Männlichkeitskonstruktionen in der
Freiheitlichen Partei Österreichs
Eine kritische Analyse (2005) der qualitativ-empirischen Untersuchung
von Oliver GEDEN
E i n l e i t u n g
Beim Titel "Männlichkeitskonstruktionen in der Freiheitlichen Partei
Österreichs" werden die meisten von uns Assoziationen mit bestimmten Begriffen
und eine gewisse Erwartungshaltung nach bestimmten Stereotypen haben –
jedenfalls mir ist es so gegangen. „Teutsche Männlichkeit", Dominanz-ansprüche
gegenüber Frauen (die vorwiegend als Mütter und Teil der Familie wahrgenommen
werden), Dominanzansprüche gegenüber nichtdeutschen Männern, Abwertung von
Homosexuellen, um nur einige zu nennen.
Diese Erwartungshaltung wird durch die vorliegende Studie von Oliver Geden
zum Teil erfüllt. Es zeigt sich aber auch, dass bestimmte
Männlichkeits-konstruktionen nicht an Parteigrenzen Halt machen. Sie treffen in
verschiedenen sozialen Schichten auch auf Männer in anderen Parteien zu und –
nach der erfolgten Parteispaltung – sie verlieren nichts von ihrer Relevanz, ob
sie nun blau, orange oder anders eingefärbt werden.
D i e A u s g a n g s s i t u a t i o n
Die Studie umfasst den Zeitraum 1999 bis Mitte 2001, wurde 2002 in Berlin als
Magisterarbeit eingereicht und ist Ende 2003 leicht überarbeitet in Buchform
erschienen.
In dieser Zeit wurde die FPÖ zweitstärkste Partei in Österreich, es kam zur
schwarz-blauen Regierungsbildung, Jörg Haider gab den Parteivorsitz an Susanne
Riess-Passer ab. Dennoch blieb die FPÖ eine ausgesprochene „Männerpartei", 62
Prozent ihrer Wähler waren 1999 Männer.
Im Gegensatz dazu haben sich bis zum Jahr 2000 die geschlechtertheoretischen
Analysen der FPÖ aber fast ausschließlich auf Frauen konzentriert. (Vgl.
Amesberger/Halbmayer, 2002).
D i e U n t e r s u c h u n g
Oliver Geden hatte vor der FPÖ-Studie bereits an verschiedenen Projekten der
Rechtsextremismusforschung in Deutschland mitgearbeitet. Er war daher mit dem
Forschungsdefizit vertraut, das vor allem Männer in rechtsextremen
Organisationen betrifft und auch mit den Schwierigkeiten solcher Untersuchungen
in umkämpften Feldern. Er hat sich entschlossen, die FPÖ-Untersuchung unter
einem Pseudonym durchzuführen, weil er auf Grund seiner früheren
Veröffentlichungen zweifellos als Gegner eingestuft worden wäre und das Projekt
daran wahrscheinlich gescheitert wäre.
Geden wählte für die Untersuchung eine Kombination zweier empirischer
Herangehensweisen. Einerseits die Analyse von einschlägigen Beiträgen in zwei
freiheitlichen Zeitungen, andererseits drei Gruppendiskussionen mit insgesamt 13
Funktionären des Ringes freiheitlicher Jugend in drei verschiedenen
Bundesländern. In diesen Diskussionen wollte er „...einen Zugang zu dem Sinn-
und Deutungshorizont eröffnen, in dem RFJ-Funktionäre ihr alltägliches
Geschlechtshandeln verorten."(S 62)
Durch die Gruppendiskussion sollte eine sozial verfasste und nicht etwa
individuell ausgeprägte Männlichkeit herausgearbeitet werden, die nicht auf
Einzelmeinungen beruht, sondern auf kollektiv geteilten Sinngehalten. Es ging
also nicht darum, das alltägliche Geschlechtshandeln der befragten Männer zu
ermitteln, sondern den kollektiv geteilten Orientierungsrahmen ihres „doing
masculinity".
Für die Analyse von institutionalisierten Männlichkeitsdiskursen zog Geden
einerseits die offizielle Parteizeitung „Neue Freie Zeitung" („NFZ") heran (mit
insgesamt 43 Artikeln), andererseits die rechtsextreme ideologische
Grundssatzzeitschrift „Zur Zeit" („ZZ") (mit 56 Beiträgen in diesem Zeitraum).
Hier sollte vor allem festgestellt werden, ob sich durch die zunehmende
Infragestellung männlicher Existenzweisen und die Transformation der
Geschlechterordnung (vgl. Meuser 1998) neue Foren bilden, in denen etwa über
eine kritische Neudefinition von Männlichkeit diskutiert wird, oder eine
vorsichtige Neujustierung des Männlichen oder aber auch eine explizite
Verteidigung traditioneller Männlichkeitsentwürfe.
Kritische Annäherung
Die methodologisch durchaus überzeugende Annäherung von Oliver Geden
beinhaltet meiner Ansicht nach einige Schwächen – nicht zuletzt bedingt durch
die Notwendigkeit, unter einem Pseudonym auftreten zu müssen.
Die Gruppendiskurse im Ring freiheitlicher Jugend bringen zwar durchaus
interessante Ergebnisse, scheinen aber in mehrfacher Hinsicht nicht
repräsentativ für die FPÖ zu sein: der RFJ ist „nur" eine Vorfeldorganisation
der FPÖ, die Diskussionsteilnehmer sind maximal 27 Jahre alt, nur einer ist
verheiratet. Kein Teilnehmer ist aus Wien (dort hatte die FPÖ bei den unter
30-jährigen Männern bei der Wahl 1999 die größte Zustimmung!)
Bei der Analyse der „Neuen Freien Zeitung" zeigt sich, dass sie zwar die
offiziellen Parteistandpunkte wiedergibt, aber – wahrscheinlich gerade deshalb –
das Thema Männlichkeit ausschließlich in Verbindung mit den Themen Frauenpolitik
und Familienpolitik behandelt.
Bei „Zur Zeit" schließlich ist festzuhalten, dass fast 40 Prozent der
untersuchten Beiträge nur von zwei Leuten geschrieben wurden, den Herausgebern
Andreas Mölzer und Johann Josef Dengler. Die beiden Herren sind sicherlich
repräsentativ für rechtsextreme Ideologie. Ob sie allerdings auch repräsentativ
sind für die in den Gruppendiskursen nicht vorgekommenen über 27-jährigen
FPÖ-Anhänger, das muss zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden.
Ich habe daher den Titel der Untersuchung von Oliver Geden neu formuliert:
Männlichkeitskonstruktionen im Ring Freiheitlicher Jugend (ohne Wien)
unter Berücksichtigung offizieller FPÖ-Standpunkte (in der NFZ) und
rechtsextremen ideologischen Vorgaben (in ZZ).
GRUNDSÄTZLICHER ORIENTIERUNGSRAHMEN
Sowohl in den Diskursen, als auch in den Zeitungsartikeln findet sich
durchgängig das Deutungsmuster „Ungleichheit". Dementsprechend wird das
Geschlechterverhältnis dualistisch und zugleich hierarchisch gedeutet. In den
Zeitungen finden sich darüber hinaus auch Verschränkungen mit „klassischen"
rechtsextremen Themen wie Erhöhung der einheimischen Geburtenrate und
Abwehrhaltung gegen Migranten.
Beim Alltagsdiskurs der RFJ-Funktionäre ließe sich aber – so Oliver Geden -
„...in den Selbstdeutungen als Männer und in ihrem Blick auf das
Geschlechter- verhältnis...ein hohes Maß an Übereinstimmung mit solchen Gruppen
von Männern finden, die ähnliche soziokulturelle Merkmale aufweisen..." (S 119) –
und die auch außerhalb der FPÖ in Konkurrenzparteien zu finden wären.
MÄNNLICHKEIT
In den Diskursen wird das „Mann-Sein" zunächst als „fraglos Gegebenes"
angesehen, der „Ist-Zustand" wird einfach akzeptiert. Dabei wird von den
RFJ-Funktionären überwiegend auf die Zweckmäßigkeit dieses „So - Seins"
verwiesen – etwa dass sich das heterosexuelle Zusammensein von Mann und Frau
über Jahrtausende bewährt habe. Die Geschlechterdifferenz wird jedoch als sowohl
biologisch, als auch – und zwar überwiegend – kulturell bedingt angesehen. Die
Männer würden gemäß vorgegebenen Rollen handeln (etwa durch Erziehung), im Sinne
eines „angemessenen doing masculinity" sei ein Abgehen von diesen Rollen aber
nicht oder kaum erwünscht.
Im Gegensatz zu den Funktionären wird in „Zur Zeit" - Artikeln die
Geschlechterdifferenz jedoch schlichtweg als – natürlich – gegeben angenommen.
Die Andersartigkeit von Männern und Frauen führe demnach zu einer „artgerechten
Rollenaufteilung" (S 76), etwa in der öffentlichen und privaten Sphäre.
Ausdrücklich verwiesen wird auf eine unterschiedliche Funktion der Sexualhormone
und auf einen unterschiedlichen Gehirnaufbau.
MANN-SEIN IN DER „KRISE"
RFJ-Funktionäre haben, was Männlichkeit betrifft, keine habituelle
Sicherheit, kein – widerspruchsfreies – Wissen. Dass Männlichkeit faktisch
begründungspflichtig geworden sei, führt zu einem Krisenbewusstsein, das sich
an traditionellen Männlichkeitsvorstellungen orientiert und auf die
Transformationsprozesse im Geschlechterverhältnis mit Unbehagen reagiert.
Für „ZZ" besteht die Krise vor allem darin, dass die biologische Disposition
zunehmend negiert wird, was zu falschen Lösungsansätzen in der Erziehung und
Pädagogik führe und auf Dauer die österreichische Gesellschaft schädige.
DER MANN IM FRAUENPOLITISCHEN DISKURS
Hier gibt es offensichtlich die größten Unterschiede zwischen der offiziellen
Parteimeinung, der ideologischen Rechtsaußenposition der „Zur Zeit" und den
Funktionären.
In der NFZ wird die Ungleichbehandlung von Frauen im Beruf als zentraler
Gegenstand der FPÖ-Frauenpolitik herausgestellt. Aber sowohl bei der
Ursachenforschung als auch bei den Vorschlägen zur Beseitigung der
Frauenbenachteiligung treten die Männer nicht als privilegierte Akteure in
Erscheinung und es wird jegliche Kritik an Männern vermieden. Zwar wird die
Chancengleichheit für Frauen als Ziel postuliert, zugleich aber immer wieder
hervorgehoben, dass sich das individuelle Verhalten von Frauen ändern müsse,
etwa in Fragen von Berufswahl oder Qualifizierung.
Für „Zur Zeit" gibt es eine „einfache, klare Linie": Frauenpolitik sei
überflüssig, das Ziel der Emanzipation bekämpfenswert und Männer wären Opfer der
Transformation der Geschlechterverhältnisse. Dem wird ein selbstbewusster
Männlichkeitsentwurf entgegengestellt, der in einem sogenannten „kulturellen
Männlichkeitsideal" (S 115) mündet: 1) Bedingungslose Orientierung am
Gemeinwohl, verknüpft mit 2) dem Engagement in einer studentischen Korporation
und 3) den Pflichten des verheirateten Familienvaters.
Bei den Funktionären findet sich eine persönliche und eine
gesellschaftspolitische Dimension: Zwar wird bisweilen eine Benachteiligung von
Frauen eingestanden, aber die Teilnehmer machen dafür eine anonyme Struktur
verantwortlich, die ohnedies bereits in Auflösung begriffen wäre. Damit fühlen
sie sich selbst frei von jeder Mitverantwortung und sehen „ihre Generation von
Männern bereits als Opfer von Frauenemanzipation..." (S 94)
Bei dieser Historisierung der Frauenbenachteiligung fällt übrigens eine
ähnliche Argumentationsweise auf wie im Umgang mit der NS-Vergangenheit. Die
jungen Männer „...sehen sich in geschlechterpolitischer Hinsicht unter
permanenter moralischer Anklage, obwohl sie doch selbst keinerlei Schuld an dem
treffe, was f r ü h e r geschehen sei." (S 95)
Gesellschaftspolitisch erwarten die Funktionäre von der Regierungspolitik
eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas in die Richtung, dass auch für
Frauen traditionelle Geschlechterarrangements wieder attraktiv werden.
DAS GESCHLECHT DER POLITIK
Während „Zur Zeit" an der traditionellen Geschlechtertrennung in öffentliche
(=männliche) und private (=weibliche) Sphäre strikt festhält, zeigen sich das
Parteiorgan und auch die Funktionäre zu einer partiellen Öffnung der
öffentlichen Sphäre für Frauen bereit. Für die NFZ geht es vor allem darum, dass
die FPÖ den Ruf einer ausgesprochenen „Männerpartei" loswerden soll
(nicht nur mit – damals – einer Frau an der Parteispitze, sondern mit Frauen
in verschiedenen öffentlichen Funktionen).
Für die Funktionäre ist der geringe Frauenanteil vor allem auf mangelndes
Interesse der Frauen an Politik zurückzuführen. Männer erscheinen als
diejenigen, die sich für das Gemeinwesen einsetzen. Lapidar wird bemerkt, dass
männerdominierte Strukturen offenbar für Frauen abschreckend wären.
Interessant ist, dass die Funktionärsgruppe die Kriterien Belastbarkeit,
Charisma, Verantwortungsgefühl, Stärke und Durchsetzungsvermögen
geschlechtsneutral verstanden wissen will. Das bedeute einerseits, dass jeder
und jede, der/die diese Kriterien erfüllt, es in der Partei zu etwas bringen
könne.
Andererseits ist das als klare Ablehnung der Frauenquoten zu verstehen: diese
wären ein geschlechtsspezifisches Sonderrecht, eine Abkehr vom Prinzip der
Leistungsgerechtigkeit und bringe einen Rückfall in die großkoalitionäre Unsitte
der Freunderlwirtschaft.
MÄNNER IM FAMILIENPOLITISCHEN DISKURS
In den Texten des FPÖ-Organs „NFZ" kommen Männer in Texten zur
Familienpolitik nie isoliert vor, sondern immer als männliche Ausprägung einer
familiären Statusgruppe, also Väter, Erzieher, Familienerhalter - immer in
Kombination mit dem entsprechenden weiblichen Pendant. Mit der Erkenntnis, dass
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorwiegend immer noch ein Frauenproblem
sei und die etwa mit dem sogenannten Kinderscheck angestrebte Wahlfreiheit
zwischen Beruf und Familie überwiegend auf die Frauen abziele, wird aber eine
zentrale Botschaft übermittelt: nämlich, im Leben der Männer bzw. Familienväter
muss sich nichts ändern.
Familienpolitische Maßnahmen werden vor allem als Mittel gegen den
Geburtenrückgang gewertet, zur Sicherung des „Humanvermögens" und um das
drohende Aussterben der Österreicher zu verhindern.
„ZZ" sieht den Mann von Natur aus als Schützer der Familie gegen Feinde von
außen und – genetisch festgeschrieben – als haltgebendes Wesen gegenüber der
Frau. Die Kinderfamilie wird als „Keimzelle von Volk und Staat" verstanden und
„...dass nunmehr jede zweite Frau sich weigert, einem Kind das Leben zu
schenken...sei auch als Folge dessen zu betrachten, dass die Männer nicht mehr
imstande seinen ... ihre einstige Rolle als Familienväter zu verteidigen". (S 81)
Ähnlich auch der Gruppendiskurs: viele Männer scheinen darunter zu leiden,
dass sie in der gegenwärtigen Gesellschaft nicht mehr in der Lage wären, die
Position als Familienernährer auszufüllen. Eine Krise der Familie auch als
Ausdruck einer Krise des Mannes. Auch hier – explizit – Verweise auf
vermeintliche Benachteiligungen, etwa im Scheidungs- und Sorgerecht.
VERSCHIEDENE MÄNNLICHKEITEN
a) H e g e m o n i a l e Männlichkeiten im RFJ (und wohl auch in der FPÖ)
orientieren sich am Gemeinwohl, an männerbündischen, lebenslangen Gemeinschaften
und an der Familie. „ZZ" sieht das Gemeinwohl allerdings gefährdet, weil
gegenwärtig „...die Mehrheit der österreichischen Männer ihrer Verpflichtung
gegenüber der nationalen Gemeinschaft nicht mehr nachkommt" (S 78) und
die von den Vätern geerbte Kultur ablehnt. Das heißt: neue Männer
sind gefragt, die sich aber an den Werten ihrer Großväter orientieren.
Lebenslange Kameradschaft ist nicht nur im Bundesheer zu lokalisieren,
sondern vor allem in der studentischen Korporation, hierarchisch gegliedert und
unter Ausschluss der Frauen. Die in „ZZ" wiedergegebene Ansicht, dass der
zweite bestimmende Lebensbund – die Ehe – gegenüber der Bundesbrüderschaft in
einer nachgeordneten Position stehe, konnte naturgemäß in RFJ aus Alters-und
Erfahrungsgründen nicht überprüft werden. Als zukunftserhaltende Instanz wird
jedoch die Ehe hoch positioniert.
b) S u b o r d i n i e r t e Männlichkeiten werden vom Idealtypus des
korporierten Familienvaters deutlich abgegrenzt. Nicht hegemonial agierenden
Männern wird vor allem vorgeworfen, mit spezifischen Handlungspraktiken der
nationalen Gemeinschaft zu schaden.
Nicht-familienorientierte Männer stehen im Zentrum der Kritik, sie machen
sich, so „ZZ" der Kinderverweigerung schuldig. Auch jene Männer, die gemeinsam
mit Frauen für die Gleichberechtigung der Frau außerhalb der Familie wirken und
„...jüngeren Frauen die natürliche Lust, Freude, ja Sehnsucht nach Ehe, Liebe
und Kinder abgewöhnt haben", sind nach „ZZ" zu verurteilen. Nachdem „das eigentliche
Ziel der menschlichen Sexualität die Fortpflanzung und Arterhaltung" (S 83 ) sei,
werden auch Homosexualität und gleichgeschlechtliche Partnerschaften abgelehnt.
Während aber in „ZZ" in diesem Zusammenhang von „pathologischen Schädigungen"
zu lesen ist, entspricht bei den Funktionären und auch in der „NFZ" zwar Heterosexualität
der Normalerwartung, es gibt aber keine Bedrohungsszenarien.
Noch zwei Details: der von Jörg Haider im Wahlkampf 1999 als potentieller
Wähler besonders angesprochene sogenannte „Kleine Mann" wird in „ZZ" als
„Neidgenosse, „Minderleister" und „Zu-kurz-gekommener" abqualifiziert.
Und in den Diskursen haben Teilnehmer im Zusammenhang mit kulturellen
Einflüssen auf das Mann-Sein bisweilen ihre eigene Lebenswirklichkeit gegen das
Verhalten von Männern in islamischen Ländern abgegrenzt („ich würde mich in
einer so extrem dominierenden Rolle als Mann nicht wohlfühlen").
Zusammenfassung
Der Inhalt des Männlichkeitsdiskurses lässt für Oliver Geden die These
naheliegend erscheinen, dass für Männer die FPÖ oder zumindest ihr Umfeld
deshalb attraktiv erscheint, weil sich die Freiheitlichen der
Verunsicherungen annehmen, die für Männer im Zuge der gesellschaftlichen
Modernisierungs-prozesse auftreten, wobei sie die Geschlechterdifferenz deutlich
betonen. Da die sogenannte „Krise des Mannes" aber in hohem Ausmaß von seinem
Milieu, seiner Generation und seiner Lebenserfahrung abhängt, ist auch laut
Geden eine „...gewisse Vorsicht angebracht, einen Befund, dem für die
Nachwuchs-organisation der FPÖ ein hohes Maß an Plausibilität zukommt, auf alle
in der Partei engagierten Männer zu übertragen." (S 117)
Ich denke, dass es sinnvoll und notwendig wäre, durchaus ausgehend von der
von Oliver Geden angewendeten Methode, zwei weitere Generationengruppen von
Männern im Umfeld der Freiheitlichen zu untersuchen: die heute über 60-Jährigen,
die ich zum Teil ja zu Zeiten des Borodajkewycz-Skandals noch als Studenten an
der damaligen Hochschule für Welthandel miterlebt habe (das war 1965), vor allem
aber die Gruppe der 30 bis 50-jährigen Familienväter – und zwar aus durchaus
unterschiedlichen sozialen Umfeldern.
Hier wäre interessant herauszufinden:
1) wie gehen diese Männer mit den Transformationen im Geschlechterverhältnis
und der sogenannten Krise des Mannes um?
2) wie zurückhaltend oder ablehnend stehen sie der Frauenemanzipation gegen-
über?
3) wie reagieren sie (oder haben sie reagiert) auf die sogenannte „Buberlpartie"
des Jörg Haider in den 90-er Jahren (Stichworte: modern, sportlich, salopp
auch ein bisschen homosexuell)?
- Und -
4)das scheint mir besonders wichtig: welche Strategien entwickeln diese
Männer oder welche Strategien haben sie entwickelt, um ihre tradierten Formen
von Männlichkeit an die nächste Generation weiterzugeben – und zwar nicht nur an
die Söhne, sondern auch an die Töchter.
Im rechten politischen Bereich, egal ob rechts-konservativ,
rechts-populistisch, rechts-radikal oder rechts-extrem wird in Österreich nach
wie vor ein Wählerpotential von 10 Prozent und mehr ausgemacht. Daher scheinen
Antworten auf diese Fragen auch in einer Zeit relevant und aktuell zu sein, in
der nicht nur farbenblinde Menschen Probleme haben, sich im Farbenspektrum
zwischen blau und orange zurecht zu finden
(Referat gehalten im Kurs:„Die Revision der Paradigmen. Entwicklung und Impulse der
Frauen- und Geschlechterforschung“ bei Dr. Doris Ingrisch. Universität Wien, Sommersemester
2005).
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Oliver Geden,Männlichkeitskonstruktionen in der Freiheitlichen Partei Österreichs.
Eine qualitativ empirische Untersuchung (Opladen 2004)
Anm.: Die Seitenangaben nach den Zitaten beziehen sich auf dieses Werk
Sekundärliteratur
Helga Amesberger, Brigitte Halbmayer, Rechtsextreme Parteien – eine
mögliche Heimat für Frauen? (Opladen2002).
Kathleen Canning, Geschlecht als Unordnungsprinzip. Überlegungen zur
Historiographie der deutschen Arbeiterbewegung. In: Geschlechterverhältnisse im
historischen Wandel, ed. Hanna Schissler (New York 1993).
Ute Frevert, “Mann und Weib, und Weib und Mann“: Geschlechter-Differenzen in der
Moderne (München 1995).
Jürgen Kocka, Sozialgeschichte. Begriff – Entwicklung – Probleme (Göttingen
1986)
Thomas Kühne, Männergeschichte – Geschlechtergeschichte. Männlichkeit im
Wandel der Moderne (Frankfurt/M. 1996) 7-30.
Kaspar Maase, Entblößte Brust und schwingende Hüfte. Momentaufnahmen von der
Jugend der fünfziger Jahre. In: Männergeschichte – Geschlechtergeschichte, ed.
Thomas Kühne (Frankfurt/M. 1996) 193-217.
Michael Meuser, Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie und kulturelle
Deutungsmuster (Opladen 1998).
Klaus Ottomeyer, Die Haider-Show: zur Psychopolitik der FPÖ (Klagenfurt
2000)
Viktor Reimann, die Dritte Kraft in Österreich ( Wien/München/Zürich
1980)
Franz Richard Reiter (ed), Wer war Bruno Kreisky? (Wien 2000).
Hanna Schissler, Soziale Ungleichheit und historisches Wissen. Der Beitrag
der Geschlechter-Geschichte. In: Geschlechterverhältnisse im historischen Wandel, ed.
Hanna Schissler (New York 1993) 9-36.
Reinhard Sieder, Die Rückkehr des Subjekts in den Kulturwissenschaften (Wien,
2004).
Nicolaus Sombart, Männerbund und Politische Kultur in Deutschland. In:
Männergeschichte – Geschlechtergeschichte, ed. Thomas Kühne (Frankfurt/M. 1996)
136-155.
Catherine Stodolsky, Geschlecht und Klasse im Kaiserreich. Das Beispiel der
„Lehrerinnenfrage“. In: Geschlechterverhältnisse im historischen Wandel, ed. Hanna
Schissler (New York 1993) 164-184.
Beim Titel "Männlichkeitskonstruktionen in der Freiheitlichen Partei
Österreichs" werden die meisten von uns Assoziationen mit bestimmten Begriffen
und eine gewisse Erwartungshaltung nach bestimmten Stereotypen haben –
jedenfalls mir ist es so gegangen. „Teutsche Männlichkeit", Dominanz-ansprüche
gegenüber Frauen (die vorwiegend als Mütter und Teil der Familie wahrgenommen
werden), Dominanzansprüche gegenüber nichtdeutschen Männern, Abwertung von
Homosexuellen, um nur einige zu nennen.
Diese Erwartungshaltung wird durch die vorliegende Studie von Oliver Geden
zum Teil erfüllt. Es zeigt sich aber auch, dass bestimmte
Männlichkeits-konstruktionen nicht an Parteigrenzen Halt machen. Sie treffen in
verschiedenen sozialen Schichten auch auf Männer in anderen Parteien zu und –
nach der erfolgten Parteispaltung – sie verlieren nichts von ihrer Relevanz, ob
sie nun blau, orange oder anders eingefärbt werden.
D i e A u s g a n g s s i t u a t i o n
Die Studie umfasst den Zeitraum 1999 bis Mitte 2001, wurde 2002 in Berlin als
Magisterarbeit eingereicht und ist Ende 2003 leicht überarbeitet in Buchform
erschienen.
In dieser Zeit wurde die FPÖ zweitstärkste Partei in Österreich, es kam zur
schwarz-blauen Regierungsbildung, Jörg Haider gab den Parteivorsitz an Susanne
Riess-Passer ab. Dennoch blieb die FPÖ eine ausgesprochene „Männerpartei", 62
Prozent ihrer Wähler waren 1999 Männer.
Im Gegensatz dazu haben sich bis zum Jahr 2000 die geschlechtertheoretischen
Analysen der FPÖ aber fast ausschließlich auf Frauen konzentriert. (Vgl.
Amesberger/Halbmayer, 2002).
D i e U n t e r s u c h u n g
Oliver Geden hatte vor der FPÖ-Studie bereits an verschiedenen Projekten der
Rechtsextremismusforschung in Deutschland mitgearbeitet. Er war daher mit dem
Forschungsdefizit vertraut, das vor allem Männer in rechtsextremen
Organisationen betrifft und auch mit den Schwierigkeiten solcher Untersuchungen
in umkämpften Feldern. Er hat sich entschlossen, die FPÖ-Untersuchung unter
einem Pseudonym durchzuführen, weil er auf Grund seiner früheren
Veröffentlichungen zweifellos als Gegner eingestuft worden wäre und das Projekt
daran wahrscheinlich gescheitert wäre.
Geden wählte für die Untersuchung eine Kombination zweier empirischer
Herangehensweisen. Einerseits die Analyse von einschlägigen Beiträgen in zwei
freiheitlichen Zeitungen, andererseits drei Gruppendiskussionen mit insgesamt 13
Funktionären des Ringes freiheitlicher Jugend in drei verschiedenen
Bundesländern. In diesen Diskussionen wollte er „...einen Zugang zu dem Sinn-
und Deutungshorizont eröffnen, in dem RFJ-Funktionäre ihr alltägliches
Geschlechtshandeln verorten."(S 62)
Durch die Gruppendiskussion sollte eine sozial verfasste und nicht etwa
individuell ausgeprägte Männlichkeit herausgearbeitet werden, die nicht auf
Einzelmeinungen beruht, sondern auf kollektiv geteilten Sinngehalten. Es ging
also nicht darum, das alltägliche Geschlechtshandeln der befragten Männer zu
ermitteln, sondern den kollektiv geteilten Orientierungsrahmen ihres „doing
masculinity".
Für die Analyse von institutionalisierten Männlichkeitsdiskursen zog Geden
einerseits die offizielle Parteizeitung „Neue Freie Zeitung" („NFZ") heran (mit
insgesamt 43 Artikeln), andererseits die rechtsextreme ideologische
Grundssatzzeitschrift „Zur Zeit" („ZZ") (mit 56 Beiträgen in diesem Zeitraum).
Hier sollte vor allem festgestellt werden, ob sich durch die zunehmende
Infragestellung männlicher Existenzweisen und die Transformation der
Geschlechterordnung (vgl. Meuser 1998) neue Foren bilden, in denen etwa über
eine kritische Neudefinition von Männlichkeit diskutiert wird, oder eine
vorsichtige Neujustierung des Männlichen oder aber auch eine explizite
Verteidigung traditioneller Männlichkeitsentwürfe.
Kritische Annäherung
Die methodologisch durchaus überzeugende Annäherung von Oliver Geden
beinhaltet meiner Ansicht nach einige Schwächen – nicht zuletzt bedingt durch
die Notwendigkeit, unter einem Pseudonym auftreten zu müssen.
Die Gruppendiskurse im Ring freiheitlicher Jugend bringen zwar durchaus
interessante Ergebnisse, scheinen aber in mehrfacher Hinsicht nicht
repräsentativ für die FPÖ zu sein: der RFJ ist „nur" eine Vorfeldorganisation
der FPÖ, die Diskussionsteilnehmer sind maximal 27 Jahre alt, nur einer ist
verheiratet. Kein Teilnehmer ist aus Wien (dort hatte die FPÖ bei den unter
30-jährigen Männern bei der Wahl 1999 die größte Zustimmung!)
Bei der Analyse der „Neuen Freien Zeitung" zeigt sich, dass sie zwar die
offiziellen Parteistandpunkte wiedergibt, aber – wahrscheinlich gerade deshalb –
das Thema Männlichkeit ausschließlich in Verbindung mit den Themen Frauenpolitik
und Familienpolitik behandelt.
Bei „Zur Zeit" schließlich ist festzuhalten, dass fast 40 Prozent der
untersuchten Beiträge nur von zwei Leuten geschrieben wurden, den Herausgebern
Andreas Mölzer und Johann Josef Dengler. Die beiden Herren sind sicherlich
repräsentativ für rechtsextreme Ideologie. Ob sie allerdings auch repräsentativ
sind für die in den Gruppendiskursen nicht vorgekommenen über 27-jährigen
FPÖ-Anhänger, das muss zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden.
Ich habe daher den Titel der Untersuchung von Oliver Geden neu formuliert:
Männlichkeitskonstruktionen im Ring Freiheitlicher Jugend (ohne Wien)
unter Berücksichtigung offizieller FPÖ-Standpunkte (in der NFZ) und
rechtsextremen ideologischen Vorgaben (in ZZ).
GRUNDSÄTZLICHER ORIENTIERUNGSRAHMEN
Sowohl in den Diskursen, als auch in den Zeitungsartikeln findet sich
durchgängig das Deutungsmuster „Ungleichheit". Dementsprechend wird das
Geschlechterverhältnis dualistisch und zugleich hierarchisch gedeutet. In den
Zeitungen finden sich darüber hinaus auch Verschränkungen mit „klassischen"
rechtsextremen Themen wie Erhöhung der einheimischen Geburtenrate und
Abwehrhaltung gegen Migranten.
Beim Alltagsdiskurs der RFJ-Funktionäre ließe sich aber – so Oliver Geden -
„...in den Selbstdeutungen als Männer und in ihrem Blick auf das
Geschlechter- verhältnis...ein hohes Maß an Übereinstimmung mit solchen Gruppen
von Männern finden, die ähnliche soziokulturelle Merkmale aufweisen..." (S 119) –
und die auch außerhalb der FPÖ in Konkurrenzparteien zu finden wären.
MÄNNLICHKEIT
In den Diskursen wird das „Mann-Sein" zunächst als „fraglos Gegebenes"
angesehen, der „Ist-Zustand" wird einfach akzeptiert. Dabei wird von den
RFJ-Funktionären überwiegend auf die Zweckmäßigkeit dieses „So - Seins"
verwiesen – etwa dass sich das heterosexuelle Zusammensein von Mann und Frau
über Jahrtausende bewährt habe. Die Geschlechterdifferenz wird jedoch als sowohl
biologisch, als auch – und zwar überwiegend – kulturell bedingt angesehen. Die
Männer würden gemäß vorgegebenen Rollen handeln (etwa durch Erziehung), im Sinne
eines „angemessenen doing masculinity" sei ein Abgehen von diesen Rollen aber
nicht oder kaum erwünscht.
Im Gegensatz zu den Funktionären wird in „Zur Zeit" - Artikeln die
Geschlechterdifferenz jedoch schlichtweg als – natürlich – gegeben angenommen.
Die Andersartigkeit von Männern und Frauen führe demnach zu einer „artgerechten
Rollenaufteilung" (S 76), etwa in der öffentlichen und privaten Sphäre.
Ausdrücklich verwiesen wird auf eine unterschiedliche Funktion der Sexualhormone
und auf einen unterschiedlichen Gehirnaufbau.
MANN-SEIN IN DER „KRISE"
RFJ-Funktionäre haben, was Männlichkeit betrifft, keine habituelle
Sicherheit, kein – widerspruchsfreies – Wissen. Dass Männlichkeit faktisch
begründungspflichtig geworden sei, führt zu einem Krisenbewusstsein, das sich
an traditionellen Männlichkeitsvorstellungen orientiert und auf die
Transformationsprozesse im Geschlechterverhältnis mit Unbehagen reagiert.
Für „ZZ" besteht die Krise vor allem darin, dass die biologische Disposition
zunehmend negiert wird, was zu falschen Lösungsansätzen in der Erziehung und
Pädagogik führe und auf Dauer die österreichische Gesellschaft schädige.
DER MANN IM FRAUENPOLITISCHEN DISKURS
Hier gibt es offensichtlich die größten Unterschiede zwischen der offiziellen
Parteimeinung, der ideologischen Rechtsaußenposition der „Zur Zeit" und den
Funktionären.
In der NFZ wird die Ungleichbehandlung von Frauen im Beruf als zentraler
Gegenstand der FPÖ-Frauenpolitik herausgestellt. Aber sowohl bei der
Ursachenforschung als auch bei den Vorschlägen zur Beseitigung der
Frauenbenachteiligung treten die Männer nicht als privilegierte Akteure in
Erscheinung und es wird jegliche Kritik an Männern vermieden. Zwar wird die
Chancengleichheit für Frauen als Ziel postuliert, zugleich aber immer wieder
hervorgehoben, dass sich das individuelle Verhalten von Frauen ändern müsse,
etwa in Fragen von Berufswahl oder Qualifizierung.
Für „Zur Zeit" gibt es eine „einfache, klare Linie": Frauenpolitik sei
überflüssig, das Ziel der Emanzipation bekämpfenswert und Männer wären Opfer der
Transformation der Geschlechterverhältnisse. Dem wird ein selbstbewusster
Männlichkeitsentwurf entgegengestellt, der in einem sogenannten „kulturellen
Männlichkeitsideal" (S 115) mündet: 1) Bedingungslose Orientierung am
Gemeinwohl, verknüpft mit 2) dem Engagement in einer studentischen Korporation
und 3) den Pflichten des verheirateten Familienvaters.
Bei den Funktionären findet sich eine persönliche und eine
gesellschaftspolitische Dimension: Zwar wird bisweilen eine Benachteiligung von
Frauen eingestanden, aber die Teilnehmer machen dafür eine anonyme Struktur
verantwortlich, die ohnedies bereits in Auflösung begriffen wäre. Damit fühlen
sie sich selbst frei von jeder Mitverantwortung und sehen „ihre Generation von
Männern bereits als Opfer von Frauenemanzipation..." (S 94)
Bei dieser Historisierung der Frauenbenachteiligung fällt übrigens eine
ähnliche Argumentationsweise auf wie im Umgang mit der NS-Vergangenheit. Die
jungen Männer „...sehen sich in geschlechterpolitischer Hinsicht unter
permanenter moralischer Anklage, obwohl sie doch selbst keinerlei Schuld an dem
treffe, was f r ü h e r geschehen sei." (S 95)
Gesellschaftspolitisch erwarten die Funktionäre von der Regierungspolitik
eine Veränderung des gesellschaftlichen Klimas in die Richtung, dass auch für
Frauen traditionelle Geschlechterarrangements wieder attraktiv werden.
DAS GESCHLECHT DER POLITIK
Während „Zur Zeit" an der traditionellen Geschlechtertrennung in öffentliche
(=männliche) und private (=weibliche) Sphäre strikt festhält, zeigen sich das
Parteiorgan und auch die Funktionäre zu einer partiellen Öffnung der
öffentlichen Sphäre für Frauen bereit. Für die NFZ geht es vor allem darum, dass
die FPÖ den Ruf einer ausgesprochenen „Männerpartei" loswerden soll
(nicht nur mit – damals – einer Frau an der Parteispitze, sondern mit Frauen
in verschiedenen öffentlichen Funktionen).
Für die Funktionäre ist der geringe Frauenanteil vor allem auf mangelndes
Interesse der Frauen an Politik zurückzuführen. Männer erscheinen als
diejenigen, die sich für das Gemeinwesen einsetzen. Lapidar wird bemerkt, dass
männerdominierte Strukturen offenbar für Frauen abschreckend wären.
Interessant ist, dass die Funktionärsgruppe die Kriterien Belastbarkeit,
Charisma, Verantwortungsgefühl, Stärke und Durchsetzungsvermögen
geschlechtsneutral verstanden wissen will. Das bedeute einerseits, dass jeder
und jede, der/die diese Kriterien erfüllt, es in der Partei zu etwas bringen
könne.
Andererseits ist das als klare Ablehnung der Frauenquoten zu verstehen: diese
wären ein geschlechtsspezifisches Sonderrecht, eine Abkehr vom Prinzip der
Leistungsgerechtigkeit und bringe einen Rückfall in die großkoalitionäre Unsitte
der Freunderlwirtschaft.
MÄNNER IM FAMILIENPOLITISCHEN DISKURS
In den Texten des FPÖ-Organs „NFZ" kommen Männer in Texten zur
Familienpolitik nie isoliert vor, sondern immer als männliche Ausprägung einer
familiären Statusgruppe, also Väter, Erzieher, Familienerhalter - immer in
Kombination mit dem entsprechenden weiblichen Pendant. Mit der Erkenntnis, dass
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorwiegend immer noch ein Frauenproblem
sei und die etwa mit dem sogenannten Kinderscheck angestrebte Wahlfreiheit
zwischen Beruf und Familie überwiegend auf die Frauen abziele, wird aber eine
zentrale Botschaft übermittelt: nämlich, im Leben der Männer bzw. Familienväter
muss sich nichts ändern.
Familienpolitische Maßnahmen werden vor allem als Mittel gegen den
Geburtenrückgang gewertet, zur Sicherung des „Humanvermögens" und um das
drohende Aussterben der Österreicher zu verhindern.
„ZZ" sieht den Mann von Natur aus als Schützer der Familie gegen Feinde von
außen und – genetisch festgeschrieben – als haltgebendes Wesen gegenüber der
Frau. Die Kinderfamilie wird als „Keimzelle von Volk und Staat" verstanden und
„...dass nunmehr jede zweite Frau sich weigert, einem Kind das Leben zu
schenken...sei auch als Folge dessen zu betrachten, dass die Männer nicht mehr
imstande seinen ... ihre einstige Rolle als Familienväter zu verteidigen". (S 81)
Ähnlich auch der Gruppendiskurs: viele Männer scheinen darunter zu leiden,
dass sie in der gegenwärtigen Gesellschaft nicht mehr in der Lage wären, die
Position als Familienernährer auszufüllen. Eine Krise der Familie auch als
Ausdruck einer Krise des Mannes. Auch hier – explizit – Verweise auf
vermeintliche Benachteiligungen, etwa im Scheidungs- und Sorgerecht.
VERSCHIEDENE MÄNNLICHKEITEN
a) H e g e m o n i a l e Männlichkeiten im RFJ (und wohl auch in der FPÖ)
orientieren sich am Gemeinwohl, an männerbündischen, lebenslangen Gemeinschaften
und an der Familie. „ZZ" sieht das Gemeinwohl allerdings gefährdet, weil
gegenwärtig „...die Mehrheit der österreichischen Männer ihrer Verpflichtung
gegenüber der nationalen Gemeinschaft nicht mehr nachkommt" (S 78) und
die von den Vätern geerbte Kultur ablehnt. Das heißt: neue Männer
sind gefragt, die sich aber an den Werten ihrer Großväter orientieren.
Lebenslange Kameradschaft ist nicht nur im Bundesheer zu lokalisieren,
sondern vor allem in der studentischen Korporation, hierarchisch gegliedert und
unter Ausschluss der Frauen. Die in „ZZ" wiedergegebene Ansicht, dass der
zweite bestimmende Lebensbund – die Ehe – gegenüber der Bundesbrüderschaft in
einer nachgeordneten Position stehe, konnte naturgemäß in RFJ aus Alters-und
Erfahrungsgründen nicht überprüft werden. Als zukunftserhaltende Instanz wird
jedoch die Ehe hoch positioniert.
b) S u b o r d i n i e r t e Männlichkeiten werden vom Idealtypus des
korporierten Familienvaters deutlich abgegrenzt. Nicht hegemonial agierenden
Männern wird vor allem vorgeworfen, mit spezifischen Handlungspraktiken der
nationalen Gemeinschaft zu schaden.
Nicht-familienorientierte Männer stehen im Zentrum der Kritik, sie machen
sich, so „ZZ" der Kinderverweigerung schuldig. Auch jene Männer, die gemeinsam
mit Frauen für die Gleichberechtigung der Frau außerhalb der Familie wirken und
„...jüngeren Frauen die natürliche Lust, Freude, ja Sehnsucht nach Ehe, Liebe
und Kinder abgewöhnt haben", sind nach „ZZ" zu verurteilen. Nachdem „das eigentliche
Ziel der menschlichen Sexualität die Fortpflanzung und Arterhaltung" (S 83 ) sei,
werden auch Homosexualität und gleichgeschlechtliche Partnerschaften abgelehnt.
Während aber in „ZZ" in diesem Zusammenhang von „pathologischen Schädigungen"
zu lesen ist, entspricht bei den Funktionären und auch in der „NFZ" zwar Heterosexualität
der Normalerwartung, es gibt aber keine Bedrohungsszenarien.
Noch zwei Details: der von Jörg Haider im Wahlkampf 1999 als potentieller
Wähler besonders angesprochene sogenannte „Kleine Mann" wird in „ZZ" als
„Neidgenosse, „Minderleister" und „Zu-kurz-gekommener" abqualifiziert.
Und in den Diskursen haben Teilnehmer im Zusammenhang mit kulturellen
Einflüssen auf das Mann-Sein bisweilen ihre eigene Lebenswirklichkeit gegen das
Verhalten von Männern in islamischen Ländern abgegrenzt („ich würde mich in
einer so extrem dominierenden Rolle als Mann nicht wohlfühlen").
Zusammenfassung
Der Inhalt des Männlichkeitsdiskurses lässt für Oliver Geden die These
naheliegend erscheinen, dass für Männer die FPÖ oder zumindest ihr Umfeld
deshalb attraktiv erscheint, weil sich die Freiheitlichen der
Verunsicherungen annehmen, die für Männer im Zuge der gesellschaftlichen
Modernisierungs-prozesse auftreten, wobei sie die Geschlechterdifferenz deutlich
betonen. Da die sogenannte „Krise des Mannes" aber in hohem Ausmaß von seinem
Milieu, seiner Generation und seiner Lebenserfahrung abhängt, ist auch laut
Geden eine „...gewisse Vorsicht angebracht, einen Befund, dem für die
Nachwuchs-organisation der FPÖ ein hohes Maß an Plausibilität zukommt, auf alle
in der Partei engagierten Männer zu übertragen." (S 117)
Ich denke, dass es sinnvoll und notwendig wäre, durchaus ausgehend von der
von Oliver Geden angewendeten Methode, zwei weitere Generationengruppen von
Männern im Umfeld der Freiheitlichen zu untersuchen: die heute über 60-Jährigen,
die ich zum Teil ja zu Zeiten des Borodajkewycz-Skandals noch als Studenten an
der damaligen Hochschule für Welthandel miterlebt habe (das war 1965), vor allem
aber die Gruppe der 30 bis 50-jährigen Familienväter – und zwar aus durchaus
unterschiedlichen sozialen Umfeldern.
Hier wäre interessant herauszufinden:
1) wie gehen diese Männer mit den Transformationen im Geschlechterverhältnis
und der sogenannten Krise des Mannes um?
2) wie zurückhaltend oder ablehnend stehen sie der Frauenemanzipation gegen-
über?
3) wie reagieren sie (oder haben sie reagiert) auf die sogenannte „Buberlpartie"
des Jörg Haider in den 90-er Jahren (Stichworte: modern, sportlich, salopp
auch ein bisschen homosexuell)?
- Und -
4)das scheint mir besonders wichtig: welche Strategien entwickeln diese
Männer oder welche Strategien haben sie entwickelt, um ihre tradierten Formen
von Männlichkeit an die nächste Generation weiterzugeben – und zwar nicht nur an
die Söhne, sondern auch an die Töchter.
Im rechten politischen Bereich, egal ob rechts-konservativ,
rechts-populistisch, rechts-radikal oder rechts-extrem wird in Österreich nach
wie vor ein Wählerpotential von 10 Prozent und mehr ausgemacht. Daher scheinen
Antworten auf diese Fragen auch in einer Zeit relevant und aktuell zu sein, in
der nicht nur farbenblinde Menschen Probleme haben, sich im Farbenspektrum
zwischen blau und orange zurecht zu finden
(Referat gehalten im Kurs:„Die Revision der Paradigmen. Entwicklung und Impulse der
Frauen- und Geschlechterforschung“ bei Dr. Doris Ingrisch. Universität Wien, Sommersemester
2005).
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Oliver Geden,Männlichkeitskonstruktionen in der Freiheitlichen Partei Österreichs.
Eine qualitativ empirische Untersuchung (Opladen 2004)
Anm.: Die Seitenangaben nach den Zitaten beziehen sich auf dieses Werk
Sekundärliteratur
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