Wolfgang Pav
Willkommen auf der homepage von Wolfgang Pav.



​* 1943, Wien. Mag. et Dr. phil (Geschichte). Historiker, freier Journalist in Wien, Vortragstätigkeit.
Sie können hier - vorwiegend historische - Texte von wissenschaftlichen Arbeiten und Vorträgen aufrufen.





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Zur Zeit verfügbar:

Dissertation über Oesterreichs Statthalter in Dalmatien 1906-1911, Nikolaus Nardelli.

Diplomarbeit über die dalmatinischen Abgeordneten im Wiener Reichsrat 1907-1911.

Vortrag über die Katholische Kirche in Oesterreich und ihr Erscheinungsbild in der Oeffentlichkeit Ende des 20.Jahrhunderts.

Eroeffnungsvortrag "Auf neuen Bahnen" beim internationalen Brahms - Musikfest 2007 in Muerzzuschlag.

Der "Roemermonat" als Geld/Leistungseinheit am Beginn der Neuzeit im Heiligen Roemischen Reich.

Der Dalmatien/Kroatienbezug in den Schriften von Paula von Preradovic und Hermann Bahr

Die Kolonen (Kleinbauern) von Split um 1910.

Die nationalsozialistische Jugenderziehung (Forschungsseminar 2007)

Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager (Buch-Analyse)

Briefe aus Dachau (13 Originalbriefe aus dem Konzentrationslager)

Das Traditionsverstaendnis in der DDR (Referat)

Der fruehneuzeitliche Amerika-Handel (Referat)

Politische Kriminalitaet im spaeten Zarenreich (Referat)

Maennlichkeitskonstruktionen in der FPOe  -  Freiheitlichen Partei Oesterreichs (Buchanalyse 2005)

Dalmatien 1918 bis 1945 (Vortrag 2008)

Oesterreich und Kroatien: Lernen aus der Geschichte? (Vortrag 2012) 

Damit es nicht vergessen wird -  Lebenserinnerungen Wolfgang Fözö

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  • Briefe aus dem KZ Dachau
  • Nardelli
  • Abgeordnete
  • Roemermonat
  • Die Kolonen von Split
  • Dalmatien 1918 bis 1945
  • Oesterreich und Kroatien: lernen aus der Geschichte?
  • Preradovic / Bahr
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Die Kolonen von Split

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Vortrag gehalten im Mai 2006 in Split im Rahmen einer Exkursion nach  Kroatien 


 
 Mit diesem Referat soll ein wichtiger wirtschaftsgeschichtlicher Abschnitt
Dalmatiens behandelt werden, der in den letzten Jahren des Bestandes der K. u. K.
Monarchie weit über den landwirtschaftlichen Bereich hinaus politische
Bedeutung erlangt hat. Von Split aus ist es erstmals gelungen, eine große Zahl
von kleinen Bauern zu aktivem politischen Handeln zu veranlassen. Und zwar in
einem Ausmaß, das dazu geführt hat, dass diese oft am oder unter dem
Existenzminimum dahinvegetierenden Bauern nun auch von der „Hohen Politik" nicht
nur im Bereich von Split, sondern auch in Zadar und vor allem in den Wiener
Ministerien als politische Subjekte betrachtet werden mussten. 

Blenden wir hier nun genau um 100 Jahre zurück: Spalato 1906: 

Von den rund 23.000 Einwohnern (heute sind es mehr als zehnmal so viele)
waren etwa 6.000 Stadtbewohner landwirtschaftlich tätig. Vorwiegend im Bereich
des sogenannten „Splitsko Polje" in den früheren Vorstädten und heutigen
Stadtteilen (Varos, Dobri, Manus und Lucac). 

Die Bevölkerungsdichte war relativ hoch, die Kulturfläche relativ gering.
Eine Bauernfamilie hatte durchschnittlich nur 0,5 Hektar eigenes Land und
betrieb fast ausschließlich Weinbau – zu wenig zum Leben. 

Dieses freie bäuerliche Eigentum hat aber nur etwa 30 % des bebauten Bodens
ausgemacht. Die restlichen 70 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche im
Bereich von Split wurden im Kolonatsverhältnis bestellt. Und das bedarf nun
einer näheren Erklärung: 

Mehr als 2/3 der Kulturfläche wurde von den Besitzern der Grundstücke nicht
selbst bestellt. Die Besitzer (padrones) haben das Nutzungsrecht den sogenannten
„Kolonen" (aus dem italienischen „colono") überlassen. Diese Kleinbauern haben
nun – meist mit ihrer Großfamilie – dieses Land bebaut und auch die Ernte
eingebracht. Einen bestimmten Teil der Ernte mussten sie an den Padrone
abliefern. Im Raum Split war das in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts meist
ein Drittel, manchmal auch ein Viertel der Ernte. Und zwar nicht in Geld,
sondern überwiegend in Naturalien. 

Diese agrarische Organisationsform des Kolonats beruhte auf privaten
Verträgen zwischen Padrone und Kolonen, sie mussten nicht einmal schriftlich
sein und konnten von beiden Seiten vorzeitig gekündigt werden. Im Normalfall war
das Kolonatsverhältnis für die Dauer der jeweiligen Kulturart geschlossen. Beim
Wein waren das etwa 20 bis 30 Jahre (bei Oliven konnte es auch 60 Jahre dauern,
bei Weizen dagegen oft weniger als vier Jahre). 

Ein Kolon war also weder ein Höriger, noch war er ein Pächter – und er war
auch kein Landarbeiter – er war eigentlich in der Donaumonarchie rechtlich nicht
genau definiert. 

Diese aus dem Osmanischen Reich übernommene und auch von den Venezianern
beibehaltene agrarische Organisationsform findet sich übrigens in verschiedenen
Varianten: im Okkupationsgebiet in der Form des „Kmetentums", im Raum Dubrovnik
als Kontadinat (dort hat der Kontadino – im Gegensatz zum Spliter Kolon – nicht
in der eigenen Hütte auf eigenem Boden gelebt, sondern in einem vom
Grundeigentümer zur Verfügung gestellten Wirtschaftsgebäude. Dafür musste der
Kontadino neben den Naturalabgaben auch 90 Tage im Jahr persönliche
Dienstleistungen erbringen. Das wurde erst 1878 abgeschafft). 

In Istrien war das Kolonat schon im Zuge der österreichischen Bauernbefreiung
abgeschafft worden, in Dalmatien waren im ersten Jahrzehnt des 20 Jahrhunderts
je nach Berechnung rund 35 % der Bauern (Schödl) oder sogar mehr als 42 % der
Bauern Kolonen (Kolossa). Im Landesinneren hatte ein Teil der Getreidebauern mit
der Zeit Grundstücke erwerben können, dort war das Kolonat weniger verbreitet.
Bei den Spliter Weinbauern war angesichts der geringen Erträge aber das Kolonat
lebensnotwendig – obwohl es zum Leben trotzdem nicht ausreichte. 

Und aus dieser Krisensituation heraus entstand eine Entwicklung, die
schließlich von Split aus zum ersten Generalstreik Dalmatiens im Jahr 1909
führte. 

Für die katastrophale Situation in der Landwirtschaft in Dalmatien im
Allgemeinen und in Split im besonderen gibt es verschiedenen Gründe. Zunächst
der eklatante Mangel an Modernisierung. Kaum Fabriken, nur kleines lokales
Gewerbe, keine größeren Investitionen. Dalmatien war das einzige Land in der
Monarchie, in dem in den 40 Jahren vor 1910 der Anteil der in der Landwirtschaft
tätigen Bevölkerung nicht gesunken, sondern sogar noch gestiegen ist. Mit mehr
als 82 % Landwirtschaftsanteil war Dalmatien Spitzenreiter (zum Vergleich: in
gesamt Österreich-Ungarn waren 55 % in der Landwirtschaft, in Kroatien 78% in
Krain knapp 62 % <nach Kolossa>). Im Schiffsbau war die Modernisierung vom
Segel- zum Dampfschiff nicht rechtzeitig erfolgt, ein Handelsabkommen zwischen
Österreich-Ungarn und Italien hatte zwischen 1891 und 1901 die dalmatinische
Weinausfuhr schwer geschädigt - Italien hatte in diesen 10 Jahren seinen
Weinexport nach Österreich vertausendfacht (!). Die Auswanderung junger
Arbeitskräfte – vor allem in die USA und nach Australien – war extrem hoch (die
zweithöchste Rate in der Monarchie nach den Polen). 

Verkehrsmäßig, vor allem im Bahnbau, war Dalmatien nicht zuletzt durch
ungarische Widerstände – in einer ausgesprochenen Randlage. Und auch für die
Wiener Zentralstellen war Dalmatien ein Randgebiet, bis man ihm Anfang des 20.
Jahrhunderts aus militär-strategischen Gründen mehr Aufmerksamkeit zukommen
ließ. 

Im internen Bereich hat vor allem das Organisationsmodell der Kolonen die
Modernisierung verhindert. 

Der Padron ging meist einem bürgerlichen Beruf in der Stadt nach und konnte
sein Land nicht selbst bestellen. Erbschaften über mehrere Generationen führten
zu einer Landaufsplitterung in Kleinstparzellen, die kaum rentabel
bewirtschaftet werden konnten. Das Kolonat brachte dem Padron ein zusätzliches
Nebeneinkommen, an Investitionen war er nicht interessiert. 

Der Kleinbauer seinerseits brauchte das Kolonat, um überhaupt überleben zu
können. Er versuchte natürlich, aus dem Boden, der ja nicht ihm gehörte, so viel
wie möglich herauszuholen, mit Raubbau und vor allem mit Monokulturen. An
Melioration war der Kolon kaum interessiert, weil rechtlich umstritten war, ob
er durch Verbesserungsmaßnahmen hätte Miteigentümer werden können. Er hätte mit
seiner Arbeit damit also in erster Linie das Land des Padron wertvoller gemacht. 
 
Das paradoxe dieses Systems war, dass beide Seiten das Kolonat brauchten,
dass es aber zugleich den Eintritt der dalmatinischen Landwirtschaft ins 20.
Jahrhundert verhinderte und damit die Krise weiter vergrößerte. Für den Padron
war das ein Problem seines Nebeneinkommens, für den Kolon aber war es ein
Existenzproblem. 

Und dieses wurde weiter verschärft: das Auftreten der Reblaus – wie überall
in Europa Ende des 19. Jahrhunderts – war für eine Monokultur wie im Splitsko
Polje eine Katastrophe – etwa die Hälfte der Stöcke wurde vernichtet. Zugleich
sanken die Weinpreise in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts um mehr als die
Hälfte. Weiters war der Kolon (nicht zuletzt wegen der Monokultur) auf
Lebensmittelzukäufe angewiesen – und Fleisch wurde im ersten Jahrzehnt um 40 %,
Gerste um mehr als 50 % teurer. Und wenn er für die Bebauung der zersplitterten
Grundstücke einen Landarbeiter anmieten musste, so hatte er diesem in Split einen
mehr als doppelt so hohen Tageslohn zu zahlen wie etwa in Krain - eine Folge des
Arbeitskräftemangels wegen der hohen Auswanderungsquote. 

Dass die Unzufriedenheit mit diesen Lebensbedingungen im Raum Split immer
größer wurde, war nicht nur den dalmatinischen Politikern dieser Zeit bekannt,
sondern auch den Wiener Zentralstellen – aber passiert ist bis 1903 so gut wie
nichts. Die dalmatinischen Politiker waren als bürgerliche Städter, oft
Rechtsanwälte oder Kleinunternehmer an einer politischen Mobilisierung der
Bauern nicht interessiert. Sie konzentrierten sich auf die Auseinandersetzungen
mit Wien, mit Budapest, auch mit Zagreb, mit den Italienern in Dalmatien, mit
den Serben. 

In Wien gingen zwar immer wieder warnende Berichte des Stadthalters aus Zadar
ein. Aber zunächst sah man keinen Grund zur Sorge: vorherrschend war das Bild
vom dalmatinischen Bauern, der kaisertreu und gottergeben sei und schon keine
Schwierigkeiten machen werde. Zur Abrundung dieses Bildes sei darauf verwiesen,
dass im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts rund zwei Drittel der
dalmatinischen Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnten. 

Und dennoch hat ab 1903 ein Politiker damit begonnen, diese zwar
unzufriedene, aber mehr oder weniger dumpf dahin vegetierende Menschenmasse zu
politisieren. Sein Name war Josip Smodlaka, Rechtsanwalt in Split. In einer Rede
am 13. April 1903 in Sibenik fasste er seine politische Grundsatzüberzeugung so
zusammen: der Bauer müsse von „Weinklausel, Malaria, Auswanderung und Hunger
befreit" werden und durch kulturell-bildungsmäßige und wirtschaftliche Förderung
in ein umfassendes Netz nationaler Organisation und Kommunikation einbezogen
werden. Dies werde die Voraussetzung dafür sein, dass er sich zum politisch
handlungsfähigen und handlungswilligen, selbstbewussten „Subjekt" nationaler
Politik entwickle. 

(Dies war zugleich der Beginn des sogenannten „neuen Kurses" und der KSK –
kroatisch-serbische Koalition.) 

Smodlaka ist es dabei zunächst nicht so sehr um die Bauern gegangen, sondern
um eine politische Idee: er war davon überzeugt, dass man Dalmatien nur dann
wieder mit Kroatien vereinigen könne, wenn es zuvor gelinge, eine gemeinsame
slawische Basis von Kroaten und Serben herzustellen und zugleich auch die
Rivalität zwischen Slawen und Italienern zu beenden.1905 gründete er eine
Partei, die sich unter dem Namen „Kroatische Fortschrittliche Partei" (hrvatska
pucka napredna Stranka) ausdrücklich für das Ziel einer kroatisch-serbischen
Aussöhnung einsetzte. Und im lokalen Bereich versuchte die Partei, getragen
vorwiegend von Intellektuellen, die große Masse der kleinen Bauern zu
politisieren. Das erinnert deutlich an den russischen „Narodnicestvo" 25 Jahre
zuvor, als die Studenten ins Land gingen, um die Bauern aufzuklären – und dabei
auf völliges Unverständnis der Landbevölkerung stießen. 

Das war zunächst auch in Dalmatien so: auf der einen Seite der scharfe
Anti-Wien Kurs Smodlakas, auf der anderen Seite die tradierten Loyalitäten der
Bauern. Ebenso Smodlakas antiklerikale Haltung im Widerspruch zu der in der
Agrarbevölkerung verwurzelten Kirchentreue. Und im Raum Split war das deshalb
von besonderer Bedeutung, weil rund zwei Drittel des Kolonats-Bodens in kirchlichem
Besitz waren: die Kirche war damit in Split der weitaus größte „Padrone". 

Der entscheidende Gedankengang Smodlakas war nun, dass eine nationale
politische Bewegung im Volk nicht erfolgreich sein könne, wenn sie nicht
zugleich auch soziale Reformen anstrebe. Er gründete 1906 in Split den Verein
„Bauerneinheit" (Tezacka Sloga), der sich besonders für eine Reform des Kolonats
einsetzte. Dabei ging es zunächst um gemäßigte Einzelmaßnahmen: etwa um die
Vermittlung von Gesprächen zwischen Grundbesitzern und Kolonen zur Verringerung
der Abgabenlasten. Oder auch die Förderung von fachlichen Ausbildungsmaßnahmen.
Es wurden Lesevereine gegründet, aber auch auf den ersten Blick völlig
unpolitische Vereine wie Turn- oder Geselligkeitsvereine. Und offensichtlich ist
es auf diesem Weg gelungen, in der Landbevölkerung zumindest den Eindruck zu
erwecken, dass man sich glaubwürdig für die Belange der Bauern einsetze. Und
zwar im Bereich Split in einem fast unglaublichen Ausmaß: So sollen Anfang 1908
nicht weniger als 95 % der Spliter Bauern Mitglieder im Verein „Bauerneinheit"
gewesen sein (Kostrencic, Zagreb 1972). 

Im Herbst 1908 kam es zum ersten großen politischen Konflikt. Anlass war die
Anlieferung der Weinernte an die Padrones. Es war Aufgabe des Kolonen, jenen
Anteil der Traubenmaische, der dem Grundherrn zustand, an diesen zu liefern. Der
Padrone hatte diese Dienstleistung in Geld zu vergüten. Die Grundherren boten
nun für die Anlieferung von einem Hektoliter Traubenmaische 1,50 Kronen, die
Kolonen forderten 2 Kronen 20. Es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen, zu
Protesten, bei denen überhaupt die Abschaffung des Kolonats verlangt wurde, und
zu gerichtlichen Schritten der Grundherren. 

Die Kolonen erklärten, sie würden entweder nur ihren Anteil der Ernte
einbringen oder den Padrone-Anteil zwar einbringen, aber auf dem eigenen Anwesen
lagern. Die Grundherren versuchten, die Einbringung der Ernte zunächst überhaupt
zu verbieten. 

Die Behörden (Statthalter Nardelli und Bezirkshauptmann Madirazza) versuchten
weitere Ausschreitungen zu vermeiden und ermöglichten (nicht zuletzt mit
Rückendeckung der Wiener Bürokratie) den Kolonen den Erntebeginn auch gegen den
Willen der Grundbesitzer. 

Verhandlungen, bei denen Smodlaka die Kolonen vertrat, brachten schließlich
einen Kompromiss für das Jahr 1908: Die Kirche als größter Padrone zahlte 2
Kronen pro Hektoliter und die meisten Grundbesitzer schlossen sich diesem
Kompromiss an. 

Angesichts der wachsenden Dynamik der Bauernbewegung wurde nun in Wien
tatsächlich eine gesetzliche Reform des Kolonats in Angriff genommen, aber, wie
sich noch zeigen wird, bis zum Beginn des 1. Weltkrieges nicht mehr
verwirklicht. Vor dem Hintergrund dieser Reformpläne versuchten die Behörden in
Split auf Zeit zu spielen und vor dem Erntebeginn 1909 wieder zwischen Kolonen
und Padrones zu vermitteln – was von den Padrones „in schroffer Form" verweigert
wurde (Statthalter Nardelli). 

Daraufhin weiteten die Bauern ihre Forderungen aus: statt der Reduzierung der
Pflichten des Kolonen wurde nun die völlige Abschaffung des Kolonats verlangt.
Vom Staat wurde die Gründung einer Agrarbank verlangt, die den Bauern
unverzinsliche Darlehen für den Erwerb der bisherigen Grundstücke gewähren
sollte. 

Gegen den Willen von Smodlaka kam es am 24. September 1909 zum ersten
Generalstreik Dalmatiens, und zwar auf Initiative der kleinen
sozialdemokratischen Partei, wobei sich auch ein großer Teil der
nichtbäuerlichen Bevölkerung beteiligte. Smodlaka war dabei in so ferne im
Dilemma, als eine radikale Abschaffung des Kolonats ja zahlreiche Anhänger und
Funktionäre seiner eigenen Partei betroffen hätte, die zwar politisch einen
kroatisch - serbischen Annäherungskurs vertraten, aber andererseits selbst
stadtbürgerliche Grundbesitzer waren. 

In diesem Zusammenhang ist interessant zu sehen, wie die Person Smodlakas
historisch unterschiedlich beurteilt wird: einerseits wird er als
agrarrevolutionäre Führergestalt dargestellt, andererseits ist von einer
opportunistischen Wandlung des bäuerlichen Volkstribuns ebenso die Rede wie von
Anpassung des früheren Habsburgerfeindes. Und eine weitere Gruppe von
Historikern ist der Ansicht, er habe einfach in einer Phase der Krise taktisch
klug „überwintert". 

Smodlaka versuchte jedenfalls, den nunmehr hochpolitisch gewordenen Konflikt
wieder in eine vorwiegend wirtschaftliche Auseinandersetzung zurückzuführen.
Sein Kompromissvorschlag war, das Kolonat nicht gänzlich abzuschaffen, sondern
nur gegenüber dem größten Grundbesitzer in Split, der katholischen Kirche. Damit
hätte man einerseits dem Konflikt mit den kleineren Grundbesitzern ausweichen
können, andererseits schien die Kirche angesichts sinkender Einnahmen im Zuge
der Weinbaukrise nicht unbedingt abgeneigt, hier einer befriedigenden Lösung
zuzustimmen. In einer Denkschrift der Bauern von Split – die offenbar auf
Smodlaka zurückgeht – wurde (im Oktober 1909) dem österreichischen
Ministerpräsidenten vorgeschlagen, der Staat solle den Bauern das Geld für die
Grundstücksabfindungen vorstrecken. In der Folge sollte auch von der
krisenanfälligen Wein-Monokultur abgegangen werden. 

Das Kolonen-Problem hat schließlich ein typisch österreichisches Schicksal
erfahren: Im Landtag wurden verschiedene Vorschläge zur teilweisen Abschaffung
des Kolonats zwar diskutiert, aber es gab keine Beschlüsse. 

Und die Regierung in Wien steckte den Rahmen für eine künftige Lösung
folgendermaßen ab: 

Das Kolonat sollte nicht zwangsläufig und vollständig beseitigt werden. Statt
dessen sollte eine fakultative Ablösung ermöglicht werden, die der Staat durch
das Angebot günstiger Kolonen-Darlehen fördern sollte. Allerdings sollte es
keine eigne Agrarbank geben. In Wien war man sich nicht sicher, ob die Mehrzahl
der Kleinbauern zu selbständigen Wirtschaften überhaupt im Stande sei. Dagegen
sollte dem Bauern durch Fortbildung, genossenschaftliche Organisationen und
günstige Darlehen ein effektiveres Wirtschaften ermöglicht werden. Auf diese
Weise könnte der Kolone Kapital bilden und mit diesem ersparten Geld selbst das
Patronat bekämpfen. Eine sofortige Ablöse würde hingegen den Kolonen überfordern
und ihn rettungslos dem Geldwucher ausliefern. So die Wiener Beamtensicht. 

Demgegenüber waren sich sowohl Smodlaka als auch Statthalter Nardelli einig,
dass der dalmatinische Bauer durchaus reif wäre, mit Boden und Kapital
eigenverantwortlich umzugehen, dass aber der Staat trotzdem in die
Ablösegeschäfte eingebunden werden sollte. Sonst könnte zu große Neuverschuldung
der ehemaligen Kolonen dazu führen, „dass das freie Eigentum nur ein
Durchgangsstadium zu neuerlichem Kolonat" würde. (Nardelli 1909). 

Heftige Ablehnung einer Reform des Kolonats kam - wenig überraschend - von
den dalmatinischen Grundbesitzern. Ihre wichtigsten Argumente waren: der Staat
dürfe sich nicht in die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Padrones und
Kolonen einmischen. Eine Ablöse – Pflicht würde das Eigentumsrecht verletzen.
Außerdem sei das Kolonat für die Erfordernisse des Weinbaus die einzig mögliche
Wirtschaftsform. Es gäbe dazu keine Alternative. Und schließlich warnten die
Padrones vor möglicher Bodenspekulation, weil die neuen Besitzer das neu
erworbene Land dann teurer als Bauland wieder verkaufen könnten. 

Ab 1910 wurde es um die Kolonenbewegung wieder ruhig. Dazu hatte einerseits
sicherlich die Weisung aus Wien beigetragen, von strafgerichtlichen Schritten
gegen streikende oder vertragsbrüchige Kolonen abzusehen. So hatte es zwar
Strafverfahren gegen die Kolonen des Bischofs von Split gegeben, weil diese im
Oktober 1909 die Ablieferung des Grundherrenanteils verweigerten, doch ließen
die Landesbehörden Nachsicht walten. Andererseits verstärkte sich allgemein der
Eindruck, dass eine Reform des Kolonats nun nicht mehr auf der Straße erfochten
werden müsse, sondern Aufgabe der Regierung sei. 

Tatsächlich lagen im Oktober 1911 die Grundlinien eines Kolonatsgesetzes vor
mit folgenden Schwerpunkten: 

Erleichterung von Grunderwerb für kleine Ansiedler vor allem aus staatlichen
und kirchlichen Besitz 

Ankäufe größerer Grundstücke durch ein eigens zu schaffendes Institut 

Förderung von privaten Grundverkäufen von Padrones an Kolonen

Finanzielle Unterstützung all dieser Kaufmaßnahmen und schließlich eine klare
gesetzliche Regelung des Kolonatsvertrages. 


 
Günter Schödl vertritt in seinem Buch „Kroatische Nationalpolitik und
Jugoslavenstvo" die Ansicht, dass die parlamentarischen Vertreter der
Agrarbevölkerung in der „Frage des Kolonats als schwerwiegendstem
sozialpolitischen Problem Dalmatiens..... w e n i g e r Verständnis für die
Anliegen der Bauern zeigten als die österreichischen Zentralstellen ...Wien
anerkannte die Tatsache eines sozialen Notstandes. Es unternahm sichtbare
Anstrengungen... allerdings zu einem... zu späten Zeitpunkt" (so Schödl). 

Notwendig wäre in Dalmatien nicht eine Kolonatsreform gewesen, sondern eine
grundsätzliche Neuordnung der gesamten Landwirtschaft, ja eigentlich der
gesamten Wirtschaft. 

Das „österreichische Schicksal" des Kolonatsgesetzes, das nie in Kraft trat,
ist sicherlich auch auf die schwerfällige österreichische Bürokratie
zurückzuführen, ebenso auf das Wiener Finanzministerium, das „auf der Bremse
stand". Und natürlich auch auf die zunehmend kritischer werdende politische
Situation auf dem Balkan im Zuge der Balkankriege. 

Der mangelnde Reformwille der „herrschende Klasse" in Dalmatien selbst sollte
dabei allerdings nicht außer Acht gelassen werden. Der Widerstand im Landes
selbst zwar sicherlich auch ein wichtiger Grund für das Scheitern der
Agrarreform. 

Dazu abschließend ein Zitat von Hofrat von Schullern aus dem Wiener
Ackerbauministerium im Jahr 1911: 

Der fertige Entwurf des Agrargesetzes habe „wenig Aussicht auf Annahme, da
die Grundbesitzer dagegen Stellung nehmen" meinte der erfahrene Beamte.
Er sollte Recht behalten.