Click here to edit.
Katholische Kirche, Politik und Medien in Österreich in den letzten
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
Vortrag gehalten in Graz am 16. September 2010 bei der PRO ORIENTE - Tagung
„Sakralisierung des öffentlichen Raums in Südosteuropa nach 1989“
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
Vortrag gehalten in Graz am 16. September 2010 bei der PRO ORIENTE - Tagung
„Sakralisierung des öffentlichen Raums in Südosteuropa nach 1989“
Wenn ich das Zitat „Eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft“ meinem Referat voranstelle, so wäre man wohl versucht, dieses Zitat auf die
katholische Kirche in einem der ehemaligen kommunistischen Länder nach dem Jahr 1989 zu beziehen. Das Zitat „Eine freie Kirche in einer
freien Gesellschaft“ stammt allerdings aus dem Jahr 1952 vom österreichischen Katholikentag in Mariazell. Mit diesem sogenannten
„Mariazeller Manifest“wurden die Grundsätze kirchlichen Handelns in der Zweiten Österreichischen Republik formuliert.[i]
Und zugleich erfolgte eine wesentliche Zäsur im Verhältnis von katholischer Kirche und den politischen Parteien - nämlich das
zumindest offizielle Ende des„Politischen Katholizismus“ in unserem Land. Weitere Einschnitte erfolgten dann 1970, 1985 und
1995. Dabei ging es sowohl um Änderungen im politischen Umfeld, als auch um die innere Verfasstheit der Kirche. Und damit eng
im Zusammenhang um das Verhältnis der Katholischen Kirche zu den Medien, ihre Darstellung und ihr Erscheinungsbild in der
Öffentlichkeit.
Damit bin ich hier sozusagen in doppelter Funktion - nicht nur als Historiker, sondern auch als Zeitzeuge, der als politischer Journalist
zwischen 1972 und 1995 für die „Zeit im Bild“ im Österreichischen Fernsehen berichtet hat unter anderen auch über gesellschafts- und
sozialpolitische Themen und damit eben auch über kirchenrelevante Fragen. Einige der damaligen Entwicklungen in Österreich könnten -
so glaube ich - auch für die heutigen Kirchen in den ehemaligen kommunistischen Ländern Denkanstöße liefern. Etwa den innerkirchlichen
und medial transportierten Umgang der Kirche mit den Themen „Freiheit“ und „Modernität“,die Gegensätze zwischen Traditionalisten und
Progressiven sowie das Verhältnis der Kirche zum Staat und den politischen Parteien.
Auf zwei interessante Gegensätzlichkeiten möchte ich vorweg hinweisen: für die katholische Kirche in Österreich bedeutete der Begriff
„freie Kirche in einer freien Gesellschaft“ die Abkehr von einer Art Staatskirche, das Akzeptieren, nicht mehr eine zentrale politische
Rolle im Staat zu spielen, sondern auf sich selbst gestellt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Gruppierungen christliche Grundsätze zu
vertreten. Also eine grundsätzlich andere Ausgangsposition als die „Freiheit der Kirche“ von staatlicher Aufsicht und Unterdrückung in den
meisten ehemaligen Ostblockländern.
Die zweite - wie ich meine - interessante Gegensätzlichkeit betrifft die Rolle des Papstes: während Johannes Paul II. unbestritten eine
wesentliche Rolle beim Sturz des Kommunismus gespielt hat – und damit bei der neuen Freiheit der dortigen Kirche, ist es in den Achtziger
Jahren in der Katholischen Kirche in Österreich zu einer Kurskorrektur gekommen, und zwar zu einer Abkehr von dem bis dahin von Kardinal
König vertretenen liberalen Weg. Dies wurde von vielen innerhalb- und außerhalb der Kirche als „Einschränkung der Freiheit“ empfunden.
Und für diese Korrektur in Richtung weniger Freiheit war natürlich der Papst durch die damals erfolgten Bischofsernennungen zumindest
mitverantwortlich.
Zum besseren Verständnis für die Veränderungen, die von der Kirche in Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich
und auch im medialen Sinn zu bewältigen waren, ein kurzer Blick zurück auf den„Politischen Katholizismus“, der das Land seit dem Ende
des 19. Jahrhunderts geprägt hatte.
Im Staatsgrundgesetz von 1867 war die Religionsfreiheit verankert so war etwa der Islam schon in der Monarchie eine anerkannte
Religionsgemeinschaft - aber Österreich war ein durch und durch katholischer Staat. Wobei sich - aufbauend auf Klassenkampf einerseits
und die Soziallehre der Katholischen Kirche andererseits - schon in der Monarchie ein ausgeprägtes „Lagerdenken“ entwickelte. Das
sozialistisch-proletarische, überwiegend städtische Lager und das christlich-soziale bürgerliche bzw. bäuerliche Lager standen sich feindselig
gegenüber.[ii]
Das setzte sich verstärkt in der ersten Republik fort. Aus der „Ehe von Thron und Altar“, wie das Verhältnis von Staat und Kirche in der
Habsburgerzeit zu beschreiben ist, wurde die „Ehe von Partei und Altar“ (nämlich der christlich-sozialen Partei). Parteiobmann der
Christlichsozialen und zweimaliger Bundeskanzler war Prälat Ignaz Seipel. Der politische Gegner stand „links“, es galt, die christlichen
Grundwerte gegen die „Freidenker“ zu verteidigen und vor Wahlen gaben die Bischöfe Wahlempfehlungen ab. Die „linke Presse“ griff die
Kirche an, die„konservative“ verteidigte sie und christlich-soziale Bundeskanzler regierten jedenfalls im Sinn der kirchlichen
Moralvorstellungen.
Das Jahr 1933 brachte den Abschluss eines Konkordats (in dem u.a. das katholische statt des staatlichen Eherechts für die katholischen
Österreicher verankert war). Das Konkordat war zwar im Ständestaat bis 1938 in Kraft, es war allerdings nicht mehr verfassungsmäßig
ratifiziert worden, weil das Parlament nicht mehr handlungsfähig war - und es wurde daher von der SPÖ 1945 nicht anerkannt.
Ebenfalls 1933 gab es auch den bedeutsamen Beschluss der Bischofskonferenz, ab sofort kirchlichen Würdenträgern die Annahme von
politischen Ämtern zu verbieten. Dieser Beschluss wurde 1945 erneuert und bildete zweifellos die Basis für den Beginn einer gewissen
Äquidistanz der Kirche zu den Parteien. Den Grundgedanken hatte Kardinal König später einmal so formuliert: „In einem Priester soll
nicht ein politischer Gegner gesehen werden können“.[iii]
Dennoch blieb das Verhältnis zu den Sozialisten noch mehr als zehn Jahre lang gespannt und sogar feindselig. Die Österreichische Volkspartei,
die weiterhin die Bundeskanzler stellte, hatte zwar 1945 mit ihrer Umbenennung eine Abgrenzung zur früheren christlich-sozialen Partei
vorgenommen, die Religion war jedoch weiterhin bei ihr ein parteistiftender Faktor.
Das bereits erwähnte Mariazeller Manifest 1952 brachte nun das offizielle Ende des „politischen Katholizismus“. Die Kirche, so heißt es im
Manifest, wäre nun nur auf sich selbst gestellt, sie hätte nun „keinen Kaiser und keine Regierung, keine Partei und keine Klasse, keine
Kanonen aber auch kein Kapital hinter sich...“ Gewaltsamen Versuchen zur Verwirklichung christlicher Grundsätze wurde eine klare Absage
erteilt.
Die Äquidistanz galt für die Amtskirche, nicht jedoch für die einzelnen Katholiken: denn während das Manifest beschlossen wurde, rekrutierte
die Volkspartei für die anstehenden Wahlen Nachwuchskräfte aus den kirchlichen Vorfeldorganisationen, der katholischen Aktion und dem
Kartellverband. Und auch spätere Parteiobmänner der ÖVP kamen meist aus dem Mittelschülerkartellverband oder dem CV.
Für die beginnende Öffnung der SPÖ zur Katholischen Kirche waren ab 1956 einige Ereignisse bedeutsam, die durchaus bereits
massenmedialen Charakter hatten. Der verstorbene sozialistische Bundespräsident Körner hatte für sich ein kirchliches Begräbnis verfügt.
Der Erzbischof mit dem gesamten hohen Klerus vor dem Sarg eines großen Sozialisten auf der Ringstraße, das war damals für viele „Genossen“
zumindest irritierend.
Wien bekam dann mit Dr. König einen neuen Erzbischof, der sich Ende 1956 spontan an die Spitze des österreichischen Nationalkomitees für
die Ungarnhilfe stellte und sich damit auch in der linken Reichshälfte Sympathien erwarb. Im Sozialhirtenbrief 1956 wurde der „gemäßigte
Sozialismus“anerkannt (nicht jedoch die „materielle Weltanschauung“).
In der SPÖ übernahm eine neue Politikergeneration die Parteiführung: Bruno Pittermann, Bruno Kreisky und der bekennende Katholik Franz
Olah. Und im neuen SPÖ-Parteiprogramm fand sich dann - für nicht wenige Genossen überraschend - der Passus: „Jeder religiöse Mensch
kann gleichzeitig Sozialist sein“.[iv]
Mit Johannes XXIII. kam nicht nur Bewegung in die Weltkirche, sondern auch in die österreichische Konkordatsfrage. 1960 wurde ein
Zusatzkonkordat abgeschlossen: in der Frage des Eherechts gab die Kirche nach - das staatliche Eherecht war für alle Österreicher
verpflichtend. Dafür lenkte die SPÖ bei der Finanzierung der katholischen Privatschulen ein. Die ÖVP stimmte dem Kompromiss natürlich zu,
war aber erstmals nicht mehr Hauptakteur.
Was die Öffnung der Kirche zu den Medien betrifft, änderte sich bis 1970 kaum etwas: es gab nach wie vor christliche Bundeskanzler, die
man notfalls um die Einhaltung christlicher Normen ersuchen konnte, die bürgerlichen Medien, Radio und Fernsehen standen der Kirche - als
wichtiger gesellschaftlicher Institution - wohlwollend gegenüber. Vor allem was die Umsetzung der Konzilsbeschlüsse in Österreich und
die auch von außen aufmerksam verfolgten Liberalisierungstendenzen unter Kardinal König betraf.
Und dann ab 1970 stand die Kirche in Österreich vor einer völlig neuen politischen Situation. Der Agnostiker Kreisky wurde Bundeskanzler
und regierte ab 1971 mit absoluter sozialistischer Mehrheit. Und dies in einer Zeit rasanter gesellschaftlicher Umbrüche und mit entsprechend
vielen neuen Gesetzen. Kardinal König hatte zwar mit Kreisky eine ausgezeichnete Gesprächsbasis, aber Kreisky stand seinerseits unter einem
ungeheuren Reformdruck durch seine Parteibasis, nicht zuletzt die Frauen - und er hatte mit Christian Broda einen Justizminister, der noch
1945 bekennender Kommunist gewesen war.
Die Katholische Kirche war somit erstmals in Österreich massiv darauf angewiesen, ihre sozialen und vor allem ihre gesellschaftspolitischen
Anliegen über die Medien an die Bevölkerung heranzutragen. Verstärkt wurde diese Tendenz durch die stark rückläufige Zahl der
Kirchenbesucher, die man immer weniger über die Kanzel erreichen konnte.
Aber natürlich konnte die Kirche auch mit Hilfe der konservativen Medien den Beschluss von Gesetzen nicht verhindern, die nicht den
ethischen Normen der Kirche entsprachen. Dazu kam, dass der Umgang mit der Presse, vor allem aber mit Rundfunk und Fernsehen für
Bischöfe ohne mediale Ausbildung, mit einem zum Teil nicht mehr zeitgemäßen autoritären Auftreten und einer antiquierten Kirchensprache
eine recht schwierige Aufgabe war - außer für echte Naturtalente, wie eben Kardinal König.
Der Kardinal verfolgte eine Doppelstrategie: einerseits führte er zahlreiche vertrauliche Gespräche, andererseits setzte er große und medial
wirksame Aktionen. Und er hatte, jedenfalls im Medium Fernsehen, den großen Vorteil, dass er klare und verständliche Worte fand und vor
allem glaubwürdig wirkte.
Bei meinem Antrittsbesuch als Fernsehjournalist beim Kardinal 1972 sagte er zu mir, dass ich in ihm keinesfalls einen politisierenden
Bischof sehen dürfte, dass die Kirche aber nun gezwungen wäre, verstärkt politisch zu handeln. Mit Blick auf die sich abzeichnende
Liberalisierung der Abtreibung meinte er, die Kirche wäre zwar an guten Beziehungen zum Staat und zu den Parteien interessiert, aber in
dieser Frage könnte es mit der Kirche kein Arrangement geben.
Im Februar 1973 setzte König dann eine erste große politische, aber auch medienwirksame Aktion: er hielt eine Rede vor dem Vorstand
des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Der war zwar seit 1945 überparteilich - es waren auch die Christlichsozialen dabei - aber
natürlich sozialistisch dominiert. Und in diesem Zusammenhang soll schon daran erinnert werden, dass der sozialistische
Gewerkschaftspräsident Anton Benya noch in den Achtzigerjahren in Bezug auf Kontakte mit der polnischen Solidarnošt gegenüber dem ÖVP –
Spitzenpolitiker Erhard Busek gemeint hatte: „Eine Gewerkschaft kann nicht christlich sein“.[v]
Kardinal König betonte 1973 vor den Gewerkschaftern, dass er nicht Bischof irgendeiner Partei oder Gesellschaftsschicht wäre, sondern
Bischof aller Katholiken. Er wolle und könne sich nicht in die Gesetzgebung einmischen. Aber er wolle seine Stimme erheben, bitten,
beschwören, mahnen und warnen. In Grundsatzfragen wie dem menschlichen Leben könnte die Kirche nicht paktieren, weil ihr hier durch
eine höhere Instanz Grenzen gesetzt wären. In sozialen Fragen gäbe es aber viele Gemeinsamkeiten mit dem Gewerkschaftsbund.
Es folgten drei weitere Großaktionen: zwei Demonstrationen mit dem Kardinal an der Spitze und ein Volksbegehren mit fast 900.000
Unterschriften. Doch Kreisky war durch einen von der Basis durchgedrückten Beschluss am Villacher Parteitag 1972 gebunden. Die
Fristenlösung kam 1975, dass Verhältnis SPÖ – Kirche war massiv gestört.
Auch in dieser Zeit konnte die Kirche noch auf das Wohlwollen vieler Journalisten zählen, die zumindest Verständnis für die politische
Ohnmacht der einstigen Staatskirche hatten. Und die sich zugleich, das kann man heute durchaus sagen, ziemlich darüber ärgerten, dass sie
zunehmend mit teilweise üblen „vertraulichen Informationen“ aus konservativen Kreisen versorgt wurden. Innerkirchliche und auch bürgerliche
Gegner des liberalen Kirchenkurses bezeichneten König als „Roten Kardinal“, der christliche Prinzipien an die „Linken“ verkauft hätte. Dann
kamen auch noch Botschaften hinter „vorgehaltener Hand“: der Kardinal hätte auch zwei Söhne und im Übrigen wäre er ein führender
Freimaurer.[vi]Diese letztere Behauptung wurde sogar von einer Salzburger Zeitung veröffentlicht – und die Zeitung wurde dafür verurteilt.
Die katholische Wochenzeitung „Die Furche“ bezeichnete im Zusammenhang mit dem heftiger werdenden innerkirchlichen Konflikt zwischen
Progressiven und Konservativen letztere als Dummköpfe und Brandstifter, die noch immer gerne jene Bindungen hätten, aus denen der Kardinal
die Kirche herausgelöst hatte.[vii]
Der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, den Kardinal König - wie sich zeigte vergeblich - als seinen Nachfolger aufgebaut hatte, bemerkte
viele Jahre später (1998), es müssten wohl „im Lauf der Jahre viele negative Meldungen nach Rom gegangen sein, von Priestern und Laien,
von Kirchenleuten und Politikern.“ Rückblickend wäre es wohl ein Fehler gewesen, dass der Kardinal nicht öfter selbst in Rom gegen
Falschmeldungen aufgetreten wäre, meinte Krätzl. [viii]
Auch auf dieser Ebene hat sich also deutlich gezeigt, wie wenig professionell Kommunikation damals von und in der Kirche betrieben wurde.
Natürlich kosten Fachleute für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation Geld. Es war also möglicherweise falsche Sparsamkeit mit im Spiel.
Ich denke aber, dass die Kirchenführung damals vor allem in Hinblick auf die neuen Medien dieNotwendigkeit einer effizienten und professionellen
Öffentlichkeitsarbeit nicht im notwendigen Ausmaß erkannt hatte.
In einer Zeit, in der praktisch schon jeder „kleine Staatssekretär“ seinen Pressesprecher hatte, hat mich zum Beispiel der damalige Pressesprecher
der Bischofskonferenz, der Linzer Weihbischof Wagner, immer noch persönlich in der Redaktion angerufen. 1975 wollte er von mir wissen, ob das
Fernsehen an einer Stellungnahme der Kirche zum Thema „passive Euthanasie“ interessiert wäre. Natürlich machten wir ein Interview. Das war
meiner Erinnerung nach etwa fünf Jahre vor einer entsprechenden Stellungnahme des Vatikan zur passiven Sterbehilfe. Wagner wies damals darauf
hin, dass nicht in jedem Fall alle medizinischen Möglichkeiten bis zuletzt ausgeschöpft werden müssten und dass den Menschen vor allem durch
eine intensive Schmerztherapie ein Sterben in Würde ermöglicht werden sollte.
Dies war angesichts einer beginnenden Diskussion über aktive Sterbehilfe in einigen europäischen Ländern eine hochpolitische Aktion des Bischofs
- und zwar auch zum richtigen Zeitpunkt. Damit wurde über die „Zeit im Bild“ im Fernsehen den Sozialisten praktisch „ausgerichtet“, dass man mit
der Kirche über „passive Sterbehilfe“ reden könnte, wenn man dafür das Thema„aktive Sterbehilfe“ nicht in die politische Diskussion brächte. Die
Botschaft wurde verstanden.
Heute spricht Professor Zulehner von einem eigenen „österreichischen Weg hinsichtlich einer verantwortlichen Gestaltung des Lebensendes“, bei
dem „kirchliche Kreise federführend“ waren und der in einem Allparteienbeschluss im Parlament für den Ausbau der Hospizarbeit gemündet
hatte.[ix]
Auf eine Besonderheit soll noch hingewiesen werden: die damals nach Auflage drittgrößte Zeitung Österreichs, die „Kleine Zeitung“,wurde von
einem katholischen Pressverein herausgegeben - von Katholiken hier in Graz, ohne dass dabei die Verantwortung auf den Bischof abgeschoben
worden wäre. Nach Eigendefinition des langjährigen Chefredakteurs Fritz Csoklich war die „Kleine Zeitung“ eine „Mischung von christlicher
Intellektualität und einer im katholischen Pressewesen noch nie erreichten Massenverbreitung“.[x] Es gab keine Tabus, aber in Eigenverantwortung
der Redakteure sollte immer christlicher Sinn zu erkennen sein.
Die Zeitung war Neuerungen gegenüber aufgeschlossen und gut gemacht - sonst hätte sie nicht so viele Leser gehabt. Sie trat für den
ökumenischen Dialog mit den Protestanten ein und war auch in einem permanenten Dialog mit führenden Sozialisten. Sie hatte Rückhalt durch
Bischof Weber, aber bei vielen Kirchenmännern und auch Funktionären der Volkspartei stieß die Blattlinie dieser „katholischen Zeitung“auf
Unverständnis und auch auf offene Feindseligkeit.
Mit dem Rücktritt von Kardinal König 1985 und der Ernennung der konservativen Bischöfe Groer, Krenn, Eder und Laun wurde nicht nur
innerkirchlich eine Kurskorrektur vollzogen, sondern es kam auch in den Medien zu einer dramatischen Veränderung des Erscheinungsbildes
der Kirche in der Öffentlichkeit. Es wurden nun von den Journalisten kaum noch („wohlwollend“) soziale und gesellschaftspolitische Anliegen
der Kirche transportiert, sondern es kam zu einer überwiegend kritischen Berichterstattung über den Streit innerhalb der Kirche.
Csoklich spricht von einer Verdüsterung Mitte der 80-er Jahre; innerkirchliche Auseinandersetzungen traten in den Vordergrund, zugleich
entstanden auch neue antikirchliche Ressentiments und neue Intoleranz. Die Kirchenenergien wurden - so Csoklich - „bei der
Verteidigung brüchig gewordener Strukturen verpulvert“.[xi]
Über die Kurskorrektur wurde viel diskutiert. Es hatte hier offenbar ein Zusammenwirken von Fundamentalisten in der Kirche, konservativen
Politikern und Nuntius Ceccini in Österreich gegeben, das damals neuen Vorstellungen im Vatikandurchaus entgegenkam. So hatte der damalige
Kardinal Ratzinger 1985 in seinemBuch „Zur Lage des Glaubens“ deutlich gemacht, dass „die Zeit der weltoffenenKandidaten für das Bischofsamt
vorbei“ wäre und jetzt „eifrige Hirten“ gefragt wären. [xii]
Die Kritikliste am liberalen Kirchenkurs in Österreich war lang - wenn auch für die meisten Medienleute nur sehr schwer nachvollziehbar:
Kardinal König hätte die Fristenlösung nicht verhindert, hieß es. Wie hätte er das gegen eine absolute sozialistische Mehrheit im Parlament
bewerkstelligen sollen? König hätte in Österreich eine„entchristlichte Gesellschaft“ hinterlassen– mit einer Verdoppelung der Kirchenaustritte
(wie übrigens in anderen Ländern auch). Dass sich diese damalige Verdoppelung heute nochmals verdoppelt hat, sei nur am Rande erwähnt.
Und schließlich wurde noch kritisiert, dass die Kirche in Österreich mit der sogenannten „Maria-Troster-Erklärung“ die Pillenenzyklika abgeschwächt
und auch eigene, liberale Wege in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen eingeschlagen hätte.
In einem Fernsehfilm nannte Kardinal Ratzinger später einmal den Wiener Alterzbischof einen „Mann der Öffnung und der lockeren Zügel“, der
sich allerdings angesichts seiner persönlichen Frömmigkeit eine solche Offenheit leisten könnte.[xiii]
In einem Streitgespräch in der Hamburger „Zeit“ im November 1991[xiv]zwischen den Kardinälen König und Ratzinger meinte König übrigens
ziemlich deutlich, dass bei den Bischofsbestellungen in Österreich „das Votum der Ortskirche und ihrer Hirten nicht genug berücksichtigt“ worden
wäre. „Es gab menschliches Versagen, auch Intrige, die - so sagt man - durch die Hintertür des Papstes eindrang“, formulierte es König damals
ziemlich deutlich.
Kardinal Ratzinger betonte zwar, dass ein Bischof nicht demokratisch gewählt würde, aber die Ernennung wohl aus dem Kennen und Hören des
Volkes herauswachsen sollte. Wörtlich räumte Ratzinger in diesem Zusammenhang ein, dass „jedoch jedes System eben seine Schwächen“
hätte.
Politisch wurde es für die Kirche ab 1986 wieder einfacher: Es kam wieder zu einer großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP, wenn auch mit der
Volkspartei als Juniorpartner. Allerdings bekam die katholische Kirche Österreichs in dieser Zeit zwei große mediale Probleme:
Einerseits hat die offensichtlich fehlende i n n e r e Kommunikations- und Konfliktkultur der Kirche eine glaubwürdige Kommunikation nach
außen verhindert . Und zum Zweiten wurden von der Kirche mehr die Strukturen vermittelt als die Glaubensinhalte - damit ging zunehmend
auch die religiöse Kompetenz verloren.
Die katholische Kirche hatte ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, das durch unprofessionelle mediale Auftritte der neuen Bischöfe noch
wesentlich verschärft wurde.
Der neue Wiener Weihbischof und ab 1991 St. Pöltener Bischof Kurt Krenn war in dieser Zeit zweifellos im Fernsehen ein mediales Ereignis --
allerdings nur für eine verschwindende Minderheit im positiven Sinn. Nach einer Studie von Prof. Zulehener hatten im Jahr 1990 41 % der
Befragten von Krenn „keine gute Meinung“, im Jahr 2000 stieß er bereits auf 72 Prozent Ablehnung. Allerdings hatte sich die Zahl jener, die
Bischof Krenn schätzten, in dieser Zeit von fünf auf 14 Prozent nahezu verdreifacht. Der Bischof polarisierte - und hatte übrigens von allen
österreichischen Bischöfen mit 97 % den höchsten Bekanntheitsgrad.[xv]
In einer Zeit des zunehmenden Hinterfragens und der kritischen Auseinandersetzung ließ der Bischof nicht zuletzt auch im Fernsehen mit
fundamentalen Äußerungen aufhorchen. etwa: „Die Kirche hat den Menschen zu sagen, was gut und böse ist.“ Oder: In der 60-er Jahren wären
„viele einfältige Mitläufer“verwirrt worden, weil von „laxen oder geistlosen“ kirchlichen Denkern keine theologische Linie mehr vorgegeben wurde.
Und: mit der gewissen „pastoralen Nettigkeit“ müsse es nun vorbei sein.[xvi]
Ob Kardinal König wohl an Bischof Krenn dachte, als er 1994 vor dem Europarat in Straßburg erklärte, man könnte Fundamentalisten nicht
durch öffentliche Diskussionen widerlegen oder bekehren, schon gar nicht durch Fernsehdiskussionen. Man müsste auf das Feindbild des
Fundamentalisten eingehen. In den meisten Fällen wäre das die moderne, säkularisierte Welt mitihrem religiösen Liberalismus, meinte König.
Und man müsste sich mit dem oftmals transportierten schwarz-weiß-Denken der Fundamentalisten auseinandersetzen. [xvii]
In politischer Hinsicht kam es zu einer interessanten Konstellation: Bischof Krenn ließ deutlich gewisse Sympathien für den damaligen freiheitlichen
Oppositionsführer und späteren Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider erkennen. Dabei ging es aber nicht um die nationalistischen Tendenzen
der Freiheitlichen, sondern um gesellschaftspolitische Fragen, in denen der Bischof eine Nähe zu dieser alles andere als klerikal ausgerichteten
Partei zu erkennen glaubte.
Es war dies einerseits das „law and order“ – Prinzip der FPÖ: die Guten, die Braven, die Fleißigen müssten unterstützt und gefördert werden. Ein „Ja“
zu caritativer und sozialer Hilfe, aber ein klares „Nein“ zu jenen, die soziale Hilfe ausnützten oder missbrauchten.
Und auch die familienpolitischen Vorstellungen der Freiheitlichen kamen den Ansichten des Bischofs entgegen: die Familie als zentrale Zelle in der
Gesellschaft und im Staat, der Mann als Erhalter und Familienoberhaupt, die Frau im Haushalt und in erster Linie als Mutter womöglich zahlreicher
Kinder.
In diesem Zusammenhang hat die mangelnde Professionalität im Umgang mit den Medien dem Bischof übrigens auch dort eine „negative Presse“
eingebracht, wo er eigentlich mit seinen Überlegungen nicht ganz unrecht hatte.
Am Beispiel der türkischstämmigen Bewohner Österreichs analysierte Krenn einmal, dass es einerseits immer weniger streng katholische Familien
mit immer weniger Kindern gäbe und andererseits immer mehr streng gläubige muslimische Familien mit immer mehr Kindern. Statt jedoch seinen
offensichtlichen Wunsch nach mehr religiöser Erziehung innerhalb der katholischen Familien in Österreich zu transportieren, um gegenüber
frommen Muslimen im Land nicht ins Hintertreffen zu geraten, wurde in den Medien von der Sorge des Bischofs vor einer„Dritten Türkenbelagerung“
berichtet.
Zur Frage Nationalismus und katholische Kirche sei hier angemerkt, dass es in Österreich im Gegensatz zu Kroatien, Ungarn, Polen oder – in Bezug auf
die orthodoxe Kirche – auch Serbien nie eine sogenannte Nationalkirche gegeben hat, weder eine deutsch-österreichische, noch eine österreichische
Nationalkirche.
In der Hauptstadt der Vielvölkermonarchie mit ihrem Bevölkerungsgemisch gab es für eine Nationalkirche kaum Identifikationsmöglichkeiten, es kam
daher – wie ich schon ausgeführt habe –zum Lagerdenken und zur Identifikation der Kirche mit dem rechts-konservativen Lager.
Für die Kirche und auch für Bischof Krenn war Fremdenfeindlichkeit natürlich kein Thema. Toleranz gegenüber anderen Religionen war die Sache des
Bischofs allerdings auch nicht. Wenn er den Auftrag „lehret alle Völker und tauft sie“ ernst nehme, erklärte Krenn, „dann kann ich nicht davon so
reden, als ob alle Religionen gleich wären oder gleich wahr wären – nein, das kann ich nicht!“. [xviii] Soweit zum umstrittenen Bischof Kurt
Krenn.
Der Nachfolger von Kardinal König als neuer Wiener Erzbischof, Hans Hermann Groer, kam in den Medien nicht gut an. Fürs „Grobe“hatte er Kurt
Krenn, es fehlte ihm an Nachdrücklichkeit in Inhalt und Sprache und seine liebenswürdige Freundlichkeit war vielleicht wirklich so gemeint, wirkte
aber äußerst unglaubwürdig.
In der ersten Zeit hatten nur 20 Prozent der von Prof. Zulehner Befragten eine schlechte Meinung von Groer, doch dieser Prozentsatz hatte sich bis
zum Jahr 2000 auf 80 Prozent vervierfacht.[xix]
Bezeichnend war auch, dass im Lauf seiner Amtszeit immer mehr von Kardinal Groer abrückten. Ein ehemals hoher ÖVP-Politiker wird heute noch
nach Eigendefinition „fuchsteufelswild“, wenn sein Wirken mit der Bestellung des Erzbischofs in Verbindung gebracht wird. Es wird also wohl der
Nuntius gewesen sein, der Papst Johannes Paul II., der Groer zuvor nicht persönlich gekannt hatte, diesen als „Priester mit Charisma“ und der
vom Papst so geschätzten „marianischen Ausrichtung“ empfohlen hatte.
Dass Groer zusätzlich zu seiner medialen Schwäche auch keine professionelle Kommunikationsbetreuung hatte, möchte ich an einem persönlich
erlebten Beispiel zeigen. Beim Adventempfang für Medienmitarbeiter 1989 hielt Groer eine seiner üblichen Ansprachen mit der Bitte um Unterstützung
der kirchlichen Anliegen und seinen Segenswünschen.
Beim anschließenden Stehbuffet kam ich mit dem Kardinal ins Gespräch und erzählte ihm von meinen Erlebnissen vier Wochen zuvor in Berlin, als
ich nach dem Fall der Mauer eine Woche lang täglich mit den Ostberlinern in den Westen gezogen bin und im Osten an Diskussionen und
Demonstrationen teilgenommen hatte. Und ich habe dem Kardinal meine Empfindung geschildert, dass es mir in meinem Leben vergönnt
war, an einem welthistorischen Ereignis a la „Französischer Revolution“ oder „1848“ persönlich dabei gewesen zu sein.
Einige Minuten nach unserem Gespräch bat der Kardinal die Anwesenden nochmals um Aufmerksamkeit und hielt eine zweite Rede, in der er
die welthistorische Bedeutung des abgelaufenen Jahres mit dem Fall des Eisernen Vorhangs hervorhob und die Bedeutung des polnischen
Papstes im Zusammenhang mit dem Ende des Kommunismus würdigte. Groer war also durchaus intelligent und lernfähig. Aber wenn er schon
nicht selbst auf die Idee gekommen ist, dass in diesem Jahr beim Adventempfang für Medienmitarbeiter die politische Umwälzung im Osten
vom Wiener Kardinal angesprochen werden muss, so hätte ihn zumindest ein professioneller Kommunikationsmitarbeiter darauf vorher
aufmerksam machen müssen.
Als dann Missbrauchsvorwürfe gegen den Kardinal öffentlich wurden, hätte dieser auf drei verschiedene Arten reagieren können. Er hätte
entweder sagen können: „Ja, tut mir leid. Ich ziehe die Konsequenzen“. Oder„alles nicht wahr, wer das behauptet, wird geklagt“ oder zumindest:
„eine Kommission soll die Vorwürfe untersuchen“.
Statt dieser drei sinnvollen Möglichkeiten, so schreibt der katholische Publizist Hubert Feichtlbauer, entschied sich Groer für eine - sinnlose -
vierte: „er beklagte nur die Gemeinheit der Ankläger und der sie unterstützenden Medien“.[xx]
Bald nach dem Rücktritt des Kardinals und dem Beginn der Ära Schönborn gab es hier im Süden von Graz auf Schloss Seggau durch die
Katholische Aktion eine kritische Bestandsaufnahme zur Lage derKatholischen Kirche in Österreich – das war im April 1996. Dabei hatten meine
beiden ORF-Kollegen Hubert Gaisbauer und Franz Grabner eine Analyse der Medienkompetenz der Kirche erarbeitet, auf die ich abschließend
zurückkommen möchte.[xxi]
Der Tenor war ernüchternd: zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde der „religiöse Markt“ von vielen Sekten professioneller bearbeitet als von
der Katholischen Kirche. Das betraf sowohl eigene Medien (so wurde das Wiener „Radio Stephansdom“ zum Beispiel erst 1998 gegründet), als
auch das Erscheinungsbild in den elektronischen und Printmedien.
Kurz erwähnt einige der angesprochenen Defizite: ein genereller Kommunikationsmangel innerhalb der Kirche, zugleich mit einem Vertrauensmangel
gegenüber den eigenen Laien-Experten - und vor allem der Verlust einer verständlichen Sprache nach außen. Häufige Unklarheit darüber, wer wie
für die Medien zuständig ist. Keine mediale Ausbildung von Theologen und kirchlichen Mitarbeitern, kaum Medienpädagogik in der kirchlichen
Erwachsenenbildung.
Und generell noch immer das Problem, dass die Kirche weiterhin mit dem „Wohlwollen“der Medien rechnete, weil sie nicht verstanden hatte, dass
ihr in der modernen Medienwelt weder Schonung noch Privilegien zugestanden werden und das entscheidende Kriterium einfach der mediale
„Marktwert“ ist.
Nun ist ja wohl die Grundbotschaft der Kirche, die es an die Rezipienten zu transportieren gilt, im Wesentlichen gleichbleibend. Werbemäßig
gesprochen: das Produkt ändert sich nur marginal. Was sich jedoch dramatisch geändert hatte, waren die Rezipienten.
Als Stichworte dafür mögen die Begriffe Schnelllebigkeit, Reizüberflutung, Konsum- und Spaßgesellschaft gelten, aber auch neue
Informationsmöglichkeiten für immer mehr Menschen und ihr zunehmendes Hinterfragen und damit die Tendenz, nicht mehr alles als
gottgegeben hinzunehmen.
Aus medialer Sicht hätte die Kirche damals analysieren müssen, an wen sie ihre Botschaft überhaupt heranbringen wollte:
an die immer kleiner werdende Gruppe der „treuen Schafe“ ?
an diejenigen, die gerade dabei waren, die Kirche zu verlassen ?
an jene, die schon weg waren?
und natürlich auch an jene, die es überhaupt neu zu gewinnen galt?
Für einige dieser „Konsumentengruppen“ hätte das Produkt neu und modern verpackt werden müssen: „grau hinaus und bunt hinein“. Für jede
Gruppe hätte es einer eigenen inhaltlichen Strategie bedurft. In allen Fällen wären jedoch die Inhalte auf die Menschen abzustimmen gewesen,
ihre Lebenserfahrungen und Gewohnheiten, auf ihre Umgangssprache, ihre Wünsche und Sehnsüchte.
Wir Journalisten im Fernsehen mussten damals jedenfalls Untersuchungen zu Kenntnis nehmen, wonach bei einem den Rezipienten nicht
interessierenden Thema dieser kaum bereit war, trotzdem einige Zeit lang zuzuhören. Ein Druck auf die Fernbedienung, und er war bei einem
anderen der immer zahlreicher werdenden TV-Kanäle.
Und auch bei interessanten Themen war der Zuseher nach wenigen Minuten weg, wenn ihm der Inhalt zu langatmig oder zu schwierig war.
Und natürlich mußte sich keiner dieser Zuseher eingestehen, dass er für eine bestimmte Botschaft „zu dumm“ war. Nicht der Zuseher war daran
schuld, dass er die Botschaft nicht verstand, sondern Sprache, Inhalt und Aufbereitung der Botschaft waren schuld.
Und in diesem Medienumfeld stellte sich Bischof Krenn dann hin und erklärte: „Wir sind im Besitz der alleinigen Wahrheit. Wir haben sie direkt
von Gott. Wir sagen euch nun diese Wahrheit – und ihr habt euch daran zu halten.“
Damals tauchte nicht nur bei uns Journalisten die Frage auf, wen außer die letzten Getreuen wohl diese Botschaft erreichen sollte und
konnte.
In der Ära Schönborn ist hier in den letzten Jahren wohl viel geschehen, vor allem was die Offenheit der Auseinandersetzungen und
Konfliktbewältigung betrifft - oder eben auch das Ansprechen von bestehenden Problemen.
Den status quo möchte ich nicht kommentieren, weil ich Mitte der Neunziger Jahre im ORF eine andere Aufgabe übernommen hatte und seither
mit Kirchenfragen professionell nicht mehr befasst war. Aber ich möchte mir lieber nicht ausmalen, wie die Kirche vor 15 bis 20 Jahren mit einem
Krisenjahr wie dem Heurigen mit diesem massiven Missbrauchsthema umgegangen wäre und - als logische Folge davon - wie die Medien damals
darauf reagiert hätten.
Zum Schluss möchte ich an ein Wort von Kardinal König erinnern, das auch heute noch gilt. Er sagte 1973 vor dem Gewerkschaftsbund:
Die Kirche kann sich „prinzipiell nur an jene wenden, die sie hören w o l l e n“.[xxii]
Ohne jetzt der sogenannten „Spaßgesellschaft“ das Wort zu reden: die einfache, allgemeine Umgangssprache ist Voraussetzung dafür, dass
kompetente und vor allem glaubwürdige Botschaften der Kirche zumindest bei jenen ankommen können, die sie auch hören wollen. Und das
scheint mir heute - trotz oder gerade wegen der großen Probleme - eher der Fall zu sein als in den 80-er und 90-er Jahren des vorigen
Jahrhunderts.
Fußnoten:
[i] Vgl. Liebmann S.15
[ii] Vgl. Pelinka/ Rosenberger S. 203.
[iii] Rede von Kardinal König vor dem ÖGB (27.2.1973).
[iv] Kunz, Brückenbauer S. 90.
[v] Vortrag Erhard Busek beim Symposium „Religion und Wende“ (Wien 7.10.2009).
[vi] Vgl. Butterweck S. 188.
[vii] Ebd.
[viii] Krätzl S. 22-24.
[ix] Zulehner S. 50.
[x] Csoklich S.298
[xi] Ebd. S. 299.
[xii] Butterweck S. 199.
[xiii] Kunz, Brückenbauer S. 229.
[xiv] Hans Jakob Stehle in „Die Zeit“ Nr. 49 (29.11.1991).
[xv] Zulehner S. 47.
[xvi] Wachter. Umschlagtext.
[xvii] Rede Kardinal König vor dem Europarat (Straßburg 3.3.1994).
[xviii] Wachter. Umschlagtext.
[xix] Zulehner S. 47.
[xx]Feichtlbauer S. 224-225.
[xxi] Vgl.Csoklich S. 166-171.
[xxii] Rede von Kardinal König vor dem ÖGB (27.2.1973).
Literatur
Bucher, Rainer: Unterwegs zum Konzil. Anmerkungen zum österreichischen Katholizismus, in: Quart - Zeitschrift des Forums Kunst –Wissenschaft –
Medien 1/2009, 23-26. (www.quart-online.at)
Butterweck, Hellmut: Österreichs Kardinäle. Von Anton Gruscha bis Christoph Schönborn. (Wien 2000).
Csoklich, Fritz [Hrsg.] : ReVisionen. Katholische Kirche in der Zweiten Republik. (Graz; Wien 1996).
Feichtlbauer, Hubert: Franz König – Der Jahrhundertkardinal. (Wien 2003).
Krätzl, Helmut: Im Sprung gehemmt – Was mir nach demonzil noch alles fehlt. (Mödling 1998).
Kunz, Johannes [Hrsg.] : Der Brückenbauer . Kardinal Franz König. (Wien 2004).
Kunz, Johannes [Hrsg.] : Kardinal Franz König. Ansichten eines engagierten Kirchenmannes. (Wien 1991).
Liebmann, Maximilian : Das „Mariazeller Manifest“ als Teil von Doppelstrategie. In: Brennpunkt Mitteleuropa. Festschrift für Helmut Rumpler
zum 65. Geburtstag. Klagenfurt 2000.
Pelinka, Anton / Rosenberger, Sieglinde : Österreichische Politik. Grundlagen –Strukturen – Trends (2. Aufl. Wien 2003).
Pelinka, Anton : Demokratie und Menschenrechte als Fundamente Europas - Chancen und Grenzen des Dialogs mit dem Islam. Vortrag im
Rahmen der Studientagung „Religion versus Politik. Die europäische Demokratie und der Islam“. (Wien, 17.November 2006).
Wachter, Hubert: Kurt Krenn –Gottes eherne Faust. (Wien 1993).
Zulehner, Paul M. / Polak, Regina : Religion - Kirche - Spiritualität in Österreich nach 1945. Befund, Kritik, Perspektive. (Innsbruck; Wien 2006).
„Die Zeit“ Nr. 49/1991 (29.11. 1991). (www.zeit.de/1991/49).
ORF-Archiv http://religion.orf.at
Paragraph..