Briefe aus dem KZ Dachau
13 Briefe des politischen Häftlings Raimund Olschinsky.(Häftlingsnummer 48369) aus dem Konzentrationslager Dachau.
Einleitung
„Die Nachbarin tut mir sehr leid, das war ja das Unglück, dass die Jungen damals in ihrer Dummheit dem
Scharlatan hineingefallen sind. Ich bin froh, dass unser Pepi da stets klüger war.“
„Am Freitag haben wir in unserem Betrieb einen Unterhaltungsnachmittag an dem ich 2 Lieder singe und
in einem Theaterstück einen Fleischhauermeister spiele.“
„Die sollen ihre Kinderabhärtungsexperimente ansetzten wie sie wollen aber die Kinder anderer
Leute in Ruhe lassen.“
„Ein so angenehmes Arbeiten habe ich nicht einmal in meinem Dienste beim Staatstelefon gehabt, wie ich
es hier habe.“
„Harre aus, bis diese trübe Zeit beendet ist. Natürlich sind Bosheit, Borniertheit und niedrige Gesinnung
schwer zu ertragen, doch wenn ich wieder bei Dir bin ist alles wieder gut.“
Dies sind Sätze aus Briefen, wie sie unterschiedlicher wohl kaum sein könnten. Die Briefe hat der „politische“
KZ-Häftling Raimund Olschinsky in der Zeit von November 1943 bis Februar 1945 aus dem Konzentrationslager
Dachau (bzw. dem Außenlager Bäumenheim bei Donauwörth) an seine Frau nach Wien geschickt. Der
inhaltliche Kontrast verblüfft – dass aber einige der kritischen Sätze von einem KZ-Häftling überhaupt
geschrieben wurden, durch die Zensur gegangen sind und offensichtlich keine Konsequenzen nach sich
gezogen haben, verwundert.
Es sind insgesamt 13 Briefe, die durch Zufall im Nachlaß der jüngsten Schwester von Raimund Olschinsky
im Jahr 2013 aufgefunden wurden und sie sind – abgesehen von den oben zitierten „Highlights“ – durchaus
lesenswert und zeitgeschichtlich interessant: die genaue Aufzählung aller vom Häftling empfangenen
Sendungen diente offensichtlich nicht nur der Kontrolle (für ihn und auch für die Angehörigen), ob alles ordnungsgemäß angekommen ist, sondern sie zeigt auch, was im „KZ-Alltag“ notwendig war oder durchaus
auch als „Luxus“ empfunden wurde. Es finden sich einige interessante Details zum Lageralltag und es ist
erkennbar, dass zumindest die „Politischen“ auch ziemlich genau über das Geschehen
außerhalb des Konzentrationslagers informiert waren.
Der „politische Lebenslauf“ von Raimund Olschinsky
Geboren am 13. Jänner 1900 in Wien, gestorben ebenda am 13. Jänner 1979.
KZ-Häftling in Dachau Nr. 48.369 ab Juni 1943, ab Oktober 1944 bis zur Befreiung 1945 im Arbeitslager
Bäumenheim bei Donauwörth.
Raimund Olschinsky war in den Zwanzigerjahren Mitglied der Sozialistischen Partei Österreichs und nach
deren Auflösung und Verbot im Ständestaat von 1935 bis 1937 Mitglied der illegalen NSDAP. Nach dem
„Anschluß“ wurde er am 15. 11. 1938 „als Parteianwärter und nachdem er kurze Zeit Blockleiter war, wegen
kommunistischer Betätigung verhaftet“ (Abschrift aus dem Gauakt Nr. 123347, Bericht der NSDAP Ortgruppe
„Edelhof“ vom 10.10 1939; Akt Raimund Olschinsky im Dokumentationsarchiv des Österreichischen
Widerstands, im folgenden DÖW).
Nach längerer Gestapo – Haft wurde über ihn im August 1939 die Untersuchungshaft verhängt und er wurde
ins Landesgericht überstellt. Die Anklage lautete auf „Verdacht der Vorbereitung zum Hochverrat“. Das
Verfahren wurde eingestellt, Raimund Olschinsky kam im April 1940 zurück in Gestapo-Haft (laut
Schutzhaftbefehl - gezeichnet Heydrich - stehe „O. im dringenden Verdacht der illegalen kommunistischen
Betätigung“ und gefährde daher „den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staats“ (DÖW).
Dennoch wurde Olschinsky schließlich am 15. Oktober 1940 enthaftet. Da „auch der Generalstaatsanwalt
beim Oberlandesgericht Wien das … gegen Sie anhängige Strafverfahren mangels eines Schuldbeweises
eingestellt hat“, wurde auch das zwischenzeitlich eingeleitete „Dienststrafverfahren“ eingestellt und
Olschinsky „somit wieder zum Dienst zugelassen“ (Schreiben des Präsidenten der Reichspostdirektion,
Wien 26. November 1940, Kopie beim Verfasser).
Am 30. September 1941 erfolgte die neuerliche Verhaftung und im Oktober wieder die Untersuchungshaft
und die Überstellung ins Landesgericht. Am 9. Jänner 1942 wurde er dem Volksgericht überstellt. „Raimund
Olschinsky wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.11. 1942 von der Anklage zur
Vorbereitung zum Hochverrat freigesprochen“ und am folgenden Tag wieder der Gestapo übergeben.„Da
auf Grund des bisherigen Verhaltens des O. der dringende Verdacht besteht, dass er sich in Freiheit gesetzt,
staatsfeindlich betätigen könnte, habe ich seine Einweisung in ein Konzentrationslager in Aussicht
genommen“ (Gauakt Nr. 123347, Schreiben der Staatspolizeileitstelle Wien an die Gauleitung vom
30. November 1942, Akt DÖW).
Am 12. Juni 1943 wurde Raimund Olschinsky nach Dachau überstellt. Ab Oktober war er in der Feuerwache
der Messerschmitt-Werke in Dachau eingeteilt. Am 13. Oktober 1944 wurde er in das Außenlager
Bäumenheim bei Donauwörth verlegt. Die Befreiung erlebte er am 29. April 1945 in Dachau (Auszug aus
den Aufzeichnungen der KZ - Gedenkstätte Dachau. Übermittelt per E-Mail am 17.4.2013 von Albert
Knoll - Archiv).
In Bäumenheim wurde von der Messerschmitt AG in Gebäuden der Landmaschinenfabrik Dechentreiter im
August 1944 nahe dem Bahnhof Asbach/Bäumenheim ein Auslagerungsbetrieb errichtet, in dem ca. 500
Häftlinge in zwei 12-Stunden-Schichten Teile für den Düsenjäger Me 262 produzierten. Bei einem
Fliegerangriff am 19. März 1945 gab es ca. 70 Tote und zahlreiche Verwundete. Nach Auflösung des Betriebs
wurden im April etwa 300 Häftlinge mit der Bahn nach Landsberg gebracht. Von dort mußten sie dann zu
Fuß nach Dachau marschieren (aus: „Der Ort des Terrors: Frühe Lager Dachau, Emslandlager. Hg. Wolfgang
Benz, Barbara Distel. München 2005. Beitrag von Dirk Riedel. S. 296-297).
Zur Mitgliedschaft bei der NSDAP und zum Gestapo-Vorwurf der kommunistischen Betätigung sind
noch einige Details erwähnenswert.
Laut Gauakt Nr. 123347 war Olschinsky von 1935 – 1937 NSDAP-Mitglied („Illegaler“) und dann im Sommer
1938 „Blockleiter“. Ein offenbar gestellter Antrag auf Aufnahme in die NSDAP wurde mit der Begründung
"Einstellung der Beitragsleistung“ abgelehnt (das Schreiben der Kreisleitung ist mit 3. Mai 1941 datiert; DÖW).
Maria Olschinsky, die Ehefrau von Raimund, hatte schon am 2. Jänner 1939 in einem Bittbrief an
„Pg. Gauleiter Josef Bürckel“ darauf hingewiesen, dass ihr Mann bereits zur Verbotszeit bei der NSDAP
gewesen wäre. „Dass er einige Zeit an die Partei keinen Beitrag bezahlte, ist lediglich darauf zurückzuführen,
dass wir mit unseren zwei unversorgten Kindern von seinem Einkommen von sage und schreibe 198. - - S
leben und alles hievon bestreiten mußten“ (Briefabschrift im Gauakt, DÖW).
Dass Raimund Olschinsky „kommunistische Kontakte“ hatte, wird nachfolgend aufgezeigt. Offen bleibt
allerdings die Frage, weshalb die Chance, einen Gesinnungsgenossen in die NSDAP„einzuschleusen“, am
Mitgliedsbeitrag gescheitert ist und hier die Kontaktleute nicht helfend eingesprungen sind.
Eine mögliche Erklärung wäre, dass Olschinsky im Jahr 1935 mit Hinblick auf den Wortteil „sozialistisch“ in „nationalsozialistisch“ zur illegalen NSDAP gegangen ist und spätestens 1937 erkennen mußte, dass diese
seinen Vorstellungen von Sozialismus nicht entsprach. Zugleich mit der Einstellung der Beitragszahlungen
wäre es wohl auch zu einer Intensivierung der kommunistischen Kontakte gekommen und nach dem
„Anschluß“ wäre es naheliegend gewesen, mit Hinweis auf die frühere „Illegalität“ nochmals zu versuchen,
als „illegaler Kommunist“ in der NSDAP Fuß zu fassen. Diese mögliche Variante läßt sich jedoch auf Grund
der vorhandenen Unterlagen nicht verifizieren.
Wesentlicher Teil der beiden Anklageschriften gegen Raimund Olschinsky waren seine – offenbar von der
Gestapo beobachteten - Kontakte zu vermeintlichen oder auch in anderen Prozessen „überführten“
Kommunisten. Die Verteidigungslinie zu diesen Vorwürfen wurde im bereits zitierten Schreiben von Maria
Olschinsky an Gauleiter Bürckel im Jänner 1939 vorgegeben. Als Obmann einer Siedlungsgesellschaft
habe Raimund Olschinsky versucht, Grundstücke zu verkaufen. Er mußte daher „mit zahlreichen Personen
unterhandeln, wobei er sich natürlich niemals um deren politische Gesinnung kümmerte, da dies ja für den
Kaufabschluß völlig unwichtig war. So kam es, dass er infolge Geldmangels, um eine Konsumierung in
einem Kaffeehaus zu ersparen, mit den Grundinteressenten und Käufern an diversen Orten zusammenkam,
wobei es natürlich leicht möglich ist, dass unter diesen Käufern, der eine oder andere kein Nationalsozialist
war. Jedenfalls wußte mein Mann von der politischen Gesinnung der Käufer überhaupt nichts“. Er wäre
auf diese Weise „ wirklich unschuldig in den Verdacht geraten“ (DÖW).
In einem anderen Kommunistenprozeß wurde dem „angeklagten Langer“ vorgeworfen, dass er „im Herbst
1938 durch seinen Freund Raimund Olschinsky mit der jüdischen Ärztin Dr. Köck zusammengebracht“
worden wäre, die ihn „aufsuchte und sich mit Toni vorstellte“. In mehreren Aussprachen wäre es um die
Gründung eines „sozialistischen Staates“ gegangen. Köck hätte Langer dann mit weiteren zum Teil bereits
angeklagten Kommunisten zusammengebracht (DÖW).
Die Tochter von Raimund und Maria Olschinsky, Grete Sandner (geb. 1930), erinnerte sich in einem
Gespräch am 17.Februar 2014 in Wien, dass sie von ihrem Vater mehrmals zum Wiener Augarten
mitgenommen worden war. Am Rande des Parks war eine Greißlerei (ein kleines Lebensmittelgeschäft),
deren Besitzer Langer hieß (Franz Langer war einer der Hauptzeugen im Prozess gegen Raimund
Olschinsky). Laut Sandner gab es hinter dem Geschäftslokal ein Zimmer, in dem sich ihr Vater mit einigen
Männern zu Gesprächen getroffen hatte. Das Mädchen war zwar dabei, achtete jedoch damals
nicht auf die Gesprächsinhalte. In Erinnerung geblieben ist ihr jedoch, dass einige Male auch eine
„Frau Doktor“ anwesend war (ob das die Frau Dr. Köck war, weiß Sandner allerdings nicht). Aus späteren
(Familien-)Gesprächen ist ihr erinnerlich, dass es sich um die sogenannte kommunistische „Zelle
Wallensteinplatz“ gehandelt habe.
Der Freispruch im Prozeß gegen Raimund Olschinsky basierte vorwiegend auf der Tatsache, dass die
von der Anklage vorgesehenen Belastungszeugen sogar für Richter im Nazi-Regime nicht ausreichend
waren. Der offensichtlich nicht ganz „unberechtigte Verdacht“ der Gestapo blieb jedoch und begründete
die„Schutzhaft“.
Details zum Prozess finden sich in einer beigefügten, gesonderten Dokumentation: sie trägt den
Titel „Verhandlung 1942“ und ist am Beginn mit dem handschriftlichen Vermerk von Raimund Olschinsky
versehen. „Meine 2. Verhaftung. Gedächtnisprotokoll vom November 1942, als Kassiber vom
Polizeigefangenenhaus Rossauerlände im Mai 1943 (als Hausarbeiter) herausgeschmuggelt“.
Einige Jahre nach dem Krieg hat sich Raimund Olschinsky von seiner Frau Maria getrennt. Die 13 von
ihm geschriebenen Briefe (wenn man davon ausgeht, daß er das Recht, zweimal monatlich zu schreiben,
wahrgenommen hat, etwa ein Drittel seiner Dachau -Korrespondenz) hat er offensichtlich an sich
genommen und seiner jüngsten Schwester Irma Krämer zur Aufbewahrung übergeben. Ich habe die
Briefe im Jahr 2013 lange nach ihrem Tod (1986) in einem kleinen verschnürten Päckchen in einem
Konvolut alter Familiendokumente entdeckt. Ich glaube, daß die Veröffentlichung
– auch durchaus privater Details - heute rund 70 Jahre danach, auch im Sinne meines Onkels Raimund
Olschinsky und meiner Tante Irma Krämer ist. Das Einvernehmen mit Grete Sandner, der Tochter aus
erster Ehe, sowie mit Regina Tonitz und Raimund Tonitz, den Kindern aus einer späteren Beziehung von
Raimund Olschinsky, habe ich hergestellt.
Dr. Wolfgang Pav
Einleitung
„Die Nachbarin tut mir sehr leid, das war ja das Unglück, dass die Jungen damals in ihrer Dummheit dem
Scharlatan hineingefallen sind. Ich bin froh, dass unser Pepi da stets klüger war.“
„Am Freitag haben wir in unserem Betrieb einen Unterhaltungsnachmittag an dem ich 2 Lieder singe und
in einem Theaterstück einen Fleischhauermeister spiele.“
„Die sollen ihre Kinderabhärtungsexperimente ansetzten wie sie wollen aber die Kinder anderer
Leute in Ruhe lassen.“
„Ein so angenehmes Arbeiten habe ich nicht einmal in meinem Dienste beim Staatstelefon gehabt, wie ich
es hier habe.“
„Harre aus, bis diese trübe Zeit beendet ist. Natürlich sind Bosheit, Borniertheit und niedrige Gesinnung
schwer zu ertragen, doch wenn ich wieder bei Dir bin ist alles wieder gut.“
Dies sind Sätze aus Briefen, wie sie unterschiedlicher wohl kaum sein könnten. Die Briefe hat der „politische“
KZ-Häftling Raimund Olschinsky in der Zeit von November 1943 bis Februar 1945 aus dem Konzentrationslager
Dachau (bzw. dem Außenlager Bäumenheim bei Donauwörth) an seine Frau nach Wien geschickt. Der
inhaltliche Kontrast verblüfft – dass aber einige der kritischen Sätze von einem KZ-Häftling überhaupt
geschrieben wurden, durch die Zensur gegangen sind und offensichtlich keine Konsequenzen nach sich
gezogen haben, verwundert.
Es sind insgesamt 13 Briefe, die durch Zufall im Nachlaß der jüngsten Schwester von Raimund Olschinsky
im Jahr 2013 aufgefunden wurden und sie sind – abgesehen von den oben zitierten „Highlights“ – durchaus
lesenswert und zeitgeschichtlich interessant: die genaue Aufzählung aller vom Häftling empfangenen
Sendungen diente offensichtlich nicht nur der Kontrolle (für ihn und auch für die Angehörigen), ob alles ordnungsgemäß angekommen ist, sondern sie zeigt auch, was im „KZ-Alltag“ notwendig war oder durchaus
auch als „Luxus“ empfunden wurde. Es finden sich einige interessante Details zum Lageralltag und es ist
erkennbar, dass zumindest die „Politischen“ auch ziemlich genau über das Geschehen
außerhalb des Konzentrationslagers informiert waren.
Der „politische Lebenslauf“ von Raimund Olschinsky
Geboren am 13. Jänner 1900 in Wien, gestorben ebenda am 13. Jänner 1979.
KZ-Häftling in Dachau Nr. 48.369 ab Juni 1943, ab Oktober 1944 bis zur Befreiung 1945 im Arbeitslager
Bäumenheim bei Donauwörth.
Raimund Olschinsky war in den Zwanzigerjahren Mitglied der Sozialistischen Partei Österreichs und nach
deren Auflösung und Verbot im Ständestaat von 1935 bis 1937 Mitglied der illegalen NSDAP. Nach dem
„Anschluß“ wurde er am 15. 11. 1938 „als Parteianwärter und nachdem er kurze Zeit Blockleiter war, wegen
kommunistischer Betätigung verhaftet“ (Abschrift aus dem Gauakt Nr. 123347, Bericht der NSDAP Ortgruppe
„Edelhof“ vom 10.10 1939; Akt Raimund Olschinsky im Dokumentationsarchiv des Österreichischen
Widerstands, im folgenden DÖW).
Nach längerer Gestapo – Haft wurde über ihn im August 1939 die Untersuchungshaft verhängt und er wurde
ins Landesgericht überstellt. Die Anklage lautete auf „Verdacht der Vorbereitung zum Hochverrat“. Das
Verfahren wurde eingestellt, Raimund Olschinsky kam im April 1940 zurück in Gestapo-Haft (laut
Schutzhaftbefehl - gezeichnet Heydrich - stehe „O. im dringenden Verdacht der illegalen kommunistischen
Betätigung“ und gefährde daher „den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staats“ (DÖW).
Dennoch wurde Olschinsky schließlich am 15. Oktober 1940 enthaftet. Da „auch der Generalstaatsanwalt
beim Oberlandesgericht Wien das … gegen Sie anhängige Strafverfahren mangels eines Schuldbeweises
eingestellt hat“, wurde auch das zwischenzeitlich eingeleitete „Dienststrafverfahren“ eingestellt und
Olschinsky „somit wieder zum Dienst zugelassen“ (Schreiben des Präsidenten der Reichspostdirektion,
Wien 26. November 1940, Kopie beim Verfasser).
Am 30. September 1941 erfolgte die neuerliche Verhaftung und im Oktober wieder die Untersuchungshaft
und die Überstellung ins Landesgericht. Am 9. Jänner 1942 wurde er dem Volksgericht überstellt. „Raimund
Olschinsky wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.11. 1942 von der Anklage zur
Vorbereitung zum Hochverrat freigesprochen“ und am folgenden Tag wieder der Gestapo übergeben.„Da
auf Grund des bisherigen Verhaltens des O. der dringende Verdacht besteht, dass er sich in Freiheit gesetzt,
staatsfeindlich betätigen könnte, habe ich seine Einweisung in ein Konzentrationslager in Aussicht
genommen“ (Gauakt Nr. 123347, Schreiben der Staatspolizeileitstelle Wien an die Gauleitung vom
30. November 1942, Akt DÖW).
Am 12. Juni 1943 wurde Raimund Olschinsky nach Dachau überstellt. Ab Oktober war er in der Feuerwache
der Messerschmitt-Werke in Dachau eingeteilt. Am 13. Oktober 1944 wurde er in das Außenlager
Bäumenheim bei Donauwörth verlegt. Die Befreiung erlebte er am 29. April 1945 in Dachau (Auszug aus
den Aufzeichnungen der KZ - Gedenkstätte Dachau. Übermittelt per E-Mail am 17.4.2013 von Albert
Knoll - Archiv).
In Bäumenheim wurde von der Messerschmitt AG in Gebäuden der Landmaschinenfabrik Dechentreiter im
August 1944 nahe dem Bahnhof Asbach/Bäumenheim ein Auslagerungsbetrieb errichtet, in dem ca. 500
Häftlinge in zwei 12-Stunden-Schichten Teile für den Düsenjäger Me 262 produzierten. Bei einem
Fliegerangriff am 19. März 1945 gab es ca. 70 Tote und zahlreiche Verwundete. Nach Auflösung des Betriebs
wurden im April etwa 300 Häftlinge mit der Bahn nach Landsberg gebracht. Von dort mußten sie dann zu
Fuß nach Dachau marschieren (aus: „Der Ort des Terrors: Frühe Lager Dachau, Emslandlager. Hg. Wolfgang
Benz, Barbara Distel. München 2005. Beitrag von Dirk Riedel. S. 296-297).
Zur Mitgliedschaft bei der NSDAP und zum Gestapo-Vorwurf der kommunistischen Betätigung sind
noch einige Details erwähnenswert.
Laut Gauakt Nr. 123347 war Olschinsky von 1935 – 1937 NSDAP-Mitglied („Illegaler“) und dann im Sommer
1938 „Blockleiter“. Ein offenbar gestellter Antrag auf Aufnahme in die NSDAP wurde mit der Begründung
"Einstellung der Beitragsleistung“ abgelehnt (das Schreiben der Kreisleitung ist mit 3. Mai 1941 datiert; DÖW).
Maria Olschinsky, die Ehefrau von Raimund, hatte schon am 2. Jänner 1939 in einem Bittbrief an
„Pg. Gauleiter Josef Bürckel“ darauf hingewiesen, dass ihr Mann bereits zur Verbotszeit bei der NSDAP
gewesen wäre. „Dass er einige Zeit an die Partei keinen Beitrag bezahlte, ist lediglich darauf zurückzuführen,
dass wir mit unseren zwei unversorgten Kindern von seinem Einkommen von sage und schreibe 198. - - S
leben und alles hievon bestreiten mußten“ (Briefabschrift im Gauakt, DÖW).
Dass Raimund Olschinsky „kommunistische Kontakte“ hatte, wird nachfolgend aufgezeigt. Offen bleibt
allerdings die Frage, weshalb die Chance, einen Gesinnungsgenossen in die NSDAP„einzuschleusen“, am
Mitgliedsbeitrag gescheitert ist und hier die Kontaktleute nicht helfend eingesprungen sind.
Eine mögliche Erklärung wäre, dass Olschinsky im Jahr 1935 mit Hinblick auf den Wortteil „sozialistisch“ in „nationalsozialistisch“ zur illegalen NSDAP gegangen ist und spätestens 1937 erkennen mußte, dass diese
seinen Vorstellungen von Sozialismus nicht entsprach. Zugleich mit der Einstellung der Beitragszahlungen
wäre es wohl auch zu einer Intensivierung der kommunistischen Kontakte gekommen und nach dem
„Anschluß“ wäre es naheliegend gewesen, mit Hinweis auf die frühere „Illegalität“ nochmals zu versuchen,
als „illegaler Kommunist“ in der NSDAP Fuß zu fassen. Diese mögliche Variante läßt sich jedoch auf Grund
der vorhandenen Unterlagen nicht verifizieren.
Wesentlicher Teil der beiden Anklageschriften gegen Raimund Olschinsky waren seine – offenbar von der
Gestapo beobachteten - Kontakte zu vermeintlichen oder auch in anderen Prozessen „überführten“
Kommunisten. Die Verteidigungslinie zu diesen Vorwürfen wurde im bereits zitierten Schreiben von Maria
Olschinsky an Gauleiter Bürckel im Jänner 1939 vorgegeben. Als Obmann einer Siedlungsgesellschaft
habe Raimund Olschinsky versucht, Grundstücke zu verkaufen. Er mußte daher „mit zahlreichen Personen
unterhandeln, wobei er sich natürlich niemals um deren politische Gesinnung kümmerte, da dies ja für den
Kaufabschluß völlig unwichtig war. So kam es, dass er infolge Geldmangels, um eine Konsumierung in
einem Kaffeehaus zu ersparen, mit den Grundinteressenten und Käufern an diversen Orten zusammenkam,
wobei es natürlich leicht möglich ist, dass unter diesen Käufern, der eine oder andere kein Nationalsozialist
war. Jedenfalls wußte mein Mann von der politischen Gesinnung der Käufer überhaupt nichts“. Er wäre
auf diese Weise „ wirklich unschuldig in den Verdacht geraten“ (DÖW).
In einem anderen Kommunistenprozeß wurde dem „angeklagten Langer“ vorgeworfen, dass er „im Herbst
1938 durch seinen Freund Raimund Olschinsky mit der jüdischen Ärztin Dr. Köck zusammengebracht“
worden wäre, die ihn „aufsuchte und sich mit Toni vorstellte“. In mehreren Aussprachen wäre es um die
Gründung eines „sozialistischen Staates“ gegangen. Köck hätte Langer dann mit weiteren zum Teil bereits
angeklagten Kommunisten zusammengebracht (DÖW).
Die Tochter von Raimund und Maria Olschinsky, Grete Sandner (geb. 1930), erinnerte sich in einem
Gespräch am 17.Februar 2014 in Wien, dass sie von ihrem Vater mehrmals zum Wiener Augarten
mitgenommen worden war. Am Rande des Parks war eine Greißlerei (ein kleines Lebensmittelgeschäft),
deren Besitzer Langer hieß (Franz Langer war einer der Hauptzeugen im Prozess gegen Raimund
Olschinsky). Laut Sandner gab es hinter dem Geschäftslokal ein Zimmer, in dem sich ihr Vater mit einigen
Männern zu Gesprächen getroffen hatte. Das Mädchen war zwar dabei, achtete jedoch damals
nicht auf die Gesprächsinhalte. In Erinnerung geblieben ist ihr jedoch, dass einige Male auch eine
„Frau Doktor“ anwesend war (ob das die Frau Dr. Köck war, weiß Sandner allerdings nicht). Aus späteren
(Familien-)Gesprächen ist ihr erinnerlich, dass es sich um die sogenannte kommunistische „Zelle
Wallensteinplatz“ gehandelt habe.
Der Freispruch im Prozeß gegen Raimund Olschinsky basierte vorwiegend auf der Tatsache, dass die
von der Anklage vorgesehenen Belastungszeugen sogar für Richter im Nazi-Regime nicht ausreichend
waren. Der offensichtlich nicht ganz „unberechtigte Verdacht“ der Gestapo blieb jedoch und begründete
die„Schutzhaft“.
Details zum Prozess finden sich in einer beigefügten, gesonderten Dokumentation: sie trägt den
Titel „Verhandlung 1942“ und ist am Beginn mit dem handschriftlichen Vermerk von Raimund Olschinsky
versehen. „Meine 2. Verhaftung. Gedächtnisprotokoll vom November 1942, als Kassiber vom
Polizeigefangenenhaus Rossauerlände im Mai 1943 (als Hausarbeiter) herausgeschmuggelt“.
Einige Jahre nach dem Krieg hat sich Raimund Olschinsky von seiner Frau Maria getrennt. Die 13 von
ihm geschriebenen Briefe (wenn man davon ausgeht, daß er das Recht, zweimal monatlich zu schreiben,
wahrgenommen hat, etwa ein Drittel seiner Dachau -Korrespondenz) hat er offensichtlich an sich
genommen und seiner jüngsten Schwester Irma Krämer zur Aufbewahrung übergeben. Ich habe die
Briefe im Jahr 2013 lange nach ihrem Tod (1986) in einem kleinen verschnürten Päckchen in einem
Konvolut alter Familiendokumente entdeckt. Ich glaube, daß die Veröffentlichung
– auch durchaus privater Details - heute rund 70 Jahre danach, auch im Sinne meines Onkels Raimund
Olschinsky und meiner Tante Irma Krämer ist. Das Einvernehmen mit Grete Sandner, der Tochter aus
erster Ehe, sowie mit Regina Tonitz und Raimund Tonitz, den Kindern aus einer späteren Beziehung von
Raimund Olschinsky, habe ich hergestellt.
Dr. Wolfgang Pav
13 Briefe aus Dachau (Reinschrift)
Die Reinschrift der 13 zwischen dem 7. November 1943 und dem 18. Februar 1945 im KZ
Dachau überwiegend in Kurrentschrift verfaßten und nach Wien geschickten Briefe
wurde zum besseren Verständnis mit Anmerkungen versehen. Dies betrifft überwiegend
Personen und ihre Beziehung zu Raimund Olschinsky, in wenigen Fällen werden auch
Begebenheiten erläutert. Die Anmerkungen entspringen einerseits dem Wissen des Autors
(sowohl aus eigenem Erleben als auch aus „Familienüberlieferungen“) und sind mit AnmP. (Pav)
bezeichnet und andererseits den Erinnerungen von Grete Sandner (geb. 1930), der Tochter aus
der Ehe von Raimund und Maria Olschinsky in einem am 17. Februar 2014 in Wien geführten
Interview. Sie sind mit AnmS. (Sandner) versehen. Einige Sachverhalte bzw.
Personennamen konnten nicht geklärt werden (Anm?).
Die Orthographie wurde beibehalten.
Abschrift 01 (07-11-43) Dachau 3 K, den 7. November 1943
Meine liebe kleine Mutz! Heute am sechsten November habe ich zeitgerecht auch Deinen zweiten
Brief bekommen, sodass ich Dir beide beantworten kann. Deine Planskizze hat mich genügend
orientiert. Die zwei Pfirsiche waren sehr gut. Der Konrad (Anm.: jüngerer Bruder, zu dieser Zeit in
Norwegen) tut mir sehr leid. Ich danke für die Grüße von ihm und Antschi (Anm.: Konrads Frau)
und grüße selbst auch beide. Antschi danke ich für das Packerl. Die Bäckerei war erstklassig und
besonders überraschend war der Zucker und der Bohnenkaffee, der war prima. Auch für die
Zigaretten und die 3 Käse besten Dank. Von der Anna (AnmS.: Schwägerin, Schwester von Maria
Olschinsky) bekomme ich monatlich zweimal ein Packerl zumeist ist zirka 5 – 8 dkg Fett,
2 – 3 Schnitten Biskuit, etwas Mehl und auch einige dkg Zucker, 1 Apfel und Maggiwürze darinnen.
Manchmal auch 5 – 7 dkg Selchspeck. Ich schreibe doch in jedem Brief von der Anna und danke
für die Pakete. Lasse mir sie grüßen. Dein Paket habe ich anfangs dieser Woche bekommen und
ich danke Dir dafür sowie dem Pepi (AnmS.: Stiefsohn, von Maria Olschinsky in die Ehe
mitgebracht) für die Zigaretten mit Deinen 40 Stk. Schau dass Du mir Zigarettenpapier auftreibst,
soviel als möglich. Auch eine Schlafmütze brauche ich. Was hat doch Lia (AnmP.: jüngere Schwester,
Mutter des Verfassers) diese Arme für ein Pech. Hoffentlich geht alles glücklich vorüber (AnmP.: bezieht
sich auf die überaus komplikationsreiche Geburt des Verfassers am 5. Oktober 1943). Ich lasse sie
herzl. Grüßen, sowie Mutter, Irma (AnmP.: jüngste Schwester), Hansl (AnmP.: Hans, Ehemann von I
rma), Joschi (AnmP.: Josef, Ehemann von Lia) und deinen Vater sowie alle anderen. Die Wurst war
natürlich sehr gut. Auf den Vukovich (AnmS.: Tischler, Nachbar von Schwägerin Anna) bin ich weiter
nicht neugierig. Was soll uns dessen Hilfe? Der soll nur bleiben wo er ist. Ich bin gesund. Das Geld
bekomme ich immer, erst heute wieder. Bitte schickt kein Geld mehr. Ich bekomme keines, da ich
- weil ich fleißig arbeite - monatl. 12. - Mark Prämie bekomme und dafür mir weniger kaufen kann als
einer, der wenig arbeitet, aber dafür sein Konto nach Belieben benützen kann, weil er keine Prämie
bekommt. Auch Mehl schicke keines mehr, vielleicht Nudel u. geriebenen Mohn oder Brösel und
Zucker. Dass sich Pepi ein Geschäft gekauft hat (AnmS.: eine Schlosserei am - heutigen -Wiener
Judenplatz) kann ich, so sehr er sich wahrscheinlich freut, aus ganz bestimmten Gründen nicht
gutheißen. Was halst er sich da auf! Nun lässt es sich ja nicht ändern, das Geschäft wäre besser
unverkauft geblieben. Du selbst hast noch mehr Hetzerei und er? Grüße und Küsse unserer
Gittimaus (AnmP.: Tochter Grete). In der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen, Küsse und
Grüße, herzlichst von Deinem Raimund.
Abschrift 02 (21-11-43) Dachau 3K, den 21. November 1943
Meine liebe kleine Muz! Deinen lieben Brief mit Freuden erhalten. Mutters Paket mit den guten
Buchteln habe ich auch erhalten. Ich glaube auch 5.-- R. M. von Mutter im Paket erhalten zu haben
da ich auf der Zahlmeisterei Bescheid bekam. Ebenso vor 14 Tagen von Antschi. Bitte sie sollen
kein Geld mehr schicken. Von Anna bekam ich auch wieder ein Päckchen wofür ich mich mit vielen
Grüßen herzlich bedanke. Schließlich bekam ich auch Dein Paket. Was hat doch die Gitti für einen
guten Apfelkuchen gebacken. Ja gibt’s denn so etwas auch? Wie die schon fein backen kann! Ich
freue mich schon auf den Mohnstrudel. Du liebe Muz mußt scheinbar fernsehen können. Ehe Du
meinen Brief hattest in dem ich um eine Schlafmütze bat, bekam ich zu meiner Überraschung diese
im Packerl von Dir. Ich bitte Dich, nächstens mir im Paket Schuhbänder, Mans(chetten).knöpfe,
Sacharin oder Zucker, Brausepulver und einen Schal zu senden. Letzteren habe ich leider
bei der Theatervorstellung verloren. Seife habe ich jetzt genug da mir Anna 2-mal welche schickte.
Ich habe 5 Minuten ins Bad, ebenso lange in die Bibliothek und ins Theater oder Kino, einige
Minuten zur Arbeit und Abends spaziere ich zumeist allein durch die elektr(isch). beleuchteten Straßen.
Um 9 h liege ich im Bett und um 5 h stehe ich auf. In unserer Stube ist ein großer Kachelofen und es
ist stets warm geheizt. Schachspielen, Lesen und plaudern von Wien mit anderen Wienern; so
vergeht die Zeit und gar nicht so langsam. Samstag, Sonntag nähen, waschen, stopfen! Und was für
Löcher! Größer wie der ganze Fuß. O, je. Es freut mich, dass Gitti„endlich einmal“ dazu kam mir zu
schreiben. So schnell wird es ja nun nicht sein wie sie meint. Doch auf jeden Winter kommt ein Frühling.
Ich lasse Lia und ihr Kind und Joschi, sowie Mutter, Irma, Hansl, Pepi und Lisl (AnmS. Schwiegertochter,
Frau von Pepi in Erwartung eines Kindes) - (Großvater? Ja und was ist‘s dann mit der Großmutter?)
herzlichst grüßen. Auch Antschi und Konrad. Letzterem gratuliere ich auch zum Namenstag. Grüße mir
auch Franz (AnmS.: Schwager, Bruder von Maria Olschinsky, Besitzer einer Fleischhauerei), Rosa
(AnmS.: Frau von Franz) und Deinen Vater sowie die Nachbarin und Gesswein (AnmP.: Nachbar in der
Kleingartensiedlung „Rieglerhütte“) sowie alle anderen Bekannten. Es freut mich ja auch, dass Pepi so
unternehmungslustig ist. Doch haben meine Bedenken eine ganz andere Ursache. Nichtsdestoweniger
wünsche ich ihm vollen Erfolg. Bitte schreibe mir die Adresse von dem Geschäft. Busserln unsrer Gitti.
Heisse Küsse Dir mein alles von Deinem Raimund.
Zahnbürste und Sacharin um jeden Preis.
Abschrift 03 (05-12-43) Dachau, den 5. 12. 43
Mein liebes Muzi! Deinen lieben Brief habe ich am 4.XII. 43 erhalten, dein Paket am Samstag
den 27. XI. 43 mit allen den Dingen die Du mir angabst. Der Mohnstrudel ist leider zu rasch meinem
Spind entschwunden obwohl ich sparte, dabei habe ich von Lia mit einem Begleitgruß von ihr und Antschi
zwei Briefpackerln bekommen in denen delikate Bäckerei, Nudeln und Haferflocken waren. Könntet ihr mir
vielleicht Gulaschwürfel schicken? Gibt es so etwas? Oder könntest Du ein Paprikakonzentrat machen?
Zwiebel habe ich, da wir diesen kiloweise zu kaufen bekommen. Auch Fett kann ich mir zusammensparen.
Es ist für mich zu beängstigend zu wissen, dass Gitti so schwer krank ist. Lasse sie doch nicht überall
mittun (AnmS.: die Erkrankung war„nicht so schwer“, hat jedoch eine Aufnahme in den BDM verhindert).
Die sollen ihre Kinderabhärtungsexperimente ansetzten wie sie wollen aber die Kinder anderer
Leute in Ruhe lassen. Ich sehe aus Deinem Schreiben dass Du selbst schwer darunter leidest. Zu gleicher
Zeit mit Deinem bekam ich auch Peperls Brief. Ich werde versuchen, ob mir ein Schreiben an ihn bewilligt
wird. Ich habe nur Zukunftsbedenken, wogegen ich von seiner Tatkraft und Unternehmungsgeist
geradezu entzückt und auf ihn selbst stolz bin. Trotzdem mir beim Brand meine ganzen Habseligkeiten
verbrannt sind, auch die zweite Hose, brauchst Du mir doch nichts zu schicken da ich ganz gute Zivilkleider
und auch langen Mantel habe, ebenso Handschuhe und Ohrenschützer haben wir gefaßt. Mir geht es in
meinem Betrieb ausgezeichnet, da ich einer der Bevorzugten unseres Chefs bin. Ich habe jetzt 15.- R.M.
Monatsprämie und es wurde mir eine neuerliche Erhöhung in Aussicht gestellt. Einer Verbesserung wegen
bekam ich auch eine Sonderprämie zugesprochen. Im übrigen habe ich trotzdem die Freude bis auf zwei,
drei Neidern unter den 250 keine Feinde sondern Schätzer zu haben. Ein so angenehmes Arbeiten
habe ich nicht einmal in meinem Dienste beim Staatstelefon gehabt, wie ich es hier habe. Ihr könnt also in
dieser Hinsicht völlig beruhigt über mich sein. Dass ich nicht vergesse: die Mohnstrudel waren sehr gut.
Zu wenig Süßstoff habe ich leider. Gittis Haferflockenkugeln waren vorzüglich. Ich habe geglaubt, die
wären vom Zuckerbäcker und jetzt lese ich erstaunt: von Gitti! Ich bin 68 kg schwer. Unsere Maus soll
das so machen mit dem Beruf wie sie mir schreibt. Das ist ganz gut. Ich bin gesund. Am Freitag den
10. XII. haben wir in unserem Betrieb einen Unterhaltungsnachmittag an dem ich 2 Lieder
(verliebt, verl.(obt), verh.(eirat) u. Neulich denk i ma lasst di vafürn) singe und in einem Theaterstück einen
Fleischhauermeister spiele. Ich grüße alle! Dir mein einziges Glück recht innige Küsse von Deinem Raimund.
Abschrift 04 (16-01-44) Dachau, den 16. I. 1944
Meine liebe Murli! Durch verschiedene Umstände, die mir selbst nicht bekannt sind, wurde der
Schreibetermin immer verschoben. Wenn du von mir längere Zeit keinen Brief bekommst, so musst du nicht
glauben es sei mir etwas zugestoßen, denn in diesem Falle würdest du viel rascher amtlich verständigt. Du
sollst deshalb auf keinen Fall Besorgnisse hegen, sondern vielmehr zweimal im Monat mir schreiben, ob du
nun ein Schreiben von mir erhältst oder nicht. Ebenso kannst du mir laufend Pakete schicken. Ich habe nach
4 Tagen deine zwei kleinen Briefpakete mit dem angegebenen Inhalt bekommen und danke dir dafür.
Am 14. I. bekam ich von Antschi ein Paket mit Buchtel, Sardinen, Äpfel, Zigaretten, Käse, Grammeln,
Suppenwürze und Zuckerln und danke ihr herzlich sowie auch für ihre liebe Gratulationskarte. Auch von
Anna (30.XII.) bekam ich ein Paket vom Abstechen, wofür ich ihr vielen Dank sage. Warum schickt mir Pepi
keine Antwort auf meinen Brief? Wie geht es Allen? Und Dir meine Liebe? Und Gitti? Mir geht es gut, nur bin
ich leider noch immer heiser. Hast Du nichts gegen Heiserkeit? Feuersteine brauche ich auch. Was
macht Onkel Schorsch? (AnmS.: Wirt des Gasthauses Rieglerhütte) Liebe Munki, habe Geduld und harre
aus, bis diese trübe Zeit beendet ist. Natürlich sind Bosheit, Borniertheit und niedrige Gesinnung schwer zu
ertragen, doch wenn ich wieder bei Dir bin ist alles wieder gut. Bleibe nur gesund, das ist die
Hauptsache und sorge auch für Gitti und ich bin es zufrieden. Grüße mir alle Angehörigen und Bekannten.
Viele Grüße auch an Pepi und Lisl, sowie Gitti. Wie oft träumt mir von Dir und wie bin ich da glücklich bei
Dir du Liebe zu sein. Wie küsse ich Dich da und bin dann so froh, Dein Raimund.
Abschrift 05 (13-02-44) Dachau 3K, den 13. Feber 1944
Meine liebe Kleine! Gerade noch zur rechten Zeit, heute Samstag den 12. II. bekam ich Dein Brieferl mit dem
Begleitschreiben von Gitti. Gittl braucht kein Abschlußzeugnis. Das hat Zeit. Dein Paket, das Du
auf der Westbahn aufgabst, bekam ich am Montag den 1. Feber und das Kleine, das Du weit früher
wegschicktest, am Mittwoch den 3. Feber zugleich mit dem von der Anna. Vielen Dank für Alles. Die
Mehlspeisen sind ja alle herrlich gut. Nur habe ich Bedenken, daß ihr soviel weißes Mehl nicht entbehren
könnt, deshalb meine ich es wäre besser, Du machtest Lebkuchen aus Dinkelmehl, da kannst Du mir dann
sicher mehr schicken, ohne dass es euch so sehr fehlt. Für tierisches Eiweiß von der Rosa bin ich natürlich
sehr eingenommen. Wenn Gitti jetzt aus der Schule kommt, so zieht in den Garten hinaus und richtet euch
den Keller gegen Sprengstücke sicher ein. In einer Ecke soll euch der Pepi unter der Decke noch einen
Eisenschutz machen und ein Stück Holzboden mit Sitzgelegenheit. Mir ist das viel lieber als das andere.
Also macht das so und bleibt beisammen. Geschehe was da mag, das ist das Richtige. Gittls Zuckerkugeln
sind vorzüglich. Wenn Du mich fragst, welche Mehlspeisen mir am besten schmeckten so war es natürlich
die Linzertorte mit Jam. Wir haben hier schon seit zwei Wochen sehr viel Schnee, doch ist es
nicht allzu kalt. Mir geht es gut und ich bin gesund. Meine Heiserkeit ist schon ziemlich weg aber Lisl’s
Zuckerln werden mir gute Dienste als vorbeugendes Mittel bereiten. Vielleicht bekommt ihr in der Apotheke
„Rheila“ (AnmP.: Hustenperlen) oder Ähnliches. Ich habe es hier immer sehr warm da wir genug Kohle haben.
Grüsse mir alle unsere Lieben jeden einzelnen und Peperl und Lisl sowie unsere Gittl. Dir mein Herzerl
viele tiefempfundene Küsse von Deinem Raimund.
Abschrift 06 (12-03-44) Dachau 3K, den 12. März 1944
Mein kleines Munkeli! Deinen Brief habe ich am 10. III. 44 erhalten wofür ich dir herzlich danke. Heute den
11. III. kam auch Dein Paket, es liegt schon in der Stube aber ich muß noch warten bis es kontrolliert wird im
Laufe des Nachmittags. Ich habe alles immer bekommen nur schreibe ich aus Platzmangel nicht alles auf.
Feuerstein habe ich den letzten, einen war ich schuldig. Dass es der Gitti schlecht gehen wird habe ich nie
angenommen, aber Wien ist von Lemberg 400 km die Tatra aber nur 200 km weit weg (AnmS.: die ganze
Schulklasse war von Jänner 1944 bis Juni 1944 dort in einem Heim untergebracht). Infolge der
defensiven Taktik ist sie dadurch näher der Gefahrenzone. Wien ist zentraler und von allen
Kriegsschauplätzen am weitesten entfernt gelegen und daher sicherer. Es freut mich wohl, dass es ihr gut
geht. Antschi hat sich sehr gekränkt, dass Gitti von ihr nicht Abschied nahm. Ich grüße sie und sie soll der
Antschitante einen schönen Brief schreiben. Ich habe vom Konrad den Zettel nicht bekommen. Ich danke
Antschi für das Packerl mit Lebensmitteln und Zigaretten vom Konrad. Gruß an ihn und sie. Ich danke auch
Anna für die Packerl und Grüße an sie, sowie Lia und Irma samt ihrem Anhang von denen ich nächster
Zeit erwarte was Gutes zu bekommen. Die Irma schaut ohnehin zu gut aus und der Hansl ist schon ganz gelb
vom Nikotin. Ob der Joschi Gelbsucht hat, weiß ich nicht. Ich lasse Frau Heggy (Anm.: ?) und ihren Mann
grüßen und danke für die Winterhilfe. Ebenso Grüße an Frau Holzner (AnmS.: Gasthaus vis a vis der
Fleischhauerei des Schwagers) und Kubu (AnmS.: ehemaliger Arbeitskollege) dem ich noch eine Krankheit
dazu wünsche. Von Pepi und Lisl hör ich garnichts, die schicken nur immer mit, aber wie es ihnen geht weiß
ich nicht? Was macht die Mutter? Allen viele Grüße. Wie geht es den verschiedenen Familienzuwächsen?
Jetzt kommt Lisl bald dran. Mein liebes Herzerl zu Deinem Namenstag alles Gute, bleibe mir gesund und
munter trotz allem und bedenke alles nimmt einmal sein Ende so auch diese ekelhafte Zeit und denke an
mich sowie an Dich denkt stets in Liebe Dein Raimund
Abschrift 07 (26-03-44) Dachau 3K, den 26. März 1944
Kleine Munki! Brief habe ich noch keinen von Dir, dafür aber Dein Paket. Herzlichsten Dank. Zwanzig
Zigaretten und 2 Lagen extra Papier und Tabak und so weiter. Im vorigen Paket die Steine kamen zur
rechten Zeit. Auch von Anna bekam ich hintereinander zwei kleine Packerln, viele Grüße und Dank. Peperl
und Lisl’s Paket habe ich, wie ich glaube, schon beim letzten Brief gehabt. Ball brauch ich keinen mehr, den
habe ich mir schon besorgt. Schicke mir bitte ansaplast mit Jodoformgaze und Ichthiolsalbe. Ich habe des
öfteren Abszesse die ich mir selbst behandle. Was macht kleines Mädchen in Tatra? Plagt sie noch nicht
der Wunsch bei Mama zu sein? Viele Grüße! Bin ich schon Großvater? Im allgemeinen geht es mir gut im
Besonderen, da ich von Euch jetzt so gut versorgt werde. Du warst doch seinerzeit krank! Hast jetzt alles
überwunden? Wie geht es allen unseren Angehörigen und Bekannten? Ihr hattet in letzter Zeit einigemale
Fliegeralarm! Ist in Wien oder Umgebung etwas zerstört worden? Wenn ja so schreibe es mir. Du
kannst Dir doch denken, dass mich alles interessiert. Hast Du rechte Angst ausgestanden? Was macht der
Garten? Der Konrad soll mir schreiben. Wolle brauchst Du mir keine mehr schicken. Wie geht es Rosa mit
ihrem Geschäft? Wasmacht Vater? Wie geht es Mutter? Ist Lia wieder besser? Grüße mir alle sowie
auch Irma und Antschi. Wie geht es Dir im Geschäft (AnmS.: Maria Olschinsky arbeitete in der Bäckerei
Schromm vis a vis der Wohnung in der Sternwartestraße) und wie sieht die Wohnung aus und die Tapeten?
Fürchtest Du Dich allein? Hat der Pepi noch die Garage in der Sobieskigasse? Wo wohnt die Lia jetzt?
Wann ist sie ausgezogen aus der Windmühlgasse? Schreibe mir ausführlich über Dich und Wien.
Ich drücke Dich und küsse Dich mein Lieberl Dein Raimund.
Abschrift 08 (14-05-44) Dachau 3K, den 14. Mai 1944
Mäderl mein kleines! Das darf Dich nicht erregen wenn Du von mir verspätet Post bekommst. Besonders
zu Feiertagen verschiebt sich der Schreibtag um eine Woche. Wenn außerdem die Zensur nicht wäre,
hättest Du ja stets postwendend Antwort. Ich habe jetzt natürlich Deinen avisierten Brief noch nicht, doch
glaube ich, dass Dir Gitti schon schrieb und ich Deinen Brief bald bekomme. Ich beantworte Deinen vorigen
Brief. Vorerst teile ich Dir mit, dass ich Dein Primapackerl in Ordnung bekommen habe. Ein
Extrabusserl dafür. Auch von Antschi bekam ich ein Päckchen mit vorzüglicher Bäckerei und von Konrad
Tabak. Grüße und Dank den beiden. Paket von Mundi (Anm.?) eingelangt heute Sonntag. Auch von Anna
heute.Dank und Gruß. Den Brief von der kleinen Slovakin habe ich noch nicht. Die Nachbarin tut mir sehr
leid, das war ja das Unglück, dass die Jungen damals in ihrer Dummheit dem Scharlatan hineingefallen sind.
Ich bin froh, dass unser Pepi da stets klüger war. Der Hoppy Franzl (AnmS.: Nachbar in der Sternwartestraße)
hat auch sein leid wenn er so weit weg krank liegt. Schicke ihm Grüße von mir. Hast Du Onkel Schorsch das
wegen Kurt (Anm.?) gesagt? Bitte drücke Frau Hofer (Anm.?) und Frau Karasek (Anm.?) mein Beileid aus.
Steinfest (AnmS.: Schwester von Schwägerin Rosa) und Franzl (AnmS.: der Schwager von Raimund
Olschinsky war bei der „SA“) wollten es ja so, da gibt es keine Traurigkeit. Dass Pepi seinen ersten Sohn
Raimund nennt, zeigt mir, dass er seinen verstorbenen Bruder noch immer in liebevollem Gedenken hat (AnmS.:
Sohn Raimund aus der Ehe von Raimund und Maria Olschinsky starb 1926 mit ca. drei Jahren). Ich glaube
Euch gern, dass alle voll Freude sind, freut es doch auch mich, obwohl ich das Kerlchen nicht sehen kann. Ich
bin sehr stark abgelenkt da ich meine Zeit voll ausgefüllt habe. Ich komme in kein Konzert und fast nicht zum
lesen. Das Essen ist jetzt besser, da endlich die verhassten Wrucken (AnmP.: Kohlrübeneintopf) zu Ende sind.
Bei uns sind jetzt die letzte Woche erst die Blätter herausgekommen. Wir liegen sehr hoch. Wetter ist jetzt gut.
Mir geht es persönlich sehr gut. Dank für die Zigaretten. Ist Deine Nervenentzündung schon vergangen? Seit
ich die Pflaster habe – kein Geschwür. Grüße alle einzeln von mir.
(AnmP.: letzte Zeile geschwärzt).
R.
Abschrift 09 (06-07-44) Dachau 3K, den 6. VII. 1944
Maus, süße kleine Maus! Wieder einmal um eine Woche später da ich Dir schreiben kann. Dein letztes
Schreiben vom 10.VII. habe ich. Dein letztes Paket habe ich in 4 Tagen gehabt. Aber ein Paket von der
Anna kam ganz verschimmelt an. Da war schuld, dass sie mir eine Marmelade dazu gab, die war
zerdrückt und die Feuchtigkeit hat alles verschimmelt. Selbst den Tabak! Ich habe kein Zigarettenpapier.
Ich brauche dringend eines soviel Du hast. Von der Antschi habe ich auch ein Packerl bekommen, ich danke
ihr und Konrad auch für die Grüße. Von der Irma habe ich das gute Pfingstpaket damals in gutem
Zustand bekommen und tut es mir leid wenn ich vergaß es Irma dankend zu bestätigen. Es war vorzüglich.
Deine letzten Mehlspeisen waren auch klassisch und Gitti danke ich für die Zigarettengrüße. Kirschen
schicke keine, überhaupt kein Obst, weil durch die Bombardierungen die Post oft stark verzögert ist. Ich
habe gehört, dass die Währinger Remise getroffen wurde. Was geschah dem Franzl seiner Wohnung?
Und Euch? Am Gürtel sind die meisten Scheiben hin u. s. w. Schreibe mir mehr. Ich habe Freude, dass
Munderl so gedeiht. Nun ist die Altersgrenze auf 50 hinaufgesetzt. Wie ist es da mit Dir? Wegen des
Kamins ist es nicht ratsam ihn weiter zu machen, sondern einen Kehrkamin über das Dach hinaus extra
legen ist richtig. Ich habe das damals auch nicht verstanden. Ihr macht alles so schön nach Deinen
Schilderungen und der Krieg nimmt kein Ende. Und doch hofft man auf ein glückliches
Wiederbeisammensein. Grüße mir alle und Dir mein Schatz viele Busserln von Deinem Raimund.
Abschrift10 (03-09-44) Dachau 3K, den 3. September 1044
Liebe Katze! Ich küsse Dich und danke Dir für Deinen Brief und das Paket, welches ich in gutem Zustand
und vollständig erhalten habe. Besonders für die Zigaretten. Hab auch alles erhalten. Auch von der Irma
und Antschi habe ich die Packerln erhalten. Dafür sende ich ihnen Extragrüsse und wird ihr Name in
meinem Schreiben erwähnt. Welche Auszeichnung. Aber Spaß beiseite. Es hat mir alles geschmeckt und
danke nochmals auch für Zigaretten von Dir, Irma, Georg und Konrad. Bei mir ist jetzt wieder alles in
Ordnung. Doch wird jetzt wahrscheinlich bald eine Änderung arbeitsmäßig bei mir eintreten. Ob ich hier
bleibe oder weg komme weiß ich nicht. Doch schicke nur an die Adresse, ich bekäme ja doch alles nach.
Dass Dir, Gitti und Pepi vorm Aufwaschen (Anm. ?) noch so Unangenehmes zustößt ist mir sehr
unangenehm. Auch dass Du nun monatelang krank bist, doch was kann ich machen. Ich kann Euch nicht
helfen, sondern nur hoffen, dass es doch nicht allzu lange dauert und ihr wieder gesund seid. Halte Du und0
Gitti Friede mit Lisl um des Kleinen und Pepi‘s Willen. Wenn ich nach Hause komme wird schon alles wieder
eingerenkt. Ich kenne das und weiß wie leicht Differenzen entstehen. Es ist jetzt wirklich nicht die Zeit dazu
sich über andere zu ärgern, besonders wenn’s im engeren Familienkreis vorkommt. Es gibt leider viel Ärgeres
im Leben. Macht alles was in Euren Kräften steht Euch mir zu erhalten, das selbe tu ich auch für Euch um
einst ein frohes Wiedersehen feiern zu können. Inzwischen viele Grüße an Alle. Und Dir herzlichste Küsse
von Deinem Kater.
Nachschrift:
Ich mache nochmals darauf aufmerksam, dass in Paketen weder offen oder versteckt Briefe, Photos oder
Geld gegeben werden dürfen, da dieses dann verfällt und gegen die Absender die Anzeige erstattet würde.
Abschrift 11 (03-12-44) Dachau 3K, den 3. XII. 44
Meine liebe kleine Maus! Diesmal habe ich noch kein Schreiben von Dir. Die Luftangriffskarte habe ich
bekommen. Ich danke hiefür. Diese Woche habe ich auch ein kleines Paket mit Birnen über Dachau
bekommen. Die waren überreif und teilweise gedörrt. Birnen halten sich nicht, nur Äpfel. Dann bekam ich
auch die guten Buchtel von Irma, mit Zigaretten. Besten Dank. Jetzt seid Ihr, außer der Irma, alle ohne
Männer (AnmP.: Irmas Mann Hans arbeitete in den Saurer-Werken, die anderen wurden zum Volkssturm
eingezogen). Auch die Anna ausgenommen (AnmS.: der Mann der Schwägerin arbeitete bei der Reichsbahn),
die ich bestens grüße samt ihrer Familie. Na und ich wäre ja auch bei Euch, wenn nicht diese verfluchte
Diskriminierung gewesen wäre. Doch trösten wir uns mit der Hoffnung auf ein Happy End, ein glückliches
Ende. Mir ist immer leichter, wenn ich Euch stets im Garten wüsste. Lasst Euch die Weihnachten nicht
verdriessen. Dieses Fest der Freude ist ja jetzt das Datum der Milliarden Tränen. Menschen in tiefer Not
und bitterem Leide. Doch bleibt gerade uns es offen mit Festigkeit und realem Ernst die Zeit zu überbrücken.
Die Hauptsache ist mir, ihr bleibt gesund und lebend und so es das Schicksal will, wir uns bald wiedersehen.
Ich bin gesund und bin bestrebt es zu bleiben. Wenn man der Zeitung nach urteilt wird es mit der Post
zwischen uns jetzt bald nicht zum Besten stehen. Dann bleibe stark wie ich es bleiben werde. Schreibe mir
inzwischen alle Vorkommnisse aus unserem großen Familienkreis. Ich grüße alle und wünsche auch allen
das Beste. Der kleine Munderl ist hoffentlich gesund; ich grüße ihn sowie Grete, Deine gute Hilfe. Dir heiße
Küsse von Deinem Raimund, der Dich stets liebt.
Geld eingelangt.
Stempel: Postzensurstelle K. L. Dachau 2.
Geprüft K.
An Frau Maria Olschinsky Wien
18/110
Abs.: Raimund Olschinsky, geb. am 13.1.1900 Gef. Nr.48369 Arbeitslager Bäumenheim bei Donauwörth,
Dechentreiter W.2
Abschrift 12 (07-01-45) Dachau 3K, den 7. Jänner 1945
Meine Anschrift ist geändert: R. Olschinsky, Kl. Dachau Arbeitslager Bäumenheim 3 b in Bäumenheim bei
Donauwörth, Bahnhofstraße.
Murli Munki liebe kleine Maus! Jedes Mal bekam ich Deinen Brief einen Tag nachdem wir schrieben. Diesmal
schreiben wir eine Woche später, da dachte ich mir, werde ich Deinen Brief vor meinem Schreiben bekommen.
Ja Schneck’n, das gibt’s nicht, da kommt er halt eine Woche und einen Tag noch später. Eure letzte Nachricht
habe ich vom 18. XII., eine Luftangriffskarte von der Greti. In der Zwischenzeit nach den Feiertagen bekam ich
etliche Pakete und zwar: wei von Dir mit Erdäpfelbrot und Äpfel, drei von Lisi und eines von der Irma. Im zweiten
von Dir war ein Mohnstrudel und natürlich alles übrige, Zigaretten usw., das Erdäpfelbrot war noch sehr gut. Es
fehlt mir jetzt noch das Paket von der Anna und die zwei Päckchen von Dir. Bitte gehe in die Drogerie Ecke der Liechtensteinstraße und Berggasse und kaufe ein Päckchen Dentofix für meine Gaumenplatte. Es kostet zirka
ein bis zwei Mark und schicke mir dieses. Die Mehlspeisen sind sehr gut, ich danke Euch allen dafür. Der Irma
lasse ich sagen, dass die Mohnbeugel in Watte gepackt tadellos angekommen sind, ebenso die Kokoskugerln
u. Zigaretten. Wie vom Zuckerbäcker. Ich danke für die Grüße. Wo ist jetzt Pepi? Munkerl, wie ist Eure
Stimmung? Meistens ist es mir leid, dass ich so weit weg von Euch bin. Wir werden leider noch härtere Zeiten
erleben als endlich Ruhe Einkehr hält. Was macht der Mundi, Wolfgang (AnmP.: Sohn von Lia) und die Greti?
Was die Fam. Angerer (AnmS.: Schwester von Maria Olschinsky) und Dichtl (AnmS.: Tochter von Angerer) ?
Ich grüße Irma, Hansl, Lia, Jo, Pepi, Lisl, alle Angerer, Mutter, Deinen Vater, Rosa, Franzl, unsere Nachbarn,
alle aus dem Garten und sonstigen Bekannten, die ich nicht alle anführen kann. Ich grüße meine kleine Greti,
die ja schon groß ist; Dich mein liebes Menscherl aber küsst Dein Raimund, der immer an Dich denkt.
An
Frau
Maria
Olschinsky
In Wien XVIII. / 110
Sternwartestrasse 8/30
.
Abschrift 13 (18-02-45) 18.2.45
Meine Liebe! Ich habe von Dir jetzt schon wieder allzu lange keine Nachricht. Es gehen scheinbar viele
Schreiben in Verlust. Bitte schreibe lieber öfter damit ich dann und wann doch eine Nachricht von Dir habe.
Dienstag hast Du Deinen lieben Geburtstag hoffentlich in Gesundheit und halbwegs guter
Stimmung. Dies ist mein dritter Brief ohne Antwort von Dir. Bis auf Paket Nr. 2 habe ich jetzt bis 7 alle
erhalten. Ein Paket von Pepi – Lisl habe ich erhalten, besten Dank. Grüße mir den kleinen Mundi und seine
Eltern. Ich war fünf Tage krank gelegen mit Pleuritis. Ich bin wohl noch nicht am Damm aber immerhin etwas
besser. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie mir schon alles zuwider ist. Diese ewigen Querelen mit fremden
Leuten, die einem völlig uninteressant sind. Man muss mit ihnen leben und weiß nicht warum dies alles und
wozu es gut ist. Ihr habt ja auch kein Honiglecken, das ist mir klar, aber immerhin könnt Ihr ausweichen, was
mir nicht möglich ist. Doch nützt dies alles ja nichts, es ist halt leider so. Wie lange noch, ich weiß es nicht.
Dabei die ewigen Sorgen um Euch. Wenn nur Euch allen nichts passiert. Vielleicht kommt doch die Zeit da
man wieder frei atmen kann. Die Pantoffel hätte ich nicht gebraucht. Was gibt es Neues bei Euch, was macht
die Greti und Du. Grüsse mir alle recht herzlich liebe Munki und sei Du selbst herzinnigst gegrüßt und geküsst
von Deinem Dich liebenden Gatten, von Deinem Raimund.
Stempel:
Postenzensurstelle K. L. Dachau 2
Geprüft: K.
Absenderanschrift:
Raimund Olschinsky Geb. am 13. 1. 1900 Gef.-Nr. 48369 Arbeitslager Bäumenheim in Bäumenheim
bei Donauwörth, Bahnhofstrasse
(Kl. Dachau)
Anschrift: Frau Maria Olschinsky
in Wien XVIII. / 110
Sternwartestrasse 8/30
Raimund Olschinsky - Foto nach 1945 - Identitätsausweis.
Gedächtnisprotokoll 1942 (Gerichtsverhandlung)
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