – zu dieser Zeit Chefredakteur beim bürgerlichen „Wiener Montag“ – erzählte, dass er mich kennengelernt hätte, meinte Josef Pav: „Ach ja, dieser kleine hartnäckige Schwarzhaarige: wenn du ihn bei der Türe hinauswirfst, kommt er beim Fenster wieder herein“.
Eine Ausnahme hat es aber wirklich gegeben: von Hugo Portisch wurde ich tatsächlich „hinausgeschmissen“. Da hatte es zuvor offenbar eine Kontroverse zwischen ihm und Otto von Habsburg gegeben, von der mir Otto allerdings nichts gesagt hatte. Portisch hat mich zwar im „Kurier“ empfangen – er hat wahrscheinlich vorher nicht gewusst, wer ich bin – hat aber dann sofort nach der Gesprächseröffnung gesagt, er wolle das Gespräch nicht weiterführen, denn „Otto lügt, lügt, lügt!“ Ich wollte widersprechen, aber er hat mich zum Aufzug gebracht und hinausexpediert.
In dieser Zeit ging es in erster Linie darum, den “Boden aufzubereiten“, den Journalisten kleinere und auch größere Geschichten von und über Otto zu erzählen und insofern persönliche Kontakte herzustellen, als ich immer wieder Kollegen zu Otto nach Pöcking gebracht habe.
Mein „Highlight“ im eigentlichen Beruf der Pressefotografie war zweifellos die Wiener Begegnung von Kennedy und Chruschtschow im Juni 1961. Allerdings hätte mir das eigentlich eine fristlose Entlassung bringen müssen. Ich hatte nicht darauf geachtet, dass der Film zu Ende war und habe daher ausgerechnet vom berühmten Händedruck Kennedy – Chruschtschow kein Foto machen können. Die Agentur Kern musste dieses Foto von der Konkurrenz zukaufen, um eine Aussendung machen zu können. Ich war sehr froh, dass mich Kern nicht hinausgeschmissen hat.
Die „normale“ Arbeit hat vor allem politische und verschiedene andere interessante Ereignisse betroffen. Einer meiner ersten Aufträge war zum Beispiel eine neue Riesenschlage im Tiergarten Schönbrunn: es war sehr schwierig, ein Bild zu machen, auf dem die Größe der Schlange gut erkennbar war – und außerdem habe ich mich ziemlich gefürchtet. Meist habe ich eine Liste mit den von mir gewünschten Bildberichten erhalten, habe die Bilder dann selbst ausgearbeitet und die Abzüge wurden verschickt oder von mir selbst in bestimmte Redaktionen gebracht. Ich war so zu sagen ein „Mädchen für Alles“. Für mich war das interessant, weil ich dadurch erfahren habe, wer in den Redaktionen wofür verantwortlich war und andererseits war ich in den Redaktionen kein Unbekannter, wenn ich zum Beispiel später einmal mit Otto-Bildern gekommen bin.
Bekanntschaft mit Robert Feix und Franz Olah
Bei einer größeren Veranstaltung der Monarchistischen Bewegung in der Florianigasse in Wien habe ich vor etwa 600 Zuhörern die Hauptrede gehalten. Ich war damals 19 Jahre alt. Im Publikum war ein Mann, der nachher zu mir gekommen ist und sich als Robert Feix vorgestellt hat. Ich hatte keine Ahnung, wer er ist. Er hat mich für nächsten Tag ins Bristol zum Essen eingeladen und mich dort „ausgefratschelt“. Ich habe dabei erfahren, dass er einige Zeit im KZ Dachau gewesen war und dort den späteren sozialistischen Spitzenpolitiker Franz Olah kennengelernt hatte.
Feix wollte von mir wissen, was man machen könnte, damit eine Habsburg-Rückkehr nach Österreich möglich würde. Ich sagte, es gäbe eine Sache, die er versuchen könnte: „Engagieren sie einen jungen sozialistischen Journalisten und lassen Sie diesen für Otto arbeiten“. Ich dachte dabei an Hans Janitschek, den ich als Sympathisanten einschätzte. Ich wusste allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht, dass er bereits eine Funktion in der Sozialistischen Internationale übernommen hatte.
Feix war Großindustrieller und Besitzer der Firma „Opetka“. Feix‘ Eintreten für Otto hatte einen „historischen“ Hintergrund: Feix hatte in den 30-er Jahren aus der Zeitung erfahren, dass der Sohn des letzten Österreichischen Kaisers in Löwen jeweils vom Haus seiner Mutter mit dem Fahrrad eine Stunde lang zur Universität fahren musste. Und das hatte ihn fürchterlich geärgert. Er hatte daraufhin bei den Steyrer-Werken einen Sportwagen bestellt, mit dem Otto dann täglich zur Universität fahren sollte. Das war offenbar mit einer der Gründe für die Nazis, Feix ins KZ Dachau zu schicken.
Über Robert Feix wurde ich später auch mit Franz Olah befreundet. Immer wenn Feix nach Wien kam, wollte er auch Franz Olah treffen und hat mich mehrmals mitgenommen. So kam es zu den Treffen zwischen dem Mitglied der Monarchistischen Bewegung Milkovics und dem 1964 aus der SPÖ ausgeschlossenen sozialistischen Spitzenpolitiker Franz Olah – natürlich nicht öffentlich.
Olah hat mich auch einmal in sein Büro eingeladen und mir erzählt, dass er die Absicht habe, nach Rom zu fahren. Olah war kein Monarchist, aber ein überzeugter Katholik. Er wurde in Castel Gandolfo Anfang August 1965 vom Heiligen Vater empfangen und hat dort von einem Mitarbeiter als Geschenk die neuesten Vatikan-Briefmarken überreicht bekommen.
Dazu gibt es auch einen interessanten Hintergrund: Otto von Habsburg war zuvor bei Papst Paul VI. in Audienz gewesen – der Papst war übrigens Taufpate von Ottos jüngstem Sohn Paul Georg - und hatte diesem vom österreichischen katholischen Sozialisten Franz Olah erzählt. Bei dieser Gelegenheit hatte Otto einem Vatikan-Mitarbeiter gegenüber auch erwähnt, dass Olah ein begeisterter Briefmarkensammler wäre …… Später ist durchgesickert, dass Otto von Habsburg die Papst-Audienz für Olah erwirkt hatte und eine linke Zeitschrift – „Echo“ – erschien dann mit dem Aufmacher „Olah mit Monarchisten beim Papst“.
Im Hauptberuf für Otto
Die Hammers haben versucht, mich wie einen Adeligen zu erziehen und mein Vater war ein kleiner Sozialdemokrat. Bei einem Fest für mich in der Villa in der Wambacherstraße – zu meinem 21.Geburtstag - bin ich dann dem Franz Karl Auersperg - dem „Prinzen“ – begegnet. Mit dabei waren auch einige junge Leute aus der Branche, etwa der „Graf“ Belcredi. Und nur wenige Tage später gab es eine Party für meine Ziehschwester Ingrid. Auch hier war Franz Karl Auersperg wieder dabei. Und bei unserem zweiten Treffen hat mich dann Franz gefragt: „Sag, wie heißt denn Du eigentlich?“ Als ist antwortete: „Milkovics“, meinte Franz Auersperg: “Gott, wie peinlich. So heißt man doch nicht“. Er war damals 27 Jahre „jung“ – und wir sind die besten Freunde fürs Leben geworden. Damals war das für mich allerdings ziemlich furchtbar – für diese Art von adeligem Humor hat mir das Verständnis gefehlt.
In der Folge wurde der Kontakt zwischen Otto von Habsburg und Robert Feix immer intensiver. Otto hatte erkannt, dass die Rückkehr der Habsburger nach Österreich für Feix ein großes Anliegen war und dieser bereit war, dafür auch viel Geld zur Verfügung zu stellen. In der Folge wurde ich von Robert Feix angestellt und begann meine hauptberufliche Tätigkeit für Otto von Habsburg.
Mit meiner Anstellung bei Robert Feix habe ich die Aufgabe übernommen, die Pressearbeit für Otto von Habsburg durchzuführen. Ich habe dabei durchaus leidenschaftlich versucht, in allen Zeitungsredaktionen für die Heimkehr von Otto einzutreten. Eine nächste Stufe war dann die Begegnung mit Hans Dichand. Er hat diese Kontakte offenbar gerne aufgenommen und ich habe nach der Rückkehr von Otto nach Österreich zwei Mittagessen zwischen Dichand und Habsburg organisiert.
Einstieg in die Paneuropa-Bewegung
Wie ich nachträglich erfahren habe, hat es in Brüssel eine Sitzung der Internationalen Paneuropa-Union gegeben. Dabei hat Präsident Richard Coudenhove Kalerghi den Wunsch geäußert, die österreichische Paneuropa-Union zu aktivieren. Dabei hat Otto von Habsburg mitgeteilt, er hätte einen jungen, ambitionierten Mitarbeiter in Wien. Man ist dann an mich herangetreten, als Generalsekretär die PEU-Österreich zu reaktivieren.
Ich vermute, dass diese Idee bei einem der regelmäßigen privaten jährlichen – konservativen – Treffen zwischen Otto von Habsburg, Josef Klaus und dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß „geboren“ wurde.
Erst viel später hat Coudenhove aber erfahren, dass ich Monarchist wäre. Er hat mich schriftlich aufgefordert (den Brief habe ich noch), meine Funktion bei der Monarchistischen Bewegung zurückzulegen – oder die Funktion bei Paneuropa. Es wäre seiner Ansicht nach unvereinbar, wenn der Generalsekretär der Paneuropa-Union ein bekannter Monarchist ist. Das war angesichts meiner intensiven Tätigkeit für Otto eine „riesige Watsch’n“ und für mich nicht akzeptabel. Es hat daraufhin eine heftige Auseinandersetzung zwischen Otto und Coudenhove gegeben. Otto hat sich durchgesetzt und mich darüber in einem persönlichen Schreiben im Oktober 1968 informiert. Ein durchaus entscheidendes Argument war dabei, dass ich in der PEU-Österreich demokratisch gewählt worden wäre und mich daher auch der internationale Präsident von außen her nicht absetzen könnte.
Ich hatte Richard Coudenhove Kalerghi in Wien im Hotel Bristol persönlich kennengelernt und ich kann sagen, dass er in der Folge von mir sehr begeistert gewesen ist. Coudenhove hatte ein Appartement im Bristol und dort auch immer verschiedene Persönlichkeiten empfangen und Gespräche geführt. Mit der Zeit hat mich Coudenhove dann in nahezu allen Österreich betreffenden Fragen beigezogen, weil er erkannt hatte, dass ich diese Beziehung nicht persönlich ausnütze und meine monarchistische Einstellung für die Anliegen der Paneuropa-Bewegung kein Problem darstellte.
Wir haben dann die PEU-Österreich neu konstituiert und darauf geachtet, dass die Leitung überparteilich ausgerichtet wurde. Zum Präsidenten wurde Dr. Heinrich Drimmel gewählt. Der ÖVP-Politiker war bis 1964 Österreichischer Unterrichtsminister und danach Vizebürgermeister von Wien. Sein Stellvertreter in der Paneuropa-Union Österreich war Dr. Hans Kerstnig von der SPÖ, Mitglied der Landesregierung und ab 1965 Landeshauptmann-Stellvertreter von Kärnten.
Als weiterer PEU-Stellvertreter fungierte Dr. Georg Hanreich von der FPÖ.
Vor meiner Bestellung war Oskar Miller Aichholz „Generalsekretär“ der PEU. Ich denke, dass er seine Arbeit gut gemacht hat und ich hatte eigentlich nicht verstanden, warum er abgelöst werden sollte. Später wurde mir zugetragen, dass Miller Aichholz in kleineren privaten Runden nicht immer – vorsichtig ausgedrückt – freundliche Worte über die Österreichische Volkspartei des Bundeskanzlers gefunden haben soll…
Die Paneuropa-Union hat nach der Neu-Konstituierung ein Büro in der Renngasse in der Wiener Innenstadt bezogen. Hintergrund dieser „Nobeladresse“ war, dass das Haus zum Bereich des Bundeskanzleramtes gehörte und die Regierung Klaus damit in Richtung Coudenhove-Kalerghi signalisieren wollte, dass sie bereit war, die Anliegen der Paneuropa-Bewegung zu unterstützen. Doch dann hat es ein „Problem“ gegeben: ich hatte im Sekretariat der PEU Österreich Frau Ramming angestellt – die Frau eines bekannten Journalisten. Und es ist dann bekannt geworden, dass sich Kollege Ramming in der Südtirol-Frage engagiert und auch exponiert hatte. Das hatte zur Folge, dass das Büro der Paneuropa-Union „Besuch“ von einem Kommando der Staatspolizei erhielt und unsere Räumlichkeiten durchsucht wurden. (Man darf ja nicht vergessen, dass es damals Bombenanschläge in Südtirol gegen hat). Wir haben daraufhin beschlossen, aus diesen Räumen des Bundeskanzleramtes auszuziehen, weil wir das Paneuropa-Büro nicht durch die Polizei kontrollieren lassen wollten.
Bundeskanzler Klaus und der Verleger Fritz Molden haben uns dann dabei geholfen, ein neues Büro zu erhalten, und zwar in der Bankgasse – ebenfalls eine gute Adresse in der Innenstadt. Wir haben dann dort den Paneuropa-Kongress 1966 vorbereitet und konnten dabei „unbeobachtet“ arbeiten. Eine der Mitarbeiterinnen in dieser Zeit war übrigens Hannerl Molden, die Frau von Fritz.
Der Kongress war aus unserer Sicht ein großer Erfolg und brachte für viele Publizisten auch eine Überraschung, was die Teilnehmer betraf: der große Konzerthaussaal war voll und unter den Teilnehmern waren – als Redner – Bundeskanzler Josef Klaus, der französische Minister Terrenoire, der frühere deutsche Minister Merkatz, Abgeordnete aus mehreren europäischen Ländern und Vertreter aus der österreichischen Parteienlandschaft. Ziel war, die österreichische Paneuropa-Union in eine demokratische und überparteiliche Position zu bringen. Das „einzige Hindernis“ war eigentlich ich – weil es doch Einige gab, die mit einem bekennenden Monarchisten nicht zusammenarbeiten wollten.
Zu meinem österreichischen Präsidenten Drimmel hatte ich ein gutes Verhältnis. Meine monarchistische Einstellung war für ihn offenbar kein Problem. Dass Heinrich Drimmel später von seiner Funktion als Präsident der Paneuropa-Union Österreich von einem Tag auf den anderen zurückgetreten ist, hatte einen anderen Grund: Drimmel wollte aus persönlicher Überzeugung nicht, dass Otto von Habsburg einmal die Führung der Internationalen Paneuropa-Bewegung übernehmen sollte. Doch Richard Coudenhove-Kalerghi hat eines Tages in einem „einsamen Beschluss“ Otto zu seinem internationalen Vizepräsidenten – und damit voraussichtlichen Nachfolger – ernannt, ohne dies innerhalb der Paneuropa-Bewegung zu kommunizieren. Dass Drimmel diese Entscheidung sozusagen „aus der Zeitung“ erfahren musste, hat zu seinem spontanen Rücktritt geführt.
Was man jedenfalls nicht vergessen darf ist, dass uns in späteren Jahren im Hintergrund Bruno Kreisky das Leben erleichtert hat – er war ja einst Paneuropajugend-Führer in Wien und ein glühender Anhänger von Coudenhove-Kalerghi.
Otto von Habsburg reist nach Österreich
Unter der ÖVP-Alleinregierung Klaus wurde das Einreiseverbot für Dr. Habsburg nach Österreich aufgehoben und es wurde mit einer gewissen Spannung auf sein Kommen gewartet. Vor der „ersten“ Einreise ist jedoch sofort eine „Panne“ passiert: jemand aus der engsten Umgebung hatte „geplaudert“ und der Journalist Gerold Christian teilte mir mit, dass der „Kurier“ den Aufmacher plane: „Otto Habsburg erstmals in Österreich“. Daraufhin habe ich in Pöcking angerufen und Otto hat diese „erste“ Einreise verschoben.
Am 31. Oktober 1966 hat mich Otto von Habsburg dann für sechs Uhr früh zum Münchener Hauptbahnhof bestellt und hat mich dort mit dem Auto abgeholt. Wir sind dann Richtung Innsbruck gefahren. An der Grenze gab es eine interessante Situation: wir haben die Pässe hergezeigt, einige Beamte haben salutiert, andere bewusst zur Seite geschaut. Danach etwa 10 Kilometer nach der Grenze eine köstliche Begebenheit: wir mussten kurz bei einer Baustelle halten. Ich habe ja Otto gekannt und gesagt: „Majestät bleiben bitte jetzt sitzen“. Otto hat mich angelacht, die Türe aufgemacht, ist zu den Arbeitern hingegangen und hat Hände geschüttelt. Die ersten Menschen, die er in Österreich begrüßt hat, waren Straßenarbeiter.
Die ursprüngliche Idee war, den Landeshauptmann Wallnöfer zu „überfallen“, weil zuvor ja von der Reise niemand wissen sollte. Das haben wir verworfen und einen einfachen Arbeiter besucht: Herr Adrian war Bezirksobmann der Monarchisten in Schwaz. Wir waren in seinem kleinen Haus – er lag krank im Bett und hat vor Freude zu weinen begonnen: Otto hatte ihm bei einem früheren Treffen versprochen, ihn zu besuchen, wenn er nach Österreich komme.
Danach Weiterfahrt nach Innsbruck und Treffen mit dem Sohn eines ehemaligen Bürgermeisters. Sein Vater hatte in den 30-er Jahren durchgesetzt, dass Otto in 1657 Gemeinden zum Ehrenbürger ernannt worden ist. Danach habe ich vorgeschlagen, noch den Grafen Trapp zu besuchen. Otto bremste: „Herr Milkovics, sie wissen schon, was sie da vorschlagen: erst waren wir beim einfachen Bürger und jetzt sollen wir sofort auch den Grafen besuchen?“. Hier waren wir unterschiedlicher Ansicht - und wir haben die Weiterreise ohne diesen Besuch angetreten.
Am Nachmittag waren wir noch auf einen kurzen Besuch in Hirt in Kärnten. Anschließend sind wir zur Schwester von Otto in die Steiermark gefahren. Wir haben das alles geheim gehalten. Der Einzige, der informiert war, war Dieter Kindermann von der Kronenzeitung. Heute kann man es ja sagen: er war ein treuer Anhänger von Otto, hat für ihn und uns – und auch für mich persönlich – viel gemacht und war auch ein guter Freund von Erich Feigl.
Vom ersten Treffen mit Hans Dichand war niemand informiert. Es hat in St. Pölten in einem Hotel-Restaurant in der Nähe vom Bahnhof stattgefunden. Dichand hat dort gewartet, ich habe Otto hingebracht und auch wieder abgeholt, war beim Gespräch aber nicht dabei. Otto war nach dem Gespräch sehr gut gelaunt und die Kronenzeitung war unseren Anliegen gegenüber korrekt-wohlwollend.
Interessant war auch der erste Besuch in Wien. Otto hat mich in Hietzing abgeholt und wir sind in die Innenstadt gefahren. Dort waren wir zu Fuß unterwegs, weil ich sehen wollte, wie die Leute reagieren. In der Kärntnerstraße haben die meisten freundlich gegrüßt, mehrmals war zu hören: “Jö schau, der Otto“. Weiter über den Graben zur Michaelerkirche. Dort hat ein Passant laut gerufen: „Dass der Habsburg da sein darf, verdanken wir nur den Kommunisten!“. Danach habe ich Otto beim Rechtsanwalt Dr. Draxler „abgegeben“, zum Mittagessen.
Später war Otto dann einmal in Wien mit seinem Sohn Karl, damals noch ein Bub. Das war aber völlig privat, da war ich nicht eingebunden.
In der Folgezeit habe ich in meiner Wohnung in der Wiedner Hauptstraße einige Treffen organisiert, auch mit Sozialisten. Etwa mit dem späteren Staatssekretär Veselsky oder mit dem Chefredakteur Franz Kreuzer.
Ein Treffen mit Kreisky hat es nicht bei mir gegeben, sondern bei einem Industriellen. Und es hat zunehmend Treffen mit Journalisten gegeben. Die haben wir damals gebraucht „wie einen Bissen Brot“ – schließlich war die Stimmung in der Öffentlichkeit lange Zeit sehr anti-habsburgisch. Und nicht zuletzt auf Wunsch von Kreisky, Kerstnig und anderer Sozialdemokraten haben die Sozialisten dann mit dem „Habsburg-Kannibalismus“ aufgehört. Sie haben eben bemerkt, dass Otto keine monarchischen Ambitionen hat, dass er sehr friedlich ist und dass die Monarchistische Bewegung keine sehr große Organisation ist. Bei den Kundgebungen haben dann viele Menschen Otto kennen gelernt und die Hasstiraden haben aufgehört. Mein Ziel war immer die „Aussöhnung“ nach Links. Man darf nicht vergessen, dass immerhin einmal die Straßenbahn stillgestanden ist, als es hieß, Otto würde einreisen und die SPÖ war im Schockzustand.
Der Kontakt zu Franz Olah ist in erster Linie über den Herrn Feix gelaufen. Otto von Habsburg und Olah haben sich getroffen und ich denke, Otto hatte einen guten Eindruck von Olah. Ich glaube, er hat Olah auch in dessen damaliger Wohnung in Neuwaldegg besucht. Ich war allerdings nicht dabei.
Meine Aufgabe in der PR für Otto von Habsburg hatte sich ab 1967 natürlich geändert. Zuvor ist es ja darum gegangen, seine Wiedereinreise nach Österreich zu erwirken. Dann habe ich versucht, die vorwiegend im linken Lager vorhandene reservierte bis feindliche Stimmung zu verändern. Klarzumachen, dass Otto keine innenpolitischen Intentionen hatte, sondern sich einer europäischen Sendung verschrieben hatte. Das heißt, die Hauptaufgabe war, möglichst viele Treffen zu organisieren, mit Politikern, Journalisten, Wirtschaftsleuten und Kulturschaffenden. Die meisten der Menschen, die Otto von Habsburg persönlich kennengelernt hatten, haben ihre zuvor zurückhaltende oder negative Meinung korrigiert.
Dazu kam eine ganze Reihe von Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen. Wobei wir darauf geachtet haben, dass Otto vorwiegend nicht bei „Veranstaltungen der Monarchisten“ aufgetreten ist, weil das natürlich Wasser auf die Mühlen der „Gegner“ gewesen wäre. Zuhörer waren nicht nur Menschen, die aus historischen Gründen an Otto Interesse hatten, sondern zunehmend auch jüngere Leute, die sich für seine Pläne und Vorschläge zur europäischen Zukunft interessiert haben. Da gab es immer wieder auch skurrile Szenen, nicht nur mit Menschen, die einmal „dem Kaiser“ die Hand geben oder von ihm ein Autogramm in eines seiner zahlreichen Europabücher haben wollten, sondern auch mit „Gegnern“.
So hatte Herr Kienhofer in der Steiermark ein Institut gegründet und damit Veranstaltungen organisiert. Bei einer Tagung über europäische Transportfragen in Baden bei Wien wurde Otto dann einmal von einem deutschen - sozialdemokratischen – Transportunternehmer mit „Eure Kaiserliche Wenigkeit“ angesprochen. Und im Zuge der Fragen nach einem Vortrag ist ein Zuhörer aufgestanden, hat eine „Habt Acht“-Haltung eingenommen, salutiert und gesagt: „Majestät, melde gehorsamst, bin Kommunist“.
Aber die Stimmung war generell viel „friedvoller“ geworden. So hat etwa Dieter Kindermann – ohne dass wir ihn gebeten hatten – von sich aus den damaligen SPÖ-Vorsitzenden Kreisky gefragt: „Was würden Sie machen, wenn die Kaiserin Zita nach Österreich einreist?“ Und Kreisky soll ihm daraufhin die geniale Antwort gegeben haben: es wird sie niemand fragen, wann sie wieder ausreist.
Geplante Zita-Reise ins kommunistische Prag
Das war eine fast unglaubliche Geschichte, 1968 im „Prager Frühling“.
Ich war befreundet mit einem Herrn Bittmann. Er war Korrespondent der tschechischen Presseagentur in Wien. Jedenfalls offiziell und nach außen hin. Interessant war übrigens, dass sich damals einige Korrespondenten aus kommunistischen Staaten um mich „gekümmert“ haben. Ich hatte Bittmann im Presseclub Concordia kennengelernt und wir hatten danach auch privat Kontakt. Ich nehme an, auf seiner Seite war auch meine Nähe zu Otto von Habsburg ein Grund zur „Kontaktpflege“.
Und die Kaiserin Zita hatte einen Lebenswunsch: sie wollte noch einmal Prag sehen. In der Stadt war sie als junge Frau mit dem späteren Kaiser Karl zusammen, ist mit ihm – verliebt und ohne großes Aufsehen - durch die Straßen spaziert. Mir war dieser Wunsch der Kaiserin bekannt. Ich habe das dem Herrn Bittmann erzählt und der hat es dem tschechoslowakischen Zentralsekretär Dubcek weitererzählt. Alexander Dubcek hatte daraufhin gemeint: warum nicht? Und so wurde im August 1968 konkret ein Besuch von Kaiserin Zita in Prag nicht nur geplant, sondern auch tatsächlich vorbereitet. Der „brüderliche“ sowjetische Einmarsch hat das verhindert.
Bittmann war – soweit ich erfahren habe – Major im Geheimdienst. Er hat den letzten Abend vor dem Einmarsch im August 1968 bei mir in meiner Wiener Wohnung verbracht. Als ich ihn beim Haustor verabschiedet habe, war vor dem Haus eine Reihe von großen schwarzen Limousinen – in eine davon ist er eingestiegen. Ich habe mir damals nichts dabei gedacht. Erst am nächsten Tag habe ich erfahren, dass ein tschechischer Geheimdienstmann in Wien zu den Amerikanern übergelaufen sei. Dass er damals die Reise von Kaiserin Zita nach Prag vorbereitet hatte, haben nur ganz wenige gewusst.
Zu meiner weiteren persönlichen Verbindung zu Prag: es ist ein tschechischer Journalist zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob und wann ich zusammen mit einigen Kollegen nach Prag kommen wollte. Meine Antwort war: sofort, wenn mich Bischof Tomasek empfängt. Das war an einem Freitag. Am Montag danach läutete bei mir das Telefon. Mit dem typischen tschechischen Deutsch wurde mir mitgeteilt: „Bischof Tomasek würde Sie gerne empfangen“. Das war im März 1968. Wir sind nach Prag gefahren. Dabei hat es auch ein Gespräch unter vier Augen gegeben. Tomasek wollte dabei von mir wissen, wie es „der Kaiserin“ gehe. Er jedenfalls lasse „Ihrer Majestät“ zum Geburtstag immer rote Rosen übersenden. Tomasek war kein Monarchist, aber er hat am Schicksal der Kaiserin teilgenommen. Für mich war das ein beeindruckender Besuch.
Und er hat sich für die spätere Zeit auch als erfolgreich erwiesen. Ich habe beim späteren Kardinal einen Mann kennengelernt, der mir in späteren Jahren in Prag alle Türen geöffnet hat. Aber das war 20 Jahre später, nach dem Ende des Kommunismus.
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Hier endet – leider – die persönliche Lebenserinnerung von Lacy Milkovics. Sie wurde im Jahr 2023 in mehreren Interviews aufgezeichnet und die vorliegende überarbeitete Textfassung wurde von ihm Anfang 2024 noch autorisiert. Eine Fortsetzung der Interviews war dann leider nicht mehr möglich. Lacy Milkovics ist am 14. Juni 2024 in Wien verstorben.
Lacy Milkovics hat eine umfangreiche und teilweise ziemlich chaotische Sammlung zeithistorischer Dokumente hinterlassen. Interessant ist dabei vor allem die regelmäßige Korrespondenz mit Otto von Habsburg, die deutlich den Wandel in der Aufgabenstellung von Lacy Milkovics widerspiegelt: bis 1966 ging es vorwiegend um den Kampf für die Einreise von Otto nach Österreich, danach um den Abbau des Misstrauens der linken Reichshälfte gegenüber Otto und den Aufbau einer aktiven, durchsetzungsfähigen und überparteilichen jungen Gruppe für den Kampf um ein Vereintes Europa im Rahmen der „Aktion Österreich Europa“ (der Nachfolgeorganisation der Monarchistischen Bewegung), der Paneuropa Bewegung und der von Milkovics neu gegründeten NEG – Neue Europäische Generation. Und ab etwa 1972 nach dem Tod von Richard Coudenhove Kalergi finden sich zunehmend auch kritische Texte bezüglich der künftigen gesellschaftspolitischen Ausrichtung der Paneuropa Bewegung nach der Übernahme der Internationalen PEU-Präsidentschaft durch Otto von Habsburg.
Weiters finden sich Briefwechsel mit bekannten Persönlichkeiten der 60-er und 70-er Jahre, Zeitungsausschnitte und Fotos. Zeitgeschichtlich interessant sind von Lacy Milkovics verfasste Gedächtnisprotokolle, sowie Berichte über vertrauliche Gespräche. Aus diesen lassen sich seine Einschätzungen und seine persönliche Sicht verschiedener politischer Entwicklungen gut erkennen. Vermutlich hätte er sie bei einer möglichen Fortsetzung der Interviews auch so formuliert. Es soll daher in der Folge versucht werden, mit Hilfe dieser Unterlagen, sowie meiner persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen an frühere Gespräche mit Lacy zusätzliche Informationen vor allem über das „politische Leben“ von Lacy MIlkovics herauszuarbeiten. Dies betrifft besonders seine Zeit als Generalsekretär der Paneuropa- Union Österreich, seine spätere „Entfremdung“ von Otto, seine erfolgreiche Tätigkeit für die LIONS und seinen ziemlich „brutalen“ Bruch mit dem Haus Habsburg im Jahr 1997. Für zusätzliche Informationen über das weitere Leben von Lacy bin ich seiner Tochter Eva Maria, sowie Claudia, die mit Lacy von 1974 bis 1979 verheiratet war, sehr dankbar. Zum Thema „Lions“ kann ich eigene Erfahrungen sowie Erinnerungen des Paneuropa - und LIONS - „Urgesteins“ Dr. Peter Schmautzer einbringen.
Dr. Wolfgang Pav
Wien 2024
Lacy Milkovics und die Paneuropa Union Österreich
Neugründung mit Turbulenzen
Bei der Neugründung der Paneuropa Union Österreich 1966 und in den beiden Folgejahren hatte Lacy Milkovics zahlreiche „Hindernisse“ zu überwinden: Kern der Auseinandersetzungen war zweifellos ein „Generationenkonflikt“. Jung gegen Alt, „erfahrene Funktionäre“ gegen „junge Stürmer“, „Bewahrer“ gegen “Neuerer“. Das alles im Umfeld von zwei unterschiedlichen „Alpha-Männchen“ – Otto von Habsburg und Richard Coudenhove Kalergi. Dazu kamen Differenzen zwischen „Monarchisten“ und „Republikanern“, aber durchaus auch zwischen „Monarchisten“ und „Monarchisten“. Und nicht unwesentlich waren die Unterschiede zwischen Gefühlen und Eitelkeiten auf der einen Seite und den Fakten auf der anderen.
Als Lacy Millkovics im Jänner 1966 „provisorisch“ die Paneuropa-Tätigkeit übernahm, gab es folgende „Fakten“:
Richard Coudenhove Kalergi wollte nach der Trennung von Paneuropa-Bewegung und Europa-Union auf europäischer Ebene (als Folge der Auseinandersetzungen um de Gaulle) eine Stärkung der einzelnen Paneuropa Länderorganisationen, darunter auch in Österreich. Milkovics wurde auf Vorschlag von Otto von Habsburg von Coudenhove mit der Arbeit für Österreich betraut, ohne dass dieser Milkovics zuvor persönlich gekannt hatte. Es bestand enormer Zeitdruck, weil der 10. Paneuropa-Kongress für die Zeit vom 7. bis 10. Oktober 1966 (exakt 40 Jahre nach dem ersten PEU-Kongress 1926) im Wiener Konzerthaus geplant war und dafür entsprechende Vorarbeiten notwendig waren. Eine weitere Tatsache war, dass sowohl Habsburg als auch Coudenhove keine Nähe der Paneuropa Union zu den Monarchisten haben wollten. In einem Schreiben von Otto von Habsburg an Lacy Milkovics vom 2. April 1966 steht wörtlich „… ich möchte unter gar keinen Umständen aus der Pan Europa Union ein Anhängsel der M.B.Ö. machen oder überhaupt diese zwei Organisationen allzu nahe aneinanderbringen.“ In einem handschriftlichen Brief von Richard Coudenhove Kalergi vom 17. Februar 1967 heißt es „… der für mich wichtigste Teil war die Absage an den Österr. Monarchismus ...“. Faktum war zu dieser Zeit auch, dass Otto noch nicht nach Österreich einreisen durfte und dass die Monarchistische Bewegung Österreichs (MBÖ) als eingetragener Verein existierte und aktiv war.
Schließlich: ein ganz wesentliches Faktum, das bei den bisherigen Veröffentlichungen über die Geschichte der Paneuropa Bewegung in Österreich nirgends berücksichtigt wurde ist die Tatsache, dass es in der Zweiten Republik bis Mitte 1966 k e i n e offizielle Paneuropa Organisation in Österreich gegeben hat (!)
Die Internationale Paneuropabewegung wurde in dieser Zeit nur von einigen Privatpersonen in Österreich repräsentiert. Neben Richard Coudenhove Kalergi waren das Oskar Miller Aichholz – er vertrat Österreich im Internationalen Rat, der Physiker und frühere SPÖ-Bundesrat Hans Thierring sowie der Präsident der Widerstandsbewegung Franz Sobek. Weder eine Paneuropabewegung noch eine Paneuropa Union waren in Österreich vereinsrechtlich registriert.
Lacy Milkovics hat daher am 31. Mai 1966 die Paneuropa Union Österreich vereinsrechtlich angemeldet, die amtliche „Nicht-Untersagung“ erfolgte am 20. Juli 1966 und die Konstituierung am 8. September 1966.
An einer Sitzung eines „Arbeitsausschusses“ zur Vorbereitung der Gründung der Paneuropa Union Österreich am 4. Juni 1966 nahmen neben den von Milkovics nominierten Proponenten auch Richard Coudenhove Kalergi, Oskar Miller Aichholz und Dr. Franz Sobek teil. Dabei erklärte Coudenhove, er sei zwar „verwundert“, dass die PEU nicht angemeldet sei und es keine Mitgliederkartei gäbe, aber die PEU gäbe es schon seit 1923 und die Paneuropa Union Österreich wäre – so das Sitzungsprotokoll „… durch die Person des verstorbenen Landeshauptmannes Figl und des Dr. Sobek legalisiert und keiner Gefahr ausgesetzt“.
In einem Brief an Otto von Habsburg (7. Juni 1966) zitiert Milkovics dann noch eine Aussage von Dr. Sobek im Laufe der Vorbereitungssitzung. Danach wäre eine vereinsrechtliche Anmeldung nicht notwendig, weil damit die Gefahr bestehe, dass neue Mitglieder den Vorstand überstimmen könnten. „Außerdem könnten dann ja hier Deutschnationale, Kommunisten oder sogar Monarchisten Einfluss gewinnen“ (so Sobek laut Milkovics-Gedächtnisprotokoll).
In einem Gespräch am 5. Juni 1966, dem Tag nach der Sitzung, präzisierte Coudenhove gegenüber Milkovics seine Befürchtung, dass hier junge Leute eine Organisation, die schon seit 40 Jahre bestehe, „übernehmen wollen“. Am nächsten Tag begrüßte Coudenhove Milkovics mit den Worten, er habe gehört, dass dieser „der aktivste und prominenteste junge Monarchist“ in Wien wäre und er ihn daher als „Belastung“ für die Paneuropa Union ansehe. Milkovics vermutet in einem Gedächtnisprotokoll, dass ihn ein Vorstandsmitglied der MBÖ bei Coudenhove „angeschwärzt“ habe. So war Coudenhove nicht nur darüber informiert, dass Milkovics schon als Bub für die MBÖ gearbeitet habe (Milkovics: „was ja stimmt, aber es wäre unnötig gewesen, das zu sagen“), dass er außer Ungarisch keine Fremdsprachen beherrsche und ebenso wusste Coudenhove vom Arbeitsvertrag mit Herrn Feix, „der ja geheim gehalten werden sollte“.
Milkovics damals über Coudenhove: „Mein Eindruck ist, dass er mir gegenüber zwar sehr positiv eingestellt ist, jedoch durch negative Informationen wegen meiner monarchistischen Tätigkeit beängstigt ist“. Und Milkovics weiter: „Die Leute in Österreich sollten sich endlich daran gewöhnen, dass man in einer offiziellen Funktion auch Monarchist sein kann. Schließlich hat es Minister gegeben, die als Nationalsozialisten und Kommunisten bekannt waren…“
Nach der Erklärung von Lacy Milkovics, dass die neuen Mitarbeiter der Paneuropa Union Österreich das internationale Präsidium der Paneuropa-Bewegung und insbesondere den Internationalen Präsidenten in keine Weise in Frage stellen wollten, wurde vereinbart, dass Milkovics zusammen mit dem internationalen Generalsekretär Vittorio Pons den Kongress im Oktober organisatorisch und pressemäßig betreuen sollte. Zum weiteren Aufbau der österreichischen Organisation äußerte sich Coudenhove jedoch nicht.
Am 8. September 1966 hat sich die neue Paneuropa Union Österreich konstituiert. Zum Präsidenten wurde der frühere Unterrichtsminister Dr. Heinrich Drimmel gewählt, zum geschäftsführenden Vizepräsidenten – entgegen dem Wunsch von Coudenhove, der Miller Aichholz in dieser Funktion sehen wollte – der Wiener Journalist Rainer Leignitz und zum Generalsekretär Lacy Milkovics. Miller Aichholz wurde in den Vorstand gewählt.
Hier wird wieder das Konkurrenzverhalten der beiden „Alpha-Männchen“ deutlich: in einem Schreiben an Milkovics (23. 8.1966 aus Benidorm) gratuliert Otto von Habsburg Milkovics dazu „dass es gelungen ist, die Paneuropa Union so weit zu bringen“. Allerdings könnte es beim Kongress Schwierigkeiten geben, „da ja Miller Aichholz sicherlich alles unternehmen wird, um die Atmosphäre zu vergiften“. In dem Schreiben empfiehlt Otto von Habsburg, „für Miller Aichholz irgendeine Funktion zu erfinden, die für ihn wohl einen Titel, aber auch ein totes Geleise bedeutet…und ihm dann als Aufgabe die gesellschaftlichen Verbindungen zu geben“.
Zuvor hatte Lacy Milkovics im August 1966 noch ein Vermittlungsgespräch zu führen. Coudenhove hatte nicht nur mit der PEU in Österreich Probleme, sondern auch in Deutschland. Er wollte den Deutschen Generalsekretär Grau zum Rücktritt zwingen oder die Paneuropa Union Deutschland überhaupt auflösen (was natürlich statutarisch nicht möglich war). Coudenhove fühlte sich über die deutschen PEU-Vorgänge von Grau nicht ausreichend informiert. Es konnte zumindest erreicht werden, dass der Kongress von diesen Spannungen verschont blieb.
Im Zusammenhang mit dem Kongress im Oktober 1966 findet sich im Nachlass von Lacy Milkovics ein zeitgeschichtlich interessantes Dokument: Otto von Habsburg ist bekanntlich am 31. Oktober 1966 erstmals wieder nach Österreich eingereist. Er hatte jedoch ursprünglich vor, schon früher erstmals einzureisen und zum Paneuropa-Kongress nach Wien zu kommen. Diese Idee hat er jedoch im Juli verworfen und in einem Schreiben an Richard Coudenhove Kalergi begründet (13. Juli 1966): Es wären ihm zuletzt „Bedenken höchster österreichische Politiker des Regierungslagers bezüglich möglicher Schwierigkeiten aus Anlass meines Erscheinens bei dem Kongress der Paneuropa Union in Wien zugeleitet worden. Wenn ich auch diese Bedenken nicht vollinhaltlich teile, möchte ich doch Bundeskanzler Klaus in seiner wertvollen Arbeit für Österreich unterstützen, insbesondere auch gegenüber gewissen Elementen, die versuchen Druck auf ihn auszuüben.“ Er werde daher zu seinem „großen Leidwesen“ nicht zu Kongress nach Wien kommen. „Es tut mir dies besonders leid, weil es für mich eine große Freude gewesen wäre, mit Ihnen zusammen in die Heimat zu kommen und dort an Ihrer Seite für unsere gemeinsamen Ideale zu arbeiten“.
In die Vorbereitungsarbeiten für den 10. Paneuropa Kongress waren vier Mitarbeiter im neuen Paneuropa-Büro, sowie rund zwei Dutzend freiwillige Helfer involviert. Diese jungen Freiwilligen bildeten späterhin den Kern der sogenannten Neuen Europäischen Generation (NEG), die Milkovics als eigene Nachwuchsorganisation der Paneuropa Union gründete.
Die beiden Folgejahre nach dem erfolgreichen Kongress brachten Lacy Milkovics einerseits weitere Turbulenzen im Rahmen von Paneuropa, andererseits aber auch erfreuliche Ergebnisse bei der Anwerbung von jungen Menschen für die Paneuropa-Idee. Schwierig war es, in zahlreichen Gesprächen die notwendige finanzielle Unterstützung für den Verein aufzutreiben, noch schwieriger war es, Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens außerhalb einer konservativen Kernschicht für die Bewegung zu gewinnen. Außerdem musste die in den letzten Jahren vor allem auf die Forderung nach Einreiseerlaubnis für Otto von Habsburg nach Österreich ausgerichtete Presse- und Öffentlichkeitsarbeit neu aufgestellt werden. Der Schwerpunkt lag nun bei der Berichterstattung über die zahlreichen Vorträge von Otto in Österreich und die darin präsentierten Europa-Vorstellungen.
In diesem Bereich – eigentlich außerhalb der Paneuropa Union – ist dann Anfang 1967 ein bereits länger schwelender Konflikt eskaliert: zwischen „Alt-Monarchist“ und „Jung-Monarchist“. Der Obmann der Monarchistischen Bewegung Österreichs (MBÖ), die sich nach der Wiedereinreise von Otto von Habsburg nach Österreich in Aktion Österreich Europa /AÖE) umbenannt hat, August Lovrek, hatte von Öffentlichkeitsarbeit andere Vorstellungen als Lacy Milkovics. Lovrek war nahezu gleich alt wie Otto, war schon Mitte der Zwanzigerjahre Jung-Paneuropäer, Monarchist und langjähriger sowie einer der engsten persönlichen Berater von Otto von Habsburg.
Nachdem Lovrek im Zuge einer in seinen Augen missglückten Presseaktion von Lacy Milkovics diesem „politisches Fingerspitzenlosigkeitsgefühl“ vorgeworfen hatte, hat Otto von Habsburg am 6. März 1967 Milkovics schriftlich aufgefordert, künftig Publikationen der völligen Kontrolle des Herrn Lovrek zu unterstellen. Daraufhin hat Milkovics seine Demission als Pressesprecher angeboten und in einem angefügten „Rechenschaftsbericht“ die Ergebnisse seiner Arbeit seit Juli 1963 angefügt. Schwerpunkt aus Sicht von Milkovics waren die guten persönlichen Beziehungen, die er zu rund Dreiviertel aller österreichischen Redaktionen aufgebaut hatte. Auch mit Kollegen, deren Schreibweise dem Herrn Lovrek „nicht genügend zugesagt“ hatte, die „nicht gerade Hoch Habsburg schreiben“, die aber nach einem jener von Milkovics immer wieder organisierten persönlichen Treffen mit Otto von Habsburg zumindest korrekt, zuweilen auch positiv geschrieben hätten. Besonders deutlich wurde der Generationenkonflikt beim Thema „Nachwuchsarbeit“. Er habe in den vergangenen Jahren mehrere Hundert junge Menschen „gewinnen können“, sei es „für die monarchistische oder Europa-Idee“, so Milkovics in seinem Rechenschaftsbericht. Die MBÖ habe dagegen bei Veranstaltungen „alte Greise zwischen 60 und scheintot“, die Atmosphäre dort sei erdrückend und „die Generation dazwischen gibt es nicht“.
Eine Aussprache brachte einen - etwas brüchigen – „Hausfrieden“ zurück, die Animositäten sind jedoch geblieben und haben immer wieder zu Belastungen bei der Vereins- und Pressearbeit geführt.
Der nächste Konflikt in der Paneuropa Union und auf der Ebene der „Alpha-Männchen“ war programmiert: Im Juli 1967 hielt Otto von Habsburg mehrere Vorträge in Osttirol. Ein Großteil der Zuhörer kam jedoch offensichtlich nicht, um Otto von Habsburg und seine Vorstellungen von einer europäischen Einigung zu hören, sondern um der „Kaiserlichen Hoheit“ zuzujubeln, Trachtenumzüge und Musikkapellen inklusive. Knapp acht Monate nach der ersten Einreise wurde das von den Medien und damit auch von der breiten Öffentlichkeit sehr genau registriert. Besonders kritisch waren die Berichte über Osttirol im Kurier – übrigens nur wenige Wochen bevor Kurier-Herausgeber Polsterer seinen Chefredakteur Hugo Portisch gekündigt hat (Portisch war, wie Lacy Milkovics ja bereits in seinen persönlichen Erinnerungen berichtet hat, alles andere als ein Freund von Otto von Habsburg). Und inmitten dieses „Monarchisten-Festes“ in Osttirol immer wieder Ottos Pressereferent – und zugleich Generalsekretär die Paneuropa Union Österreich - Lacy Milkovics. Richard Coudenhove Kalergi reagierte empört und zitierte Milkovics für den 8. September zu einer Aussprache nach Wien, um ihn als Generalsekretär der PEU Österreich abzusetzen. Der Name Milkovics wäre in den Zeitungen mehrfach genannt worden, so Coudenhove in einem Telefonat mit Milkovics und es wäre „mit dem Amt des Generalsekretärs der Paneuropa Union Österreich unvereinbar, dass dieser mit den Monarchisten im gleichen Zusammenhang bekannt ist“ (Brief von Milkovics an Otto von Habsburg, 22.8.1967). Außerdem findet sich in diesem Brief der lapidare Hinweis, dass der Vorstand der PEU Österreich „bereits zweimal wegen verschiedener finanzieller Transaktionen zurücktreten wollte“.
Vier Tage später bekam Milkovics Post aus Benidorm. Otto von Habsburg meinte zur Nachricht über die geplante Absetzung: „Ich bin darüber nicht erstaunt, da gegen Sie momentan, wie Sie ja selbst wissen, ein ziemliches Kesseltreiben eingesetzt hat …. Es wäre am besten, die Politik des Zeitgewinnens zu verfolgen.“ Habsburg empfahl Milkovics, „einem frontalen Konflikt mit Coudenhove aus dem Weg zu gehen … also am 8, Sept. nicht in Wien oder krank zu sein“. Coudenhove wäre nach diesem Termin bis Weihnachten in Asien und danach „sind diese Wellen wieder geglättet. Man muss Graf Coudenhove mit seinen Eigenheiten kennen“. Statutarisch könnte Coudenhove „Sie sowieso nicht absetzen und daher kann nichts geschehen, wenn keine derartige Aussprache stattfindet“.
Ebenfalls noch im August 1967 gab es für die PEU Österreich, als Folge der „Osttirol-Berichterstattung“ neue Schwierigkeiten und zwar in der Frage des Paneuropa – Büros in der Renngasse 5. Von Staatssekretär Dr. Gruber erhielt Milkovics die Information, dass Bundeskanzler Klaus „Angst habe“, die Sozialisten könnten eine parlamentarische Anfrage stellen, mit welchem Recht die Paneuropa Union Österreich in einem Gebäude des Bundeskanzleramtes ein Stockwerk als Büro erhalten hätte. Milkovics musste sich in einem persönlichen Gespräch mit dem Staatssekretär gegen den Vorwurf verteidigen, die Büroräume der PEU als „monarchistische Propagandazentrale“ zu benützen.
Im September 1967 ist dann der sozialistische Vizepräsident der Paneuropa Union Österreich, NR Dr. Koref aus der PEU-Ö ausgeschieden. Es wäre dies eine Reaktion auf die „einsame Entscheidung“ von Richard Coudenhove Kalergi gewesen, Otto von Habsburg als seinen künftigen Nachfolger als Präsident der Internationalen Paneuropa Bewegung zu designieren. Diese Vorgangsweise des Grafen Coudenhove dürfte nach Ansicht von Lacy Milkovics auch Dr. Heinrich Drimmel bewogen haben, als Präsident der Paneuropa Union Österreich zurückzutreten. Die „monarchistische Berichterstattung“ im Sommer könnte jedoch wohl auch zu diesem Schritt beigetragen haben.
Anfang Oktober 1967 - ein Jahr nach dem Kongress – hatte PEU-Ö Präsident Dr. Drimmel bei einer Budgetsitzung mit dem PEU-Schatzmeister Dr. Gießrigl und Milkovics ein mögliches Rücktritt-Schreiben an Richard Coudenhove Kalergi angekündigt und nannte intern dafür „die sehr unschöne finanzielle Vorgangsweise des Grafen in Österreich“ (Brief Milkovics an Otto von Habsburg am 20. Oktober 1967). Das Schreiben wurde, so vermutet Milkovics, durch eine Indiskretion des geschäftsführenden Vizepräsidenten Leignitz vorzeitig bekannt – noch bevor es Coudenhove erhalten hatte. Drimmel wollte zu den Gründen für seinen doch überraschenden Rücktritt dazu in der Öffentlichkeit nicht Stellung nehmen, betonte allerdings gegenüber der „Wochenpresse“, dass sich sein Schreiben nicht gegen Dr. Habsburg gerichtet habe.
Für die Übergangszeit zur nicht ganz einfachen Suche nach einem neuen Präsidenten war als geschäftsführender Vizepräsident der Wiener Journalist Johannes Eidlitz vorgesehen. Der sozialistische Vizepräsident Dr. Thierring blieb „nach wie vor eisern im Vorstand“. Das war für Generalsekretär Milkovics „insofern wichtig, als ja er und nicht Dr. Koref seinerzeit von Dr. Pittermann in die Paneuropa Union beordert wurde“.
Am 23. November 1967 findet sich in einem Brief von Otto von Habsburg an Lacy Milkovics eine abschließende Mitteilung zu dem Geschehen. „Coudenhove hat an Drimmel geschrieben, dass er die Paneuropa Union Österreich auflöse. Ich werde ihm schreiben, dass er dies einfach legal nicht tun kann.“ Es bestehe - so Otto - kein Grund für eine „Panikreaktion“. „Coudenhove hat seinerzeit schon auch einmal die Belgier aufgelöst, von den Deutschen ganz zu schweigen. Es ist nie etwas daraus geworden. Also bitte auch in Ihrem Fall die Sache nicht ernst nehmen“, so Otto von Habsburg in diesem Brief.
Paneuropa Union Österreich – eine aktive Zeit
Am 13. März 1968 gab es auf Einladung des Abtes im Stift Göttweig einen Vortrag von Otto von Habsburg vor einem namentlich eingeladenen Publikum mit Botschaftern, Konsuln, Unternehmern, Generaldirektoren und rund zwanzig führenden Journalisten des Landes. AÖE und PEU waren in die Vorbereitung des Veranstaltung eingebunden und „zogen an einem Strang“. Für diese Schicht der Meinungsbildner in Österreich war dieses Zusammentreffen mit Otto von Habsburg dreißig Jahre nach Hitlers Einmarsch in Österreich ein beeindruckendes „Kontrastprogramm“ zur Berichterstattung über den Auftritt von Otto im vorangegangenen Juli in Osttirol.
Der Aktuelle Dienst Fernsehen brachte Berichte über Göttweig und ein Interview, ebenso der Rundfunk. In allen Zeitungen wurde über den Vortrag groß berichtet. Chefredakteur Alphons Dalma - ein persönlicher Bekannter von Otto schon aus früherer Zeit - gratulierte Milkovics in einem Telefonat zu dieser großartigen Europa-Veranstaltung und erzählte ihm, dass Chefredakteur Franz Kreuzer – ein bekannter sozialistischer Publizist – ihm gesagt hätte, es sei ihm unverständlich, dass er durch so lange Zeit hindurch gegenüber Dr. Habsburg derart unobjektiv Stellung beziehen konnte.
Die Suche nach einem neuen Präsidenten für die Paneuropa Union Österreich war tatsächlich langwierig und nicht einfach. Zweimal gab es Zusagen von bekannten Wiener Persönlichkeiten und beide Male wurden diese Zusagen im letzten Augenblick zurückgezogen. Im Sommer 1968 schaltete sich dann wieder Richard Coudenhove Kalergi ein. Es schlug einen bekannten Mann aus der Kulturszene als neuen PEU Ö – Präsidenten vor, nahm aber zur Kenntnis, dass diese Persönlichkeit nicht unumstritten war. Im August 1968 teilte Milkovics in einem Schreiben Otto von Habsburg mit, dass die Paneuropa Union Österreich mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte. Milkovics hätte eine Quelle zur Finanzierung des Sekretariats aufgetan, dass es aber „Graf Coudenhove wieder einmal verstanden hat, mir glatt in Wien das Geld weg zu kassieren. Die einzige große Gefahr, die uns allen blüht, ist seine Absicht, sich demnächst in Wien häuslich niederzulassen. Eine Wohnung hat er sich bereits gemietet…im teuersten Haus von Wien“.
Am 17. August 1968 dann im Zusammenhang mit den Finanzproblemen wieder ein „unfreundlicher“ Brief von Coudenhove an Milkovics. „Weder die Internationale Paneuropa Union noch ich selbst haben die geringsten Verpflichtungen der Paneuropa Union Österreich gegenüber, welche meine verschiedenen Vorschläge einfach ignoriert hat …. Nichtsdestoweniger will ich mich bemühen, mit der Hilfe von Freunden Ihre Schulden zu decken. Dies, weil es im Interesse der Paneuropa Union ist, einen Prozess zu vermeiden und ich außerdem nicht will, dass Sie der Paneuropa Union finanzielle Opfer zu bringen haben, auch wenn dies Ihre eigene Schuld ist“.
Neuer Präsident der Paneuropa Union Österreich wurde schließlich der frühere Handelsminister Otto Mitterer, wegen seines Einsatzes für die mittelständische Wirtschaft oftmals durchaus nicht unfreundlich „Greisslerpapst“ genannt. Unter Mitterer hatte die Paneuropa Union Österreich einige Jahre des Aufbaus der Organisation, des Zulaufs zahlreicher junger Menschen – nicht nur in Wien – und erfolgreicher Veranstaltungen und Aktionen. Dass in dieser Zeit das weiterhin vorhandene Konfliktpotential zwischen Paneuropa Union Österreich und Aktion Österreich Europa kaum zum Tragen kam, mag wohl auch der Tatsache geschuldet sein, dass AÖE-Obmann Lovrek und PEU-Ö Präsident Mitterer schon als Jugendliche gemeinsam Mitglieder in der damaligen Wiener Jugendgruppe der Paneuropa Union gewesen waren.
Bis Ende 1972 gab es für die Paneuropa Union Österreich und Lacy Milkovics vier vorrangige Aufgaben: den organisatorischen Ausbau der PEU Ö mit eigenen Landesgruppen in den Bundesländern, den Aufbau einer schlagkräftigen Jugendorganisation in Form der Neuen Europäischen Generation – „NEG“, den Ausbau der Pressearbeit und die Betreuung von Otto von Habsburg bei seinen zahlreichen öffentlichen Vorträgen (mit Coudenhove gab es „nur“ Gespräche im kleinen Kreis).
Was die Bundesländer betrifft, konnten einige Landeshauptleute und Landesregierungsmitglieder sowie Abgeordnete aller drei damaligen Parlamentsparteien dazu gewonnen werden, in die Präsidien der jeweiligen PEU - Landesorganisationen einzutreten. Ebenso vor allem Wirtschaftstreibende. Mit Otto als Hauptredner gab es mehrere regionale Großveranstaltungen. Dabei zeigte sich die Wichtigkeit, bei der Organisation auf junge ehrenamtliche Mitarbeiter zurückgreifen zu können. Hier entwickelte sich die NEG zu einem Erfolgsmodell.
Otto von Habsburg hatte 1967 in einem Schreiben an Milkovics die Zielrichtung vorgegeben: es brauche junge Menschen, die fähig sind „kontinental zu denken und zu arbeiten“. Die jungen Paneuropäer sollten dazu beitragen, in ihrem eigenen Interesse „Österreich zu einem europäischen Staat zu machen … und in Erfüllung der Tradition ein Organ der Staatspolitik und der Kontinuität im Körper des österreichischen Volkes sein“. Mit diesem „Auftrag“ konnten die meisten Jungen etwas anfangen. Es fanden sich etwa 140 jungen Menschen, nicht nur städtische Bürgerliche und Studenten, sondern auch Mitglieder der Landjugend, die in Rede- und Diskussionsschulungen zu jungen Funktionären ausgebildet wurden. Dazu rund 400 weitere Junge, die bei Veranstaltungen und Aktionen freiwillig mithalfen. Es gab mehrere große NEG-Tagungen, in Strobl am Wolfgangsee, in Frauenberg bei Admont, in St. Georgen am Längsee und in Reichenau an der Rax. Die Tagungen hatten „eine gute Presse“, es wurde einfacher, zusätzlich zum Paneuropa-Vizepräsidenten Referenten zu gewinnen: Publizisten, Wirtschaftsfachleute und schließlich Kardinal König, Otto Mitterer und dann auch Außenminister Kirchschläger.
45 Jahre später hat sich Lacy Milkovics einmal im Freundeskreis erinnert (Zitat aus meiner Erinnerung ca. 2017): ein vereintes Europa war damals für das neutrale Österreich am „Eisernen Vorhang“ reine Utopie. Und es hat ja damals in Österreich gerade einmal zwei ORF Fernsehkanäle gegeben, keine Handys und kein Internet. Wir haben daher versucht, unsere Europa-Vorstellungen mit einer Art „Schneeball-System“ vor allem an die jungen Menschen weiterzugeben. Es hat funktioniert. Viele von ihnen waren dann beim österreichischen EU-Beitritt in den Neunzigerjahren schon an Schaltstellen und sie werden auch heute noch als Ältere aktiv, wenn es darum geht, die zunehmende Europa-Müdigkeit zu bekämpfen.
In der Wiener Wohnung von Lacy Milkovics gab es regelmäßige Treffen mit Vorträgen und Diskussionen – dieser „Jour“ mit bis zu 60 Teilnehmern entwickelte sich de facto zu einem „politischen Salon“. Vortragende waren neben Fachleuten aus verschiedenen Wissensgebieten auch Regierungsmitglieder und Abgeordnete aller drei damaligen Parlamentsparteien.
Ein ab 1967 herausgegebener „Informationsdienst“ – zunächst in hektographierter Form – wurde ausgebaut zur monatlich erscheinenden gedruckten „id“-Europainformation. Beiträge von Otto von Habsburg und Richard Coudenhove Kalergi, sowie zahlreicher Gastkommentatoren wurden immer wieder von anderen Zeitungen zitiert oder übernommen.
Eine von der AÖE im Frühjahr 1971 initiierte Aktion wurde von PEU-Ö und NEG organisatorisch und werbemäßig unterstützt: der „Volksbrief zur Direktwahl der Europa-Abgeordneten“. Es sollte eigene direkt vom Volk gewählte Europa-Abgeordnete geben und damit zweifellos eine Aufwertung des Europarates – damals eine ziemlich utopische Forderung. Dazu kam, dass es 1971 in Österreich noch keine Volksbefragungen gegeben hat. Also auch auf diesem Gebiet ziemliches Neuland: in wenigen Wochen wurden in Österreich rund 55.000 Unterschriften gesammelt, auf vorgedruckten Bögen mussten Name, Adresse und Unterschrift eingetragen werden. Diese Unterschriften wurden dann im Parlament von einer Delegation an Bundeskanzler Kreisky direkt übergeben – auch eine von der breiten Öffentlichkeit durchaus beachtete Aktion.
Schließlich der 4. Mai 1972: Festakt „50 Jahre Paneuropa“ im Wiener Konzerthaus. Coudenhove Kalergi wollte die Feier ursprünglich in Brüssel abhalten, wurde aber von zahlreichen Paneuropäern (darunter dem Vernehmen nach auch Bundeskanzler Kreisky) umgestimmt. Der Festakt wurde gemeinsam von AÖE und PEU, zusammen mit dem internationalen Generalsekretär Pons organisatorisch vorbereitet, ein gemeinsam von Lacy Milkovics und Wolfgang Pav verfasstes Büchlein „50 Jahre Paneuropa“ wurde gedruckt und aufgelegt.
Die historische innenpolitische Dimension des Festaktes war das erste Zusammentreffen des internationalen Paneuropa-Vizepräsidenten Dr. Otto Habsburg mit Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky und damit ein „offizielles“ Ende des sogenannten „Habsburg-Kannibalismus“ (ein vom Journalisten und späteren Grün-Abgeordneten Dr. Günter Nenning geprägter Begriff). Wobei Otto bis knapp vor Beginn der Veranstaltung Zweifel hatte, ob Kreisky wirklich kommen würde. „Glauben sie, dass er kommt? Also ich glaube nicht, dass er kommen wird“ (ein Ohrenzeuge bei der Vorbesprechung).
Doch Coudenhove konnte in einer seiner letzten Reden erklären: „Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind … vor allem gilt mein Dank den beiden Staatsmännern, die durch die Annahme des schweren Ehrenpräsidiums dieser Feier ihre internationale Bedeutung verliehen haben. George Pompidou und Bruno Kreisky. Beide sind unserer Bewegung seit Jahren eng verbunden. Pompidou war unser Vizepräsident nach seinem märchenhaften Aufstieg zum Präsidenten Frankreichs und Bruno Kreisky begann sein so fruchtbar beginnendes Wirken im Rahmen unserer Jugendbewegung“.
Am 5. Mai kam dann der im Nachlass gefundene vorletzte persönliche Brief von Otto von Habsburg an Lacy Milkovics, um ihm „herzlichst für den Erfolg von gestern zu gratulieren und Sie auch zu bitten, meine Glückwünsche Ihren verschiedenen Mitarbeitern zu übermitteln“. Allerdings: bei zwei weitere Fragen (ein Treffen Ottos mit einem hochrangigen Politiker und ein bestimmter Zeitungsartikel) finden sich eindeutige Weisungen: Milkovics möge sich „unverzüglich mit Herrn Lovrek ins Einvernehmen setzen, um mit diesem einvernehmlich vorzugehen“.
Am 27. Juli1972 ist Richard Coudenhove Kalergi gestorben. Im August gab es eine „id“- Sondernummer mit zahlreichen Gastbeiträgen und Würdigungen.
Am 20. September 1972 dann der letzte im Nachlass von Milkovics gefundene persönliche Brief von Otto, um Lacy „vertraulich über den Zustand bei der Paneuropaunion kurz zu verständigen“.
In diesem zeitgeschichtlich interessanten Dokument nennt Otto von Habsburg nach einem ersten Überblick die Situation der Internationalen Paneuropa Union als „finanziell triste“, es bestehe ein unübersichtlicher Schuldenberg, man könne kaum „die persönlichen von den politischen Schulden trennen“. Es hätten sich in Coudenhoves Umgebung „Personen befunden, denen das Wohl Paneuropas zweifellos nicht am Herzen liegt“. Es bestehe die Gefahr, dass diese Personen versuchen könnten „die Paneuropaunion international in einen Bankrott hineinzutreiben“. Ohne den totalen Einsatz von Generalsekretär Vittorio Pons wäre die Internationale Paneuropaunion bereits bankrott.
Er hoffe aber, schrieb Otto von Habsburg, in einigen Monaten mit neuen Mitarbeitern und einer neuen Struktur die Probleme in den Griff zu bekommen. Er werde daher die Wahl des neuen Paneuropa Präsidenten um einige Monate verschieben, um „mit der Frage der Schulden bzw. anderen Problemen fertig zu werden“. Außerdem habe er gehört, dass seine „Wahl als Präsident ziemlich als gesichert gelten kann, … weil einige der ganz maßgebenden Regierungen der EWG mit größtem Nachdruck ihren eigenen Paneuropa-Organisationen die Mitteilung machten, sie wünschten mich als internationalen Präsidenten“. Dies wäre zwar ein bedeutendes Mehr an Arbeit, andererseits aber eine Aufgabe, „der man sich zumindest für wenige Jahre nicht entziehen kann“.
1973 wurde Otto von Habsburg als Nachfolger von Richard Coudenhove Kalergi zum internationalen Präsidenten der Paneuropa Bewegung gewählt. Im Wahlkomitee waren zwei neue Paneuropa-Delegierte aus Österreich: August Lovrek und Dr. Wolfram Bitschnau, beide Funktionäre der Aktion Österreich Europa. Zu dieser Zeit war das Verhältnis zwischen der Paneuropa Union Österreich einerseits und der Aktion Österreich Europa sowie der Internationalen Paneuropa Bewegung bereits hoffnungslos zerrüttet.
Zwanzig Jahre Paneuropa-Streit in Österreich
In der Folge soll nun das Verhältnis von Lacy Milkovics und Paneuropa bis zum Jahr 1997 abgehandelt und beendet werden, ehe noch über weitere Bereiche aus dem Leben von Lacy berichtet wird. Zwanzig Jahre lang gab es in Österreich zwei einander konkurrierende Paneuropa-Organisationen. Die AÖE in der Internationalen Paneuropa Bewegung, später Paneuropabewegung Österreich und ihre Jugendorganisation JES – Junge Europäische Studenteninitiative einerseits und die Paneuropa Union Österreich mit der NEG - Neue europäische Generation. In neueren Publikationen und auch im Internet findet man allerdings nahezu ausschließlich einseitige Informationen über die AÖE / Paneuropabewegung. Beim Jubiläumskongress 2022 – 100 Jahre Paneuropa - im Wiener Haus der Industrie ist der Name Milkovics nicht vorgekommen, der Name eines Mannes, der nahezu 30 Jahre lang in Österreich an vorderster Front in der Öffentlichkeit für Paneuropa gearbeitet hat.
Als ich Ende 2022 nach dem Kongress Lacy davon erzählte, dass zur Geschichte von Paneuropa in Österreich auf der Homepage der Paneuropabewegung nachzulesen wäre, dass diese 1973 aus der Aktion Österreich Europa hervorgegangen sei, die ihrerseits wieder eine Nachfolgeorganisation der MBÖ – Monarchistische Bewegung Österreichs war (womit auch die weiterhin bestehende Nähe von Paneuropa zum Haus Habsburg zu erklären wäre), wurde Lacy kurz zornig: „Warum wird die Paneuropa Union Österreich totgeschwiegen? Und wer bitte hat denn dann den 10. Paneuropa-Kongress im Wiener Konzerthaus 1966 veranstaltet? Vielleicht die Monarchisten, die es ja damals noch als Verein gegeben hat! Und 50 Jahre Paneuropa 1972?“
Noch ein weiterer kurzer Hinweis zu einem Interneterlebnis im Winter 2024: Auf Facebook bin ich dort durch Zufall in eine offensichtliche Fake-Blase geraten. Anfrage einer Nutzerin: „Weiß jemand etwas über den ehemaligen Paneuropa-Generalsekretär Milkovics? Lebt der noch?“ Darauf die Antwort: „Ja, er lebt noch zurückgezogen in Grinzing. Er war aber niemals Paneuropa-Generalsekretär! Das hat er selbst erfunden“. Darauf der Kommentar: „Na sowas, so ein Lauser…“ Das habe ich Lacy allerdings nicht mehr erzählt.
Diese beiden Hinweise habe ich deshalb gegeben, weil der nachfolgende Text in einigen Passagen nicht objektiv ist, sondern – als Kontrast zu verschiedenen Veröffentlichungen – durchaus eine subjektive Sichtweise wiedergeben soll, wie sie wohl Lacy Milkovics erzählen würde, wenn das noch möglich wäre.
Der Bruch erfolgte im November 1972. Die AÖE veranstaltete im Wiener Konzerthaus eine Paneuropa-Kundgebung. Der Erfolg war nicht so wie von der AÖE-Spitze erwartet. Die „Schuld“ wurde vor allem bei der Pressearbeit von Milkovics, sowie bei der PEU und der NEG gesucht und gesehen. Kaum Vorankündigungen und wenig Niederschlag in der Presse, nur wenige PEU- und NEG-Mitglieder anwesend. Zwar hatte sich Milkovics zwei Wochen lang redlich bemüht, aber – so seine Rechtfertigung - „zwischen den Interessen des Veranstalters und einer Zeitung sind eben gewaltige Unterschiede“. In einem Brief an Otto von Habsburg am 10. November 1972 schreibt Milkovics: “Für Minister Mitterer und viele Paneuropäer war es unverständlich, warum man nach dem großen Erfolg im Mai diese Veranstaltung durchgeführt hat“.
Intern war es aber in der PEU und NEG für viele klar: die Aktion Österreich Europa wollte unter dem Titel „Paneuropa-Kundgebung“ eine Geburtstagsfeier zum 60. Geburtstag „Seiner Kaiserlichen Hoheit“ veranstalten. Da wollten doch einige – vor allem Junge – nicht wirklich aktiv mitmachen und für die Presse war es halt einer von zahlreichen Otto-Vorträgen ohne große Newserwartung.
Dass bei anderer Gelegenheit der internationale PEU Sekretär Pons in Wien einen Vortrag halten sollte, ohne zuvor den österreichischen Präsidenten zu informieren und dass Otto von Habsburg in einem Brief an Mitterer diesem („erbsenzählend“) vorrechnete, dass die AÖE mehr Mitglieder hätte als die PEU, trug nicht zur Verbesserung der Stimmung bei.
Dann wird Milkovics in im Brief vom 10. 11. deutlich: er versuche die Paneuropa Union Österreich „unter größtem psychischen Druck von Seiten einiger unserer Herren am Leben zu erhalten, damit Sie eine n e u t r a l e Plattform haben“ und nicht „zur Austragung persönlicher Animositäten“. Es würde schon länger gegen die PEU, gegen die NEG und „insbesondere gegen mich in unseren eigenen Reihen Stimmung gemacht … Es gibt in Ihrer Umgebung Menschen, die Sie als ihr persönliches Monopol betrachten und geradezu eifersüchtig darüber wachen, dass eine andere Person nicht mehr in den Genuss Ihrer Gunst kommt.“ So habe er zum Beispiel – als Pressereferent – im letzten halben Jahr keine Informationen mehr erhalten außer jenen, die er direkt von Otto von Habsburg bekommen habe. „Sie haben meiner Meinung nach und bitte nehmen Sie mir das nicht übel, wenn ich es offen sage, zu viele Agenden in die Hand eines einzelnen Menschen gelegt …. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie über bestimmte Vorgänge, auch interner Natur, sehr falsch informiert sind“. Soweit die „Abrechnung“ von Lacy Milkovics mit dem AÖE-Obmann und späteren Präsidenten der Paneuropa Bewegung Österreich, August Lovrek. Dass Lacy an seinen „Brot-Herrn“ derart deutliche Worte gerichtet hat, mag viele überraschen. Dass er diese Auseinandersetzung mit dem langjährigen Wegbegleiter Ottos nicht gewinnen konnte, war jedoch klar.
Milkovics verwies dann auch noch auf die große Zahl von jungen Aktivisten, die er für die NEG gewinnen konnte und auf die Optik, die von diesen im Gegensatz zur AÖE ausginge: „In publizistischen und auch politischen Kreisen ist man erstaunt darüber, dass Sie so viele junge Mitarbeiter in Wien haben“, während die Parteien mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hätten. Dass in der Steiermark „bestimmte Kreise, mit Wissen einiger Herren“ die NEG-Landesgruppe von der Bundesorganisation abgespalten haben, war für ihn eine große Enttäuschung, so Milkovics an Otto von Habsburg, „da ich mir ja erwartet hätte, dass Sie einen Mann, der seit seinem 14. Lebensjahr, also jetzt 18 Jahre, nichts anderes getan hat, als für Ihre Zielsetzungen zu arbeiten, wenigstens nachher fragen, was der wirkliche Grund für diese Abspaltung war…“
Mit dieser NEG - „Abspaltung“ in der Steiermark wurde übrigens der Grundstein für die „JES“ gelegt, ihr Mentor war der Otto-Neffe und spätere ÖVP-Abgeordnete Vinzenz Liechtenstein.
Seinen offenbar letzten persönlichen Brief an Otto von Habsburg beendet Lacy Milkovics mit dem Hinweis, dass es leider in Ottos Nähe Funktionäre gäbe, die nicht erkannt hätten, „dass man heute nicht mehr im politischen Stil der Zwischenkriegszeit agieren kann. Wenn ich Ihnen das so offen schreibe, dann spricht hier nicht der Pressereferent, sondern ein Funktionär, der eben die Verhältnisse seit seiner Kindheit kennt und trotz aller Schwierigkeiten zur Fahne hält. Ich würde mich freuen, wenn sie nur die wenigen Punkte, die ich hier angedeutet habe, überdenken wollten.“
Zufall oder Absicht? Der Brief endet nicht mehr mit der bei Lacy üblichen Formulierung „In aufrichtiger Treue“, sondern erstmals mit „In aufrichtiger Ergebenheit“.
Soweit aus den Unterlagen ersichtlich, wurde das Arbeitsverhältnis von Lacy Milkovics als Pressereferent von Otto von Habsburg im Jahr 1973 beendet. In einem „Stern“-Interview vier Jahre später meinte Milkovics: „Ich war das früh ergraute Kindermädchen eines Herrn mit großer Vergangenheit“.
Was die Paneuropa Bewegung in Österreich betrifft, sind bis 1991 Animositäten, Sticheleien, aber auch heftigere und öffentliche Auseinandersetzungen geblieben. Ab Sommer 1973 war die AÖE laut Eigendefinition in ihrem Organ „Aktiv“ „… die österreichische Sektion der internationalen Paneuropa Union“. Am 4. Oktober 1973 wurde in einer Vorstandssitzung der Paneuropa Union Österreich intensiv über „die Abgrenzung zu den Monarchisten“ diskutiert. Vizepräsident Johannes Eidlitz versuchte Brücken zu bauen. Otto habe zwar verzichtet. Aber man könne seinen „in der AÖE organisierten hauptsächlich älteren Anhängern keinesfalls den Mund oder das Herz verbieten“. Präsident Mitterer forderte jedoch eine Klarstellung. Er hätte sich früher für die Rückkehr von Otto von Habsburg eingesetzt, sei aber kein Monarchist. Er wolle „als öffentlicher Mandatar keinesfalls in den Ruf kommen, mit den Monarchisten identisch zu sein… Habsburg habe zwar verzichtet, es sind jetzt aber immer noch die alten monarchistischen Spitzenfunktionäre in der AÖE am Ruder…. Wenn Lovrek unter dem Namen PEU Äußerungen tut, fallen diese letztlich mir auf den Kopf“. Es sollte mit der AÖE ein „modus vivendi“ erreicht werden, der es beiden Organisationen erlaube, für das gemeinsame Ziel zu arbeiten - aber ohne Verwechslungsgefahr. Milkovics “Otto ja, AÖE nein!“
Der Streit weitete sich auch auf eine zweite Ebene aus: in den Augen der überparteilichen Paneuropa Union Österreich bekam „Ottos“ Paneuropabewegung eine zunehmend streng-konservativ-christliche Ausrichtung. Der bekennende Monarchist und praktizierende Katholik Lacy Milkovics: Otto habe „ein gestörtes Verhältnis zur Realität, er ist politisch weit nach rechts gewandert und hat so die Prinzipien der Paneuropa-Union verlassen“.
Auch von Otto von Habsburg selbst kamen Sticheleien: die Jour fixe-Veranstaltungen in der Wiedner Hauptstraße, dem Sitz der PEU-Ö, bezeichnete er in einem Presseartikel als „eine unbedeutende Tischrunde“. 1975 waren Vortragende bei dieser „Tischrunde“ u.a. Bundeskanzler Kreisky, ÖVP-Obmann Taus und der Grazer FPÖ-Bürgermeister Götz. Dass Otto von Habsburg Doppelstaatsbürger wurde, um dann 1979 auf einem CSU-Mandat Europa-Abgeordneter zu werden, war für Milkovics „eine persönliche Kränkung. Tag und Nacht bin ich gerannt, damit Habsburg mit einem österreichischen Pass einreisen kann. Und jetzt das!“
Milkovics forderte den Rücktritt von Otto von Habsburg als Präsident der internationalen Paneuropa Bewegung. Der Nachfolger von Otto Mitterer als neuer Präsident der Paneuropa-Union Österreich, Dr. Josef Taus, wusste allerdings nichts von dieser Forderung seines Generalsekretärs, reagierte zurückhaltend und stellte Sachthemen in den Vordergrund. Im Februar 1977 verlangte Taus eine Aufwertung des Europarates: das Recht für bindende Beschlüsse in wichtigen gesamteuropäischen Fragen, den Aufbau eines gemeinsamen europäischen Schulsystems und die Schaffung eines einheitlichen europäischen Reisedokuments.
Doch auch der „Konkurrenzkampf mit der anderen Paneuropa Bewegung“ ging weiter: als Gegengewicht zum regelmäßigen Organ „Österreich konservativ“ wurde von Lacy Milkovics als Herausgeber im August 1977 die Zeitschrift „PANEUROPA“ wieder-gegründet. Sie war das Organ von Richard Coudenhove Kalergi vor dem Zweiten Weltkrieg. Beiträge in der ersten Nummer kamen von Bundespräsident Dr. Rudolf Kirchschläger, Bundeskanzler Dr. Kreisky, Dr. Taus und Kardinal Dr. Franz König. „Paneuropa“ erscheint auch heute noch.
In einer Vorstandssitzung der PEU-Ö im November 1978 ersuchte Dr. Taus wegen Arbeitsüberlastung angesichts des bevorstehenden Wahljahres General Gustav Habermann interimistisch die Geschäftsführung der PEU zu übernehmen. Ein Antrag, der Vorstand möge im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit den Monarchisten dem Generalsekretär Milkovics seinen Dank für dessen Arbeit aussprechen, wurde einstimmig angenommen. In der Sitzung wurde der Wirtschaftstreibende Andreas Sternbach zum Schatzmeister gewählt. Sternbach folgte im März 1982 Dr. Taus als Präsident der Paneuropa Union Österreich nach.
Im Oktober 1982 dann der letzte größere öffentliche Konflikt: für die Feiern „60 Jahre Paneuropa“ in Klosterneuburg und Wien mit Dr. Otto Habsburg-Lothringen hatte Bundespräsident Dr. Kirchschläger den Ehrenschutz übernommen. Generalsekretär Dr. Pons hatte im Namen der Internationalen Paneuropa Union darum in Wien angesucht. In den Augen der Paneuropa Union Österreich wurde damit der Bundespräsident aber „vermutlich getäuscht“, weil er damit den Ehrenschutz für eine Veranstaltung „der monarchistischen Nachfolgeorganisation“ übernommen hatte. In einer umfangreichen Dokumentation an alle Zeitungsredaktionen wurden dazu von der PEU- Ö „Hintergrundinformationen“ gegeben: Begrüßung durch Erich Feigl, Bundesobmann der AÖE und Autor des Buches über Kaiserin Zita, Abschlussredner der langjährige Monarchisten-Chef und AÖE-Obmann August Lovrek. Die Publikation der Internationalen Paneuropa Union, „O.K.“, zeige auf ihrer Titelseite die Bilder von Kaiserin Zita und Kaiser Karl und habe in ihrer letzten Ausgabe den 18. August (Geburtstag von Kaiser Franz Joseph) zum „Geburtstag Europas“ ausgerufen. Es gehe der Paneuropa Union Österreich nicht darum die Veranstaltung zu stören oder den Bundespräsidenten zu desavouieren, sondern den Namen Paneuropa im Sinnes seines Gründers Coudenhove Kalergi zu schützen.
Aus heutiger Sicht muss man sagen: damals ein letztes Aufbäumen, den „Alleinvertretungsanspruch“ der Paneuropa Union Österreich zu erhalten – gegen den Internationalen Präsidenten der Paneuropaunion und Europaabgeordneten Otto Habsburg. Noch dazu wusste man in den meisten Redaktionen sehr genau, dass der bekannte Filmemacher und Publizist Erich Feigl und Lacy Milkovics jahrzehntelange enge Freunde waren.
Für die beiden Paneuropa Organisationen in Österreich unter den Präsidenten Sternbach und Feigl-Nachfolger Karl Habsburg-Lothringen trat nun eine Dekade der Beruhigung und der Wiederaufnahme persönlicher Kontakte ein. In den „Kärntner Nachrichten“ vom 6. August 1987 gibt es ein Foto von einem Treffen zwischen FPÖ-Chef Jörg Haider, Karl Habsburg-Lothringen und Lacy Milkovics zur Vorbereitung der kommenden „Weissensee-Gespräche“ über die Zukunft Europas.
Und am 19. April 1988 bestätigte die Vereinsbehörde folgenden neuen Vorstand der „Paneuropa-Union Österreich“: Präsident Andreas Sternbach; Vizepräsidenten u.a.: Prof. Erich Feigl; Karl Habsburg-Lothringen; Dr. Jörg Haider; NR Dr. Otto Keimel; Generalsekretär: Lacy Milkovics; Schriftführer: Bez. Rat Franz Karl Auersperg ... Im Vorstand langjährige Vertreter der beiden „Konkurrenz-Organisationen“ (Dr. Krones, Dr. Vincenz Liechtenstein; Rainer Lustig-Leignitz), Vertreter von NEG und JES … eine interessante und durchaus gelungene Mischung „aus beiden Welten“.
Nach dieser „inneren Befriedung“ gab es dann das „historische Ereignis“ am 19, August 1989 – das paneuropäische Picknick in Sopron am Ort des „Eisernen Vorhangs“. Schirmherren der Veranstaltung waren der Abgeordnete zum Europa Parlament Dr. Otto Habsburg und der ungarische Staatsminister Imre Pozsgay. Jeder Teilnehmer durfte sich ein „zertifiziertes Stück“ des abgerissenen Grenzzaunes mit nach Hause nehmen – und Hunderte DDR-Bürger „spazierten“ durch das Loch im Eisernen Vorhang in die Freiheit nach Österreich.
Es vergingen dann noch zwei Jahre, bis die beiden österreichischen Paneuropa -Präsidenten Andreas Sternbach und Karl Habsburg-Lothringen zur Vereinigung der Paneuropa-Gruppen in Österreich aufrufen konnten. Ein gemeinsames Papier der beiden Generalsekretäre Wolfgang Krones und Lacy Milkovics besiegelte den Friedensschluss: Es „besteht nun kein Grund mehr für eine Absplitterung der verschiedenen paneuropäischen Organisationen, die auf dem Gebiet der Republik Österreich tätig sind“. Nach dem Tod von Richard Coudenhove Kalergi habe es Meinungsverschiedenheiten über die Schwerpunkte der künftigen Arbeit gegeben, die Paneuropa-Vereine hätten aber dennoch auf getrennten Wegen für das gemeinsame Ziel Europa gearbeitet.
Mit dem Stichtag 18. Oktober 1992 – dem siebzigjährigen Jubiläum Paneuropas – gab und gibt es in Österreich wieder nur eine Paneuropa-Organisation. In der neuen PEU hatten „alle“ Platz: Präsident Karl Habsburg-Lothringen, Vizepräsidenten Prof. Erich Feigl, Dipl. Vw. Hans Hofer, Lacy Milkovics und Carl-Albrecht Waldstein. Generalsekretär Dr. Wolfgang Krones, Gen. Sekr. Stellv. Franz Karl Auersperg; im Vorstand u.a. Dr. Haider (FPÖ), Dr. Jankowitsch (SPÖ), Dr. König (ÖVP)…
Die vielen Verletzungen dieser 25 Jahre haben aber bei Lacy Milkovics zahlreiche Narben hinterlassen. So ist es wohl zu verstehen, dass ein tieferer persönlicher Kontakt über eine professionelle Zusammenarbeit hinaus mit dem „Haus Habsburg“ wohl nicht mehr möglich war. 1989 nach dem Begräbnis von Kaiserin Zita dann deutliche Kritik von Lacy Milkovics an Karl Habsburg – oder zumindest an seinen Mitarbeitern in der Prinz Eugenstraße (dort in den ehemaligen Räumen der Monarchistischen Bewegung war zu dieser Zeit noch immer das Paneuropa-Büro). Für die Begräbnisfeiern war ein überparteiliches und überkonfessionelles Komitee gegründet worden. Ein Teil der Namens- und Adresslisten kam von Lacy Milkovics und Karl gab Lacy sein „persönliches Ehrenwort, dass diese Listen … nur für dieses Ereignis verwendet würden. Seit etwa zwei Monaten“ so schreibt Milkovics am 6.11. 1989 an Karl Habsburg „vergeht kein Tag, an dem nicht Mitglieder des Komitees – darunter sozialistische Funktionäre – ihrem Befremden darüber Ausdruck geben, dass sie unerwünscht in regelmäßigen
Abständen Zusendungen der Prinz Eugenstraße erhalten“. Er könne sich nicht vorstellen, dass dieser Adressenmissbrauch mit Wissen von Karl geschehe, schreibt Lacy Milkovics und deutet damit erstmals indirekt an, dass Karl Habsburg das Generalsekretariat der PEU nicht im Griff habe.
Im Jahr 1993 war aus den „beiden Paneuropa-Welten“ kaum noch etwas übrig: weder im Präsidium der Paneuropabewegung Österreich noch in der Bundesleitung finden sich im November 1993 noch Vertreter der politischen Parteien - und von der ehemaligen Paneuropa Union Österreich gibt es in der Bundesleitung nur noch zwei „kooptierte“ Mitglieder: Lacy Milkovics und Franz K. Auersperg. Da beide bei der Jahreshauptversammlung am 6. 11. nicht als „entschuldigt“ vermerkt waren, wird es dabei wohl nochmals zu einem persönlichen Zusammentreffen mit dem anwesenden Otto von Habsburg gekommen sein. Entschuldigt war Dr. Krones. Nach dem Hinweis von Karl Habsburg-Lothringen, dass „der Generalsekretär auf Grund seiner neuen beruflichen Tätigkeit stark überlastet ist“, wurde ein zweiter Generalsekretär kooptiert.
Im Oktober 1997 erklärte Lacy Milkovics in einem Brief an Karl Habsburg-Lothringen seinen Austritt aus der Paneuropa-Union Österreich – und kam damit dem formalen Ausschluss am 23. November wegen „vereinsschädigenden Verhaltens“ zuvor. Auslöser für den Austritt war der 1996 bekannt gewordene „World-Vision-Spendenskandal“. Paneuropa-Generalsekretär Wolfgang Krones und seine Frau Martina Taurer-Krones wurden 2004 rechtskräftig dafür verurteilt, Spenden des Hilfswerkes zu Paneuropa umgeleitet und zum Teil auch für den EU-Wahlkampf von Karl Habsburg verwendet zu haben. Für Lacy Milkovics die Bestätigung für seine Ansicht, dass Präsident Karl Habsburg seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sei. Krones habe völlig selbstherrlich agieren können und aus einer Bewegung zur Einigung Europas einen Monarchisten-Verein gemacht, so Milkovics.
Ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus der Paneuropa-Union hat dann Lacy in einem Interview mit der „Presse“ (3. Dezember 1998) nochmals „nachgelegt“ und in überaus untergriffiger Weise den endgültigen Bruch mit dem Haus Habsburg herbeigeführt. „Mit solchen Leuten will ich nichts mehr zu tun haben“, so Milkovics. „Ich geniere mich, mit Paneuropa jetzt identifiziert zu werden“.
Und dann die „persönliche Abrechnung“ mit Karl Habsburg-Lothringen (vielleicht begründet auch durch die zahlreichen Verwundungen durch „das Haus“): „Karl Habsburg war politisch und organisatorisch total von Krones abhängig“. Und „Karl Habsburg ist liebenswürdig und gutmütig, aber er ist nicht berührt von der Muse der Intelligenz“.
Leider habe ich nicht mehr erfahren können, ob Lacy fünfundzwanzig Jahre später noch immer diese zwar elegante, aber dennoch beleidigende Formulierung verwendet hätte.
Lacy Milkovics und die Lions
„Man geht nicht zu den Lions und sagt: Ich möchte Mitglied werden, sondern es ist umgekehrt: Die Lions holen sich ihre Leute“ Dieses Zitat von Adolf Lacy Milkovics, zu dieser Zeit „Pressesprecher der österreichischen Lions“, findet sich am 14. November 1984 in einem Report von Reinald Hübl in der „Kronenzeitung“.
Lacy wusste, wovon er sprach und hat mir noch Anfang 2024 – wenn auch nicht mehr ins Mikrofon -die folgende Geschichte erzählt: Dr. Peter Schmautzer, langjähriger Freund aus der Paneuropa Union – und Gründungsmitglied des Lions Clubs Wien Marc Aurel – hatte ihn eines Tages ins Wiener Hotel Intercont mitgenommen. Er ließ ihn einige Zeit im Caffe warten und kam dann mit einigen Herren zurück. Lacy Milkovics wurde in einen Saal gebeten und dort wurde ihm mitgeteilt, dass die Mitglieder des Lions Clubs Marc Aurel nach einer entsprechenden Abstimmung beschlossen hätten, ihn in den Lions-Club aufzunehmen. Peter Schmautzer hat mir später dann den Hintergrund erzählt: im LC Marc Aurel war die Idee geboren worden, eine eigene Lions-Zeitung herauszubringen und Peter hatte erklärt, er wüsste jemanden, der das bewerkstelligen könnte. So kam Lacy zu den Lions und die Basis für die spätere „Austria Lion“ war gelegt.
Anfang 1979 war Lacy Milkovics bereits als „Gesamtdistrictsbeauftragter“ bei verschiedenen Lions Clubs unterwegs, um über die beabsichtigte Herausgabe der Lionszeitung und die dafür erwünschte Mitarbeit der Clubs zu informieren. „Austria Lion“ war mit einer Auflage von 6.000 Stück geplant und sollte 6x jährlich per Postversand an alle Lions des GD 114 Österreich gehen. Es sollte keine reine Clubnachrichten-Zeitung sein, sondern auch die Lions-Idee an eine breitere Öffentlichkeit heranbringen. Bis 1981 war es z.B. gelungen, den Austria Lion in verschiedenen Ministerien auflegen zu lassen. Zitat Milkovics: „Wir kommen nicht als Bittsteller, sondern wir vertreten die Anliegen anderer und haben etwas zu bieten. Nur Gutes tun und nicht darüber zu reden, viertelt geradezu den Effekt jeder Arbeit, auch der Arbeit am Nächsten im Dienst der Öffentlichkeit“.
Neben der Arbeit für Austria Lion war Milkovics in diesen Jahren bei zahlreichen Lions Clubs mit Medienseminaren im Einsatz. Und im Bereich der einzelnen Club-PR-Beauftragten sprach er sich vehement gegen die bei Lions übliche jährliche Rotation der Funktionen aus: für den guten Kontakt mit den Medien wäre Kontinuität bei den Club-PR-Beauftragten besonders wichtig.
Mitte der Achtzigerjahre gab es einen eigenen „Lions Clubs International Pressedienst“ (mit Sitz an der bekannten Adresse in der Wiedner Hauptstraße), der sowohl den Niederschlag verschiedener Lion-Aktionen in den österreichischen Medien dokumentierte als auch für Lions Stellungnahmen Verwendung fand. Zu einer für die Lions überaus seltenen politischen Auseinandersetzung kam es im Jänner 1985 im Zusammenhang mit der Rückkehr von Major Reder nach Österreich. Sowohl in Kärnten als auch in Tirol wurden Major-Reder-Hilfsvereine gegründet. In Tirol bediente sich dabei Monsignore Albuin Jordan für seine Spendenaufrufe des Lions-Clubs Zirl-Fragenstein. Lions-Sprecher Milkovics dazu: “Wir haben darauf im Einzelfall keinen Einfluss, aber diese Vorgangsweise steht nicht im Einklang mit den Interessen und Intentionen der Lions“.
Vor allem versuchte Lacy Milkovics damals aber das positive Lions-Bild in die Öffentlichkeit zu bringen: „Das Ziel heißt Menschen zu helfen, die durch das Sozialnetz gefallen sind. Was mich am meisten fasziniert bei den Lions ist, dass hier Menschen, die im Beruf sehr stark im Stress stehen Zeit finden, füreinander da zu sein und anderen zu helfen“. Ein besonderes Plus bei den Lions wäre auch, dass die Clubs nicht nur regional, sondern auch international freundschaftliche Kontakte pflegen. Viele österreichische Clubs hätten in Deutschland oder Frankreich einen Freundschaftsclub und es entstünden “über alle historischen Ressentiments hinweg tiefe Freundschaften“.
Exakt in diesem Bereich wurde Lacy Milkovics in den Jahren 1989 und 1990 nochmals aktiv und aus seiner Sicht war es wohl das bedeutendste Ereignis in seinem „Lions-Leben“: er war als „Guiding Lion“ an der Gründung des „Lionsky Klub Praha – Orel“ maßgeblich beteiligt – des ersten Lions Clubs im ehemals kommunistischen Ostblock. Darüber hat er mehrmals mit Stolz erzählt und ich versuche das im Folgenden zusammen zu fassen.
Der Anstoß für die Lions-Club-Gründung wäre – so Lacy Milkovics – in einem Zusammenspiel des langjährigen Prager Kardinals Tomasek und des bereits emeritierten Wiener Erzbischofs Kardinal König erfolgt. Tomasek war trotz seiner bereits 90 Jahre noch aktiv an der „sanften Revolution“ zum Ende des Kommunismus beteiligt und hielt eine Neuausrichtung der Zivilgesellschaft abseits der politischen Parteien für notwendig. Er kannte Lacy Milkovics schon seit mehr als 20 Jahren, war offenbar über seine Tätigkeit im Rahmen der österreichischen Lions gut informiert und ließ durch einen Mitarbeiter bei Milkovics informell anfragen, ob dieser einigen Prager Persönlichkeiten bei einer möglichen Lions-Gründung helfen könnte.
Und es war sicherlich kein Zufall, dass der spätere Gründungspräsident Dr. Bartak eine Einladung nach Wien zu Kardinal König erhielt. Der Kardinal machte ihn bei diesem Treffen mit dem Internationalen Lions-Präsidenten William Woolard bekannt, der genau zu diesem Zweck ebenfalls nach Wien eingeladen war. Bartak berichtete später: Der Kardinal hätte für ihn „die Garantie übernommen und ihn als künftigen Gründer für den ersten Lions Club in der freien Tschechoslowakei empfohlen“. Woolard gab danach bei einem Dinner im Intercont sein OK. für den künftigen Lions-Club „Orel“ – Adler, als Symbol der Freiheit und die anwesenden österreichischen Lions sagten Hilfe bei der Gründung zu: Governor Ernst Alois Musil, der internationale Direktor Dr. Hoffmann und – wie Bartak besonders hervorhob – Adolf Lacy Milkovics.
Zur Wertschätzung von Kardinal König für die Lions eine kleine Anmerkung: zu dieser Zeit – am 6. Oktober 1989 – war der Kardinal Gastredner bei der Charter Night von Lions-Club Wien Ambassador. Neben der „persönlichen Sympathie für die sehr diskrete, aber wirkungsvolle Art, sich um mehr Nächstenliebe in unserer oft sehr kalten, egoistischen und selbstsüchtigen Welt zu bemühen“ gab es Lob vom Kardinal dafür, dass „entgegen den bisherigen Gewohnheiten nun zum ersten Mal auch Damen an der Tätigkeit der Lions-Clubs in diesem Lande teilnehmen können“.
Auch der Prager Club Orel wurde am 28. April 1990 „aus praktischen Gründen“ als gemischter Lions-Club gegründet. Zuvor waren alle „geeigneten Aspiranten“ von „unseren österreichischen Freunden besucht“ worden. Die Österreicher überwiesen „die nicht geringe Gründungsgebühr in die USA“ und am 8. September 1990 war die Charter Night im Prager Hotel President. Vom tschechoslowakischen Präsidenten Vaclav Havel gab es eine Grußbotschaft, ebenso von Kardinal Frantisek Tomasek.
„Die vergangenen Jahrzehnte haben nicht nur eine am Boden liegende Wirtschaft und vernichtete Natur hinterlassen, sondern auch eine angegriffene Seele“. Tomasek lade daher zu einer Dekade der geistlichen Erneuerung des Volkes ein, „nicht nur unsere Gläubigen, sondern alle Menschen guten Willens. Bringen wir wieder grundlegende moralische Werte ins alltägliche Leben, in die Kultur, die Wirtschaft und Politik“.
In der Festschrift zum 10-jährigen Bestehen von Lionsky Klub Praha – Orel sind dem Guiding Lion vom Lions-Club Wien Marc Aurel, Adolf Lacy Milkovics, drei Fotos gewidmet, eines davon zeigt ihn beim Empfang an der Seite „seines“ Kardinals Tomasek.
In späteren Jahren wurde Lacy zwar dem Lions-Club Marc Aurel „untreu“ – nicht aber den Lions. Im Clubjahr 2000/2001 finden wir ihn als Mitglied im tschechischen Lions-Club „Jihlava“ (Iglau). Danach im Lions-Club Wien-West. 2008 haben einige Mitglieder den Lons-Club Wien West verlassen, unter ihnen Lacy Milkovics und den Lions-Club Wien Classic gegründet. In diesem - unseren – Club war Lacy bis zuletzt Ehren- und Altersmitglied. Dass bei der 50-Jahr Feier von Marc Aurel die beiden noch anwesenden Gründungsmitglieder Dr. Schmautzer und Dr. Brewi in ihren Festreden die Bedeutung der Arbeit von Lacy Milkovics nicht nur für den Lions-Club Wien Marc Aurel, sondern für die gesamte Lions-Bewegung besonders gewürdigt haben, hat ihn knapp vor seinem Tod noch sehr gefreut.
Lacy Milkovics privat, Chefredakteur, Herausgeber, Verleger und Monarchist
Im privaten Bereich hat es für Lacy Milkovics in der ersten Hälfte der 1970-er Jahre drei „Lebensereignisse“ gegeben: seine Heirat, die Geburt seiner Tochter und seine persönlichen Begegnungen mit dem aus Budapest ins Wiener Exil gekommenen Primas von Ungarn, Kardinal Mindszenty („einer der drei bedeutsamen Kardinäle in meinem Leben“),
Dem ersten Zusammentreffen mit Kardinal Mindszenty war der Wunsch eines ungarisch-stämmigen Freundes vorausgegangen, vom Kardinal getraut zu werden. Lacy war Trauzeuge und hatte offenbar diesen Wunsch an die „richtigen Stellen“ weitergeleitet. Und noch vor der Hochzeit gab es ein erstes Zusammentreffen des Brautpaares und des Trauzeugen mit dem Kardinal „zum kennenlernen“…..
Lacy Milkovics hat im Jänner 1974 Claudia geheiratet. Auch diese Trauung erfolgte durch einen Kardinal: die beiden geben sich ihr „Ja“-Wort vor Kardinal König in der Churhauskapelle. Im Dezember 1974 ist dann Tochter Eva Maria auf die Welt gekommen. Nach fünf Jahren wurde die Ehe 1979 geschieden.
Beruflich ist Lacy Milkovics 1973 in das Verlagswesen eingestiegen und wurde Geschäftsführer bei der Firma Optimus WerbeGmbH. Von 1975 bis 1986 hatte Lacy eine Gewerbeberechtigung für eine Presseagentur und machte sich mit einem Verlag selbständig. Firmensitz war nach wie vor die Wohnung in der Wiedner Hauptstraße. Zugleich erfolgte die Gründung der EMS – Euro Marketing Service, Adolf Lacy Milkovics GmbH. Gesellschafter waren drei persönliche Freunde aus der Paneuropa Union, Geschäftsführer war Lacy. Die GmbH. hatte ihren Sitz in der Alserstraße, vier fixe Angestellte und mehrere freie Mitarbeiter. In den ersten Jahren war der Geschäftsgang positiv, es wurden regelmäßig fünf Zeitungen herausgegeben: „BBK“ (Zeitschrift für Wohnbaufinanzierung des Gemeinnützigen Wohn- und Siedlungswesens),“ Fundament“ (Servicezeitung für individuelles Wohnen der gemeinnützigen Baugenossenschaften „Frieden“, „Österreichisches Siedlungswerk“ und „schönere Zukunft“), Austria Lion, VÖWA-Wirtschaftskurier (Mitteilungen des Verbandes Österreichischer Wirtschaftsakademiker) und Pan-Europa. Dazu kamen verschiedene Firmenpräsentationen. Dann traten Zahlungsschwierigkeiten auf, es kam zu Klagen und schließlich 1983 zum Konkurs der GmbH.
Den Verlag konnte Milkovics noch einige Jahre weiterführen. „Den geschäftlichen Niedergang“, so hat es Lacy später festgehalten „bewirkte letztlich die Herausgabe der Zeitung Campus für die Studenteninitiative JES. Ich hatte damals eingewilligt, diese Zeitschrift aus Gefälligkeit zu verlegen…Die Studenten ließen sodann vier Auflagen dieser Zeitschrift herstellen, jeweils in einer Größenordnung von etwa 100.000 bis 150.000 Stück – im Hinblick auf die ÖH-Wahlen. Wir ließen die Zeitschrift beim Styria-Verlag drucken; über das Finanzielle wollten sich die Studenten mit mir nach der Wahl einigen“. Die Finanzierung der Druckkosten war größtenteils durch Inserate geplant, das hat jedoch nicht funktioniert. Die Folge war eine Flut von Ratenzahlungen und einige Prozesse. Die Verlagstätigkeit hat Lacy Milkovics 1990 aufgegeben.
Im folgenden Jahr finden wir Lacy in einer zwar artverwandten, aber doch überraschenden Funktion: als Verlagsdirektor des „Prager Wochenblatt“ - unabhängige deutschsprachige Wochenzeitung. Die Zeitung wurde im März 1991 gegründet und startete mit wöchentlich 10.000 Stück Auflage. Zielgruppe waren nicht nur die etwa 85.000 tschechoslowakischen Bürger mit deutscher Muttersprache, sondern auch die vielen deutschsprachigen Touristen und - zunehmend – Mitarbeiter ausländischer Unternehmen. Schwerpunktthemen: Nachrichten aus dem Gesellschaftsleben, der Wirtschaft, Kultur und Touristik. Ausdrücklich heraushalten wollte man sich aus polemischer Tagespolitik und der noch immer nicht gänzlich überwundenen deutschen Volksgruppenfrage.
Nach etwa einem Jahr musste das „Prager Wochenblatt“ nicht nur um neue Geldgeber und Inserenten kämpfen, sondern auch mit – nationalistisch-tschechischer - Kritik an einigen Beiträgen über „deutschsprechende tschechische Bürger“. Persönlich hat mir Lacy viele Jahre später erzählt, dass eines Tages zwei Geheimdienstmitarbeiter im Büro in der Parizka 11 in Prag erschienen sind. Sie haben Lacy Milkovics „den guten Rat“ gegeben, unverzüglich seine Tätigkeit in Tschechien zu beenden und abzureisen. Sie hätten Informationen, dass einige „Aktivisten“ die Absicht hätten, in den nächsten Tagen die Eingangstüre der Redaktion mit Ziegelsteinen zuzumauern. Auch wenn Lacy zu dieser Zeit schon einige gute Freunde in Prag gewonnen hatte: er kehrte sofort nach Wien zurück.
Die „historische Wohnung“ in der Wiedner Hauptstraße mit dem Büro der Paneuropa Union Österreich, den zahlreichen hochkarätigen Diskussionsveranstaltungen und zuletzt dem Sitz des Milkovics-Verlages hatte Lacy aufgegeben. Er übersiedelte in eine kleine Wohnung in Grinzing - in die Nachbarwohnung seiner Tochter Eva Maria. Bis zur Pensionierung war Milkovics dann noch publizistisch für eine Wohnbau- und Siedlungsgesellschaft tätig.
Politisch war Lacy in seinen späteren Jahren nicht mehr besonders aktiv: 2006 finden wir ein Foto von ihm in der „Schwarz-Gelben-Allianz“ als Teilnehmer an den Feierlichkeiten zum Kaisergeburtstag in Bad Ischl. Bei dieser Gelegenheit wurde dem langjährigen Freund von Lacy Milkovics, Erich Feigl, die Ehrenmitgliedschaft der Schwarz-Gelben-Allianz überreicht.
Am 4. Juli 2013 habe ich von Lacy einen Telefonanruf erhalten. Er begann das Gespräch mit den Worten „ich bin rückfällig geworden!“ An diesem Tag trat Lacy Milkovics als Moderator einer Pressekonferenz auf, bei der die österreichischen Monarchisten ihre Kandidatur für die kommende Nationalratswahl ankündigten. Als Fernziel wurde dabei ein Bündnis der Donaustaaten unter einer Krone ausgegeben – wobei der Monarch vorzugsweise – aber nicht zwingend – aus dem Haus Habsburg kommen sollte und auch unter bestimmten Voraussetzungen durch eine Volksabstimmung abgesetzt werden könnte. „Es gibt uns wieder“, erklärte Lacy Milkovics, „in einer Zeit wie heute, in der eine monarchistische Bewegung sicherlich Platz greifen könnte“. Und dann sein persönliches Bekenntnis: „Ich bin seit meinem 14. Lebensjahr Teil der monarchistischen Bewegung und werde bis zum letzten Atemzug Monarchist bleiben“.
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Willkommen auf der homepage von Wolfgang Pav.
* 1943, Wien. Mag. et Dr. phil (Geschichte). Historiker, freier Journalist in Wien, Vortragstätigkeit.
Sie können hier - vorwiegend historische - Texte von wissenschaftlichen Arbeiten und Vorträgen aufrufen.
Zur Zeit verfügbar:
Dissertation über Oesterreichs Statthalter in Dalmatien 1906-1911, Nikolaus Nardelli.
Diplomarbeit über die dalmatinischen Abgeordneten im Wiener Reichsrat 1907-1911.
Vortrag über die Katholische Kirche in Oesterreich und ihr Erscheinungsbild in der Oeffentlichkeit Ende des 20.Jahrhunderts.
Eroeffnungsvortrag "Auf neuen Bahnen" beim internationalen Brahms - Musikfest 2007 in Muerzzuschlag.
Der "Roemermonat" als Geld/Leistungseinheit am Beginn der Neuzeit im Heiligen Roemischen Reich.
Der Dalmatien/Kroatienbezug in den Schriften von Paula von Preradovic und Hermann Bahr
Die Kolonen (Kleinbauern) von Split um 1910.
Die nationalsozialistische Jugenderziehung (Forschungsseminar 2007)
Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager (Buch-Analyse)
Briefe aus Dachau (13 Originalbriefe aus dem Konzentrationslager)
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Maennlichkeitskonstruktionen in der FPOe - Freiheitlichen Partei Oesterreichs (Buchanalyse 2005)
Dalmatien 1918 bis 1945 (Vortrag 2008)
Oesterreich und Kroatien: Lernen aus der Geschichte? (Vortrag 2012)
Damit es nicht vergessen wird - Lebenserinnerungen
Lacy Milkovics
Wolfgang Fözö
* 1943, Wien. Mag. et Dr. phil (Geschichte). Historiker, freier Journalist in Wien, Vortragstätigkeit.
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Der "Roemermonat" als Geld/Leistungseinheit am Beginn der Neuzeit im Heiligen Roemischen Reich.
Der Dalmatien/Kroatienbezug in den Schriften von Paula von Preradovic und Hermann Bahr
Die Kolonen (Kleinbauern) von Split um 1910.
Die nationalsozialistische Jugenderziehung (Forschungsseminar 2007)
Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager (Buch-Analyse)
Briefe aus Dachau (13 Originalbriefe aus dem Konzentrationslager)
Das Traditionsverstaendnis in der DDR (Referat)
Der fruehneuzeitliche Amerika-Handel (Referat)
Politische Kriminalitaet im spaeten Zarenreich (Referat)
Maennlichkeitskonstruktionen in der FPOe - Freiheitlichen Partei Oesterreichs (Buchanalyse 2005)
Dalmatien 1918 bis 1945 (Vortrag 2008)
Oesterreich und Kroatien: Lernen aus der Geschichte? (Vortrag 2012)
Damit es nicht vergessen wird - Lebenserinnerungen
Lacy Milkovics
Wolfgang Fözö