Wolfgang Pav
Willkommen auf der homepage von Wolfgang Pav.



​* 1943, Wien. Mag. et Dr. phil (Geschichte). Historiker, freier Journalist in Wien, Vortragstätigkeit.
Sie können hier - vorwiegend historische - Texte von wissenschaftlichen Arbeiten und Vorträgen aufrufen.





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Zur Zeit verfügbar:

Dissertation über Oesterreichs Statthalter in Dalmatien 1906-1911, Nikolaus Nardelli.

Diplomarbeit über die dalmatinischen Abgeordneten im Wiener Reichsrat 1907-1911.

Vortrag über die Katholische Kirche in Oesterreich und ihr Erscheinungsbild in der Oeffentlichkeit Ende des 20.Jahrhunderts.

Eroeffnungsvortrag "Auf neuen Bahnen" beim internationalen Brahms - Musikfest 2007 in Muerzzuschlag.

Der "Roemermonat" als Geld/Leistungseinheit am Beginn der Neuzeit im Heiligen Roemischen Reich.

Der Dalmatien/Kroatienbezug in den Schriften von Paula von Preradovic und Hermann Bahr

Die Kolonen (Kleinbauern) von Split um 1910.

Die nationalsozialistische Jugenderziehung (Forschungsseminar 2007)

Zur Geschichte der NS-Konzentrationslager (Buch-Analyse)

Briefe aus Dachau (13 Originalbriefe aus dem Konzentrationslager)

Das Traditionsverstaendnis in der DDR (Referat)

Der fruehneuzeitliche Amerika-Handel (Referat)

Politische Kriminalitaet im spaeten Zarenreich (Referat)

Maennlichkeitskonstruktionen in der FPOe  -  Freiheitlichen Partei Oesterreichs (Buchanalyse 2005)

Dalmatien 1918 bis 1945 (Vortrag 2008)

Oesterreich und Kroatien: Lernen aus der Geschichte? (Vortrag 2012) 

Damit es nicht vergessen wird -  Lebenserinnerungen Wolfgang Fözö

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  • Briefe aus dem KZ Dachau
  • Nardelli
  • Abgeordnete
  • Roemermonat
  • Die Kolonen von Split
  • Dalmatien 1918 bis 1945
  • Oesterreich und Kroatien: lernen aus der Geschichte?
  • Preradovic / Bahr
  • NS - Staatsjugend
  • Konzentrationslager
  • Traditionsverstaendnis in der DDR
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  • Katholische Kirche
  • Der fruehneuzeitliche Amerika-Handel
  • Auf neuen Bahnen
  • Politische Kriminalitaet im Zarenreich
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Dalmatien 1918 bis 1945
Vortrag gehalten im Rahmen einer Exkursion im Oktober 2008 in Dubrovnik



 Die Geschichte Dalmatiens zwischen 1918 und 1945 entspricht im Wesentlichen der
Chronologiefolge des Gesamtstaates, zunächst des Königreichs der Serben,
Kroaten und Slowenen (SHS), dann ab 1929 des Königreichs Jugoslawien und
schließlich nach dem Einmarsch deutscher und italienischer Truppen 1941 der
Geschichte des sogenannten Unabhängigen Staates Kroatien (NDH) [1]  
unter Führung der Ustaša.

Zugleich sind in diesem Zeitraum  aber auch spezielle dalmatinische Abweichungen
zu verzeichnen. Es sollen daher in Folgenden die  wesentlichen geschichtlichen 
Ereignisse im ersten jugoslawischen Staat dargestellt werden, ergänzt mit den jeweiligen
besonderen Entwicklungen in Dalmatien – mit seinen damals etwa 620.000 Einwohnern..
 
Der SHS-Staat wurde am 1.  Dezember 1918 proklamiert, mit König Aleksandar
Karađorđević an der Spitze und einer beschränkten parlamentarischen Demokratie.
Um ein Resümee vorwegzunehmen:  der Plan eines friedlichen Zusammenlebens aller
Süd (=Jugo) – Slawen in einem gemeinsamen Staat ist im Jugoslawien der
Zwischenkriegszeit kläglich gescheitert.
Zunächst an den grundsätzlichen Differenzen in der Staatsauffassung zwischen Serben
und Kroaten. Die meisten Kroaten wollten eine Föderation mit weitgehender Autonomie
für die einzelnen Völker. In Serbien hatte man dagegen die Vorstellung eines von Belgrad
aus gelenkten zentralistischen Staates und setzte das auch konsequent in die
Praxis um. Das brachte in der Sicht der Kroaten massive Benachteiligungen vor
allem im Wirtschaftsbereich, aber auch bei der Verwaltung, Bildung, Kultur und
Traditionspflege.[2]
Dieser serbisch dominierte Versuch zur Schaffung einer jugoslawischen Nation – den
ja zunächst zahlreiche, vor allem dalmatinische Intellektuelle mitgetragen hatten – wurde
schon bald in Kroatien als machtbewusste großserbische Expansionspolitik empfunden
und mit gesteigerter kroatischer Identifikation beantwortet.

 Aus serbischer Sicht war der Zentralismus vor allem damit begründet, dass Serbien
und Montenegro – im Gegensatz  zu den ehemaligen Ländern der Habsburger
Monarchie - schon vor dem Krieg unabhängige Staaten waren, mit allen notwendigen
Regierungs- und Verwaltungsstrukturen und dass sie praktisch ihre Unabhängigkeit im
gemeinsamen Staat aufgegeben hätten. Die Kroaten dagegen hätten von Anfang an eine
Art Dualismus in Form einer Konföderation angestrebt.[3]
Und außerdem wäre es im Interesse des Gesamtstaates nicht nur vertretbar, sondern
auch notwendig gewesen, den strukturellen Aufholprozess des rückständigen Südens
durch die entwickelteren Regionen des Nordens zu finanzieren.[4]

 Diese wirtschaftlichen, aber auch die historisch gewachsenen kulturellen Gegensätze
ließen die ursprünglich auch in Kroatien beabsichtigte Verschmelzung der beiden
nationalen Elemente zu einem integralen Jugoslawismus nicht zu.[5] Das„dreinamige Volk“
lebte in einem jugoslawischen Nationalstaat zusammen, aber in diesem Staat entstand kein
„jugoslawisches Volk“.[6]

 Die Gründung des SHS - Staates wurde in Kroatien nicht nur begrüßt: Der Führer der
Kroatischen Bauernpartei – die vor allem auch in Dalmatien das jahrelange
Oppositionszentrum gegen Belgrad bilden sollte – Stjepan Radić, stimmte dagegen.
Er wollte eine kroatische Bauernrepublik.[7]

 In Dalmatien drängte man jedoch ultimativ auf den Zusammenschluss: erstens, weil
das intellektuelle Split damals die Hochburg eines – wenn auch vielleicht verklärt
romantischen – Jugoslawismus war,[8] zweitens weil die mehr als 80 % Kleinbauern
in Dalmatien eine Agrarreform und damit eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen
Lage erwarteten von einer Regierung, die nun – im Gegensatz zu Wien – ihre
Sprache sprach. Drittens vor allem aber, weil in Dalmatien die Angst vor einer
italienischen Besetzung – zurecht – sehr groß war.
Italien waren in den Vereinbarungen von London 1915 für den Kriegseintritt Teile der
adriatischen Ostküste versprochen worden. Am 19. November 1918 marschierte Italien
in Dalmatien ein und besetzte 31 von insgesamt 88 dalmatinischen Gemeinden.
Dubrovnik blieb frei und  dass Split nicht besetzt wurde, war amerikanischen
Kriegsschiffen vor der Küste zu verdanken. Die Grenzziehung mit Italien wurde erst im
November 1920 in Rapallo geregelt, italienische Truppen blieben aber in einigen Teilen
Dalmatiens bis März 1923.  Istrien, die Quarnerinseln, Laštovo und Zadar fielen an
Italien.

 Aus der Anfangseuphorie, etwa  bei der Begrüßung serbischer Truppen in Split,[9]
wurde in Dalmatien Verbitterung und Hass auf  Belgrad. Der Regierung waren bei den
Verhandlungen offenbar andere Dinge wichtiger gewesen, als der Erhalt von „ein paar
hundert Kilometer Adriaküste“.[10]
Dazu kam die neue, in Belgrad am Vidovdan (28. Juni) 1921 beschlossene Verfassung,
wodurch  - im Sinne der Stärkung des Zentralismus  - das restliche  Dalmatien ab 1922
nach dem Abzug der Italiener keine eigene Verwaltungsprovinz mehr war, sondern  in
die drei Bezirke (oblasti) Split, Dubrovnik und Zeta (Hauptstadt Cetinje) aufgeteilt
wurde. (Insgesamt gab es nun im SHS-Staat 33 Bezirke).

 Mit dem „Gesetz zum Schutz des Staates“ [11] wurde Ende 1920 zunächst die
Kommunistische Partei verboten, 1925 wurde das Gesetz auf anti-zentralistische,
kroatische Vereine und Parteien ausgeweitet. Es kam zu Übergriffen der serbisch
dominierten Polizei und Armee, Terrororganisationen wurden gegründet, es gab
Todesdrohungen gegen kroatische Politiker.

 Die Zentralisierungsmaßnahmen haben Dalmatien besonders getroffen: so waren
1924 nicht weniger als 86  von 92 Gemeinden unter der Leitung von staatlich
eingesetzten Kommissaren. Ein weiteres Beispiel aus dem Kulturbereich:  das von
Belgrad  beschlossene „Nationaltheater für Dalmatien“ in Split 
(wobei für das Wort Theater das serbischen Wort „pozorište“ statt des im
Kroatischen üblichen kazalište“ verwendet wurde) war  unter serbischer Intendanz
und mit serbischen Schauspielern offenbar der Versuch einer Serbisierung unter
dem Titel einer integralen jugoslawischen Kultur.[12]

 Im wirtschaftlichen Bereich  zeigte sich nach einem kurzen Aufschwung bis etwa 1925,
dass sich das Leben der  Kleinbauern in keiner Weise gebessert hatte. Die erhoffte
Agrarreform kam nur  schleppend voran, wurde in Dalmatien überhaupt erst 1931
realisiert und bestand vor allem in der Möglichkeit, Land zu kaufen – wofür die
Kleinbauern allerdings kein Geld hatten. Die große Erwartung der Landarbeiter war
dagegen gewesen, von der Regierung  jenes Land zu bekommen, das sie schon
Jahrhunderte lang bebaut hatten. 

Hier wurde wieder eine dalmatinische Besonderheit schlagend: es gab viel weniger
Gegensätze zwischen der Mehrheit der kroatischen und der Minderheit der serbischen
Bauern (denen es beiden gleichermaßen schlecht ging), als vielmehr starke
Gegensätze zwischen Stadt und Land. Noch 1928 war etwa die Hälfte der
Bauernfamilien im Kolonatsverhältnis, also in einer gewissen Abhängigkeit von den
meist städtischen Großgrundbesitzern, die sich natürlich gegen Enteignungen wehrten.
Für die Bauern ging es im politischen Bereich nicht um nationale Momente und
Strukturen, wie sie vom Bürgertum in den Städten  diskutiert wurden, sondern um
soziale Verbesserungen – meist schlicht ums Überleben.

 Anzuführen ist noch, dass sich die Dalmatiner beim Zwangsumtausch von Kronen
auf Dinar zu Beginn der Zwanzigerjahre – wohl zu Recht - übervorteilt fühlten und dass
es in den ehemaligen Ländern der Habsburger Monarchie im Steuerwesen zu einer
Mischform aus alten Habsburgergesetzen und serbischen Steuergesetzen kam, die
dazu führte, dass die Kroaten durchschnittlich 15 Prozent mehr Steuer zahlen
mussten als die Serben.[13] 

Es gab aber auch „hausgemachte“ Probleme in Dalmatien: das Verharren in
althergebrachten Traditionen und Techniken, der Mangel an Modernisierung, ein
geringes Bildungsniveau und damit im Zusammenhang die hohe Zahl an Analphabeten:
Noch 1938 konnten in einigen Landgegenden mehr als 2/3 der Einwohner nicht Lesen
und Schreiben.[14] 

Der geringe Industrialisierungsgrad (und daher wenig neue Arbeitsplätze) sowie hohe
Geburtenraten führten am Land zu einem Bevölkerungsüberschuss, den „das Dorf“
nicht mehr ernähren konnte.[15] Mehr als 75.000 Dalmatiner sind deshalb in der
Zwischenkriegszeit ausgewandert (etwa 20.000 kamen während der
Weltwirtschaftskrise wieder zurück), 1922 und 1928 gab es Hungersnöte und
soziale Unruhen.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Kroatische Bauernpartei der
Brüder Radić, trotz Schikanen und Verboten die Wahlen in Kroatien und Dalmatien
überlegen gewann. Mit einfachen Parolen wie „Das Land gehört Gott und demjenigen,
der es  bestellt“[16] wurde offen gegen Belgrad opponiert. Im Oktober 1927 kam es
mit dem serbischen Führer der Selbständigen Demokraten in Kroatien, Svetozar
Pribićević - bis dahin ein „Erzfeind“ der Bauernpartei - zur Gründung der
Bauern-Demokraten-Koalition. Zugleich wandten sich auch zahlreiche intellektuelle
Jugoslawismus - Anhänger in Dalmatien vom Unitarismus ab und es entstand eine
Volksbewegung gegen Belgrad. Ziel war ein föderalistischer Staat, das Endziel,
wenn auch noch nicht öffentlich ausgesprochen, war jedoch der selbständige
kroatische Staat. 

Die Katholische Kirche unterstützte die Volksbewegung  -  mit Ausnahme eines
integralistischen Flügels vor allem um die Jesuiten. Die katholische Volkspartei trat
der Bauernpartei bei, vor allem in Dalmatien waren zahlreiche Bruderschaften und
katholische Vereinigungen im nationalen Sinn tätig. Viele der Pfarrer konnten
durchaus als “politische Geistliche“ verstanden werden, die nicht zuletzt wegen der
staatlichen Bevorzugung der Orthodoxen Kirche ein ausgeprägtes kroatisches
Nationalgefühl predigten.

 Im Juni 1928 wurde Stjepan Radić im Belgrader Parlament vom Abgeordneten
Račić aus Montenegro niedergeschossen, im August starb der kroatische
Bauernführer an den Folgen des Attentats. Das brachte eine weitere Verschärfung
der Gegensätze zwischen Kroaten und Serben und führte zu einer schweren
Staatskrise. Am 6. Jänner 1929 setzte König  Aleksandar in einem Staatsstreich die
Verfassung außer Kraft, löste das Parlament auf und proklamierte das „Königreich
Jugoslawien“.
Zur Stärkung der zentralen Diktatur wurde der Staat in neun Banschaften gegliedert,
wobei Dalmatien in zwei Teile zerfiel: Nord- und Mitteldalmatien wurde mit der
westlichen Herzegowina zur Küsten - Banschaft mit dem Verwaltungssitz Split.
Der Süden – mit Dubrovnik – wurde von Dalmatien abgespalten (wohl zur besseren
Kontrollierbarkeit) [17] und mit Montenegro, der östlichen Herzegowina
und einem Teil des Kosovo zur Zeta –Banschaft mit dem Verwaltungssitz Cetinje in
Montenegro. Nicht zuletzt diese Unterordnung Dubrovniks unter Cetinje führte zu
heftigen, wenn auch wirkungslosen dalmatinischen Protesten. Die Teilung
Dalmatiens blieb bis 1939 aufrecht.
 
Die zentralistischen Maßnahmen der Königsdiktatur führten zusammen mit den
Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise  zu einer weiteren Verschlechterung der
Lebensbedingungen in Dalmatien. Fast die Hälfte der Bauern war schwer verschuldet,
der Staat versuchte mit Zahlungsaufschüben und einem eigenen Gesetz zur
 „Entschuldung der Bauernschaft“ gegenzusteuern.[18] 
Zeitweise waren 2/3 der Arbeiterschaft an der Küste arbeitslos, nicht zuletzt durch
die steigende Zahl proletarisierter Bauern. Die staatlichen Investitionen flossen vor
allem nach Serbien.[19]

 Ab 1929 wollte die  Königsdiktatur den Jugoslawismus über den Schulunterricht
erzwingen. So wurde in  den 4. Klassen gelehrt, dass „alle südslawischen Gebiete
außer Slowenien ... serbische Länder“ wären – also auch Dalmatien.[20] 
Verordnungen wurden in kyrillischer Schrift erlassen, die Bevorzugung der
Orthodoxen Kirche im Jahr des Heiligen Sava (1935) führte schließlich im
dalmatinischen Hinterland zu einer „Bewegung gegen die Volksschule“. Daraufhin
wurden Bauern, die ihre Kinder aus religiösen oder politischen Gründen nicht
mehr in die Schule schicken wollte, rigorose Strafen  angedroht.
 
Schon im Jahr zuvor hatte die Ende der 20-er Jahre gegründete Terror-Organisation
Ustaša weltweit auf sich aufmerksam gemacht. Ihr Führer (poglavnik) Ante Pavelić
kämpfte seit 1929 im Exil gegen den Jugoslawismus und für die Schaffung eines
Großkroatischen Staates. In Ungarn und Italien betrieb er regelrechte Terror-
Ausbildungslager. Am 9. Oktober 1934 fielen König Aleksandar und der französische
Außenminister Barthou in Marseille einem Ustaša-Attentat zum Opfer. Für den
minderjährigen Thronfolger Peter übte daraufhin Prinz Paul in Belgrad die
Regentschaft aus. 
 
An der wirtschaftlichen Benachteiligung und am staatlichen Terror änderte sich nichts:
allein in Dalmatien wurden zwischen 1935 und 1937 mehr als 20 politische Aktivisten
von der Polizei erschossen. Der neue Bauernführer Vladko Maček kam wegen seiner
Autonomieforderungen ins Gefängnis. Zur Illustration des Wirtschaftslage
nachfolgend zwei Zitate aus einem Schreiben des Jadranski Lloyd 
1939 an die Belgrader Regierung:
„Unsere Häfen sind heute in einem schlimmeren Zustand als unter Österreich“.
Dieses habe „für den Bau und Ausbau unserer Häfen mehr aufgewendet als
Jugoslawien“.
Und das zweite Zitat:
„Zwischen 1920 und 1935 sind in Jugoslawien 3.377 Millionen  Dinar in den
Eisenbahnausbau investiert  worden, davon 2.852 Millionen allein für Serbien“. [21]

 Angesichts der inneren Spannungen und des bevorstehenden Kriegsausbruches
kam es am 26. August 1939 zur Übereinkunft („sporazum“) zwischen Jugoslawiens
Ministerpräsidenten Dragiša Cvetkovic und dem kroatischen Bauernführer Maček
über die Schaffung der Banovina Hrvatska.  Kroatien erhielt innerhalb Jugoslawiens
einen besonderen Status, einen eigenen Sabor, eigene Gerichtsbarkeit,
Steuerhoheit und eine eigene Regierungsverwaltung mit einem Banus an der Spitze
und 11 sogenannten Abteilungen, vergleichbar mit Ministerien. Da auch ein Teil der
Herzegowina der Banschaft angeschlossen wurde, hatte sie etwas mehr als
4 Millionen Einwohner mit einem Anteil von etwa 70 Prozent Kroaten. Für Dalmatien
– und damit nun auch wieder Dubrovnik - ging  die seit mehr als 100 Jahren
erhobene Forderung nach einem Zusammenschluss mit Kroatien in Erfüllung, wenn
auch – für große Teile des Landes – für nicht einmal zwei Jahre. Dazu kam, dass
Dalmatien in den Institutionen in Zagreb deutlich unterrepräsentiert war.

Mit dem Kompromiss war keine Gruppierung zufrieden. Wichtige Fragen wie die
endgültige Grenzziehung Kroatiens und die Stellung der Serben in Kroatien waren
ausgeklammert. In Nord-Dalmatien - um Knin – regte  sich serbischer Widerstand.
Den radikalen Nationalisten in der Bauernpartei ging die Selbständigkeit nicht weit
genug. Der Kompromiss führte dazu, dass die anti-jugoslawische heterogene
Interessensgemeinschaft zerbrach. Die Bauern standen nicht mehr hinter der
Parteiführung (die das Hungerproblem im dalmatinischen Hinterland auch nicht
lösen konnte), die radikalen Tendenzen nach rechts, aber auch nach links
verstärkten sich. Teile der Bauernpartei wurden von Ustaša -Anhängern
unterwandert. Nun begann die kroatische Führung mit Wahlmanipulationen und
Verhaftungen, das erste Gefangenenlager[22] – für Faschisten und Kommunisten –
wurde errichtet.

 In Dalmatien begann die KP Kroatiens mit Parteiausschlüssen: 
kommunistische Mitglieder im Küstenland wären – nach einem Bericht des
„Genossen Walter“  (so nannte sich Tito damals) -  der Bauernpartei und ihrem
Führer Maček zu unkritisch gegenüber gestanden und hätten ihre Agitation
ausschließlich auf den rechten, klerikalen Flügel der Bauernpartei
beschränkt.[23]

 Am rechten Rand verstärkten ehrere hundert Ustaša – Aktivisten, die in Zuge
einer Amnestie aus Italien zurückgekommen waren, die faschistische Agitation. 
Sie erhielten neue Anhänger aus der Bauernpartei und an den Universitäten, sowie
die Unterstützung klerikaler Kreise. Die Ustaša wollte in einer Kombination von
biologischen und historisch-territorialen Nationalismus einen ethnisch exklusiven,
großkroatischen Staat.[24] 
Teile der Bauernpartei haben der Ustaša zweifellos den Weg bereitet, eine
Massenbasis, vor allem für die Terror- und Mordprogramme,  gab es jedoch nicht.

 Nach dem Putsch in Belgrad gegen den von der jugoslawischen Regierung
geplanten Beitritt zum Dreimächte-Pakt erfolgte am 6. April 1941 der Überfall
Hitler-Deutschlands und Italiens.
Jugoslawien wurde zerschlagen und aufgeteilt. In London gab es eine Exilregierung,
in Kroatien aber wurde am Gründonnerstag, dem 10. April, vom ehemaligen k.u.k.
Offizier  Slavko Kvaternik im Namen des poglavnik Pavelić, der noch in Italien war, der
„Unabhängigen Kroatischen Staat“ (NDH) proklamiert. Pavelić übernahm die Macht
am 15. April. Von den 87 Abgeordneten der Bauernpartei gingen 22 zur Ustaša,
die Repräsentanten des “linken Flügels“ schlossen sich den Partisanen an. Alle
„Nicht“ – Kroaten wurden von den Staatsgeschäften ausgeschlossen, das
„Groß-Kroatien“ unter Einschluss von Teilen Bosniens  und der Herzegowina sollte
„serbenfrei“werden.[25]
Von den etwa 6,6 Millionen Einwohnern waren zu dieser Zeit rund 30 % Serben
und 11% Moslems.[26] 

Das Ustaša -Programm in  Stichworten: Verbot der Kyrillischen Schrift, Reinigung der
kroatischen Sprache, Rückholaktion der Orthodoxen durch „Re-Kroatisierung“ und
Zwangstaufen, Vertreibung und Vernichtung. Nach zwei Jahren „konnte“  Pavelić den
Deutschen „berichten“, dass es nur noch 12-15% Serben im Land gebe.
Die Opferzahlen sind – je nach Standort – umstritten, aber es waren vermutlich mehr
als eine halbe Million Opfer zu beklagen. Allein im Konzentrationslager Jasenovac
wurden nach Angaben des Simon – Wiesenthal - Zentrums [27]  85.000 Menschen
ermordet.

 Der eigene kroatische Staat war anfänglich begeistert begrüßt worden. Nicht zuletzt,
weil die Ustaša das katholische Kroatentum und die Rückkehr zu einem gesunden
Bauerntum ins Zentrum ihres Programms gestellt hatte. Der Rückhalt in der
Bevölkerung war jedoch schon 1942 geschwunden. Nicht nur wegen des staatlichen
Terrors, sondern auch wegen der italienischen Annexionen und Besatzungen.
 
Dalmatien war wieder geteilt: in den „Römischen Verträgen“ vom 18. Mai 1941 wurde
die Grenzziehung zwischen Kroatien und Italien „geregelt“: zum bisher schon
italienischen Gebiet von Zadar wurden das hochentwickelte Küstenland  einschließlich
der Städte Sušak, Sibenik und Split, die meisten Inseln und auch die Bucht von
Kotor von Italien annektiert. Nur  der Abschnitt zwischen der Insel Brač und Dubrovnik
blieb beim  Kroatischen Staat. Insgesamt kamen rund 380.000 Einwohner unter
italienische Herrschaft, ¾ davon waren Kroaten.

 Der Rest Kroatiens bis zur deutschen Demarkationslinie in Osten wurde in zwei
italienische Besatzungszonen eingeteilt,  mit etwa 78.000 Besatzungssoldaten,[28] 
die immer wieder in Partisanenkämpfe verwickelt wurden. Auf italienischer
Seite gab es zahlreiche Säuberungs- und Vergeltungsaktionen. Tausende Kroaten
landeten in Konzentrationslagern. Im Herbst 1943, nach der italienischen
Kapitulation, kamen  die annektierten Gebiete an Kroatien zurück.

 Zuletzt noch zwei interessante dalmatinische Aspekte aus der Ustaša - Zeit: Im
dalmatinischen Hinterland war bis 1941 das Zusammenleben der kroatischen und
serbischen Bauern (die, wie bereits erwähnt, ziemlich ähnliche Überlebensprobleme
hatten) im Großen und Ganzen durchaus intakt. Dennoch begannen dort, in den
Gegenden von Knin und Drniš im Juni 1941 die Ustaša – Massaker an den Serben.
In Frageform wird daher von einigen Historikern[29] die These aufgestellt, dass die
Morde nicht durch die Nachbarn erfolgt wären, sondern durch Ustaša -Anhänger, die
aus anderen Gegenden in diese Region gebracht worden waren.

 Und schließlich zweitens die Überlegung, dass die italienische Annexion von
Gebieten Dalmatiens für eine kleine Bevölkerungsgruppe teilweise auch hilfreich war.
Zu Beginn des italienischen Einmarsches 1941 lebten in Split 415 Juden. Kurz nach
der Annexion waren es mehr als 3.500. Sie waren aus  den anderen kroatischen
Gebieten  ins „italienische“ Split geflüchtet, weil  Juden – relativ gesehen -  von den
Italienern besser behandelt wurden  als von den  Deutschen oder der Ustaša. 
Weitere 500 jüdische Flüchtlinge kamen nach Korčula,  250 auf die Insel Mljet.
Rund 1.100 Juden konnten von Split nach Italien ausreisen, und von dort zum Teil
weiter nach Übersee.[30] 
Nach der italienischen Kapitulation und der Machtübernahme durch die Ustaša 1943
gelang noch weiteren die Flucht. Ein Teil der Juden aus Split  und  Korčula ging zu
den Partisanen, ein Teil wurde den Deutschen ausgeliefert und endete in
Konzentrationslagern......

Auch dem poglavnik Pavelić gelang die Flucht.
Er lebte ab 1947 in Argentinien unter dem Schutz von Juan  Peron.
1957 wurde auf ihn ein Attentat verübt an dessen Spätfolgen er –  70-jährig – 1959 in
Madrid starb.







Literatur
 


Dizdar, Zdravko, Italian Policies  toward Croatians in occupied Territories during the
Second World War. In: Review of Croatian History (1/2005). S. 179 – 210.


Grandits, Hannes, Familie und sozialer Wandel  im ländlichen Kroatien
(18.-20. Jahrhundert) (Wien, Köln, Weimar  2002).


Harris, Robin, Dubrovnik. A History ( London  2003).


Ivanišević, Alojz,  Kroatiens langer Weg nach Europa. In: Der Balkan: Friedenszone
oder Pulverfaß? Hg. Valeria Heuberger (Frankfurt/M., Wien 1998). S. 139 – 182.


Jakir, Alexandar, Dalmatien zwischen den Weltkriegen. Agrarische und  urbane
Lebenswelt und das Scheitern der jugoslawischen Integration (München 1999).


Petranović,Branko,  The Yugoslav Experience of Serbian  National Integration
(New York  2002).


Schödl, Günter, Kroatische Nationalpolitik und ‚Jugoslavenstvo’ (München
1990).


Sundhaussen,  Holm, Das Ustaša - Syndrom.   Ideologie – historische
Tatsachen – Folgen. In: Das jugoslawische Desaster. Hg. Reinhard Lauer /
 Werner Lehfeldt (Wiesbaden 1995). S. 149 – 187.


Sundhaussen,  Holm, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im
nationalsozialistischen Großraum:  1941 – 1945; das Scheitern einer
Ausbeutungsstrategie (Stuttgart 1983).


Wikipedia.org/wiki/Ante-Pavelić









[1] NDH = „Nezavisne Dršava  Hrvatska“



[2] Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 62. Es
galt „...die ethnisch, historisch, konfessionell und kulturell definierte
Individualität der Kroaten vor einem Aufgehen in einem jugoslawischen
Unitarismus oder vor der großserbischen Hegemonie zu
bewahren...“.



[3] Petranović,  The Yugoslav Experience, S. 4 u. 13



[4] Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte, S. 63



[5] Vgl. Ivanišević, Kroatiens langer Weg, S. 179



[6] Jakir, Dalmatien zwischen den Weltkriegen, S. 358



[7] Jakir, Dalmatien, S. 409: Für diese 1919 wieder
öffentlich erhobene Forderung musste er ein Jahr ins Gefängnis.



[8] Jakir, Dalmatien, S. 117: 
Es galt als „schick, kein Kroate zu sein“.



[9] Zit. bei Jakir, Dalmatien S. 91: 
Rede von Josip Smodlaka am 20.11. 1918: „...Gesegnet sei die Stunde ...
unsere ruhmbedeckten Brüder ... Wächter unseres blauen Meeres ... ihr schafft
ein neues und mächtiges Reich, Jugoslawien, unseren gemeinsamen Staat und unsere
Mutter ... deshalb lieben wir euch, serbische Soldaten...“



[10] Sišić, Dokumenti, S. 96 und 103. Zit. bei Jakir, Dalmatien, S. 102



[11] „Obznana“ 29.12. 1920



[12] Jakir, Dalmatien, S. 360



[13] Vgl. dazu Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte
S.63: von rund 10 Mrd. Dinar Einnahmen des Gesamtstaates aus direkten Steuern
1919 bis 1928 kamen nur 1,8 Mrd. aus Serbien, Mazedonien und  Montenegro.



[14] Dokumentation der Alphabetisierungskampagne
1937 – 1939, zit. bei Jakir, Anhang S. 470-472:
 danach hatte der Bezirk Benkovac (mit 60.000 Einwohnern) 68% Analphabeten,
Imotski (43.000) hatte 66%, Knin (60.000) 69% und Sinj (60.000) hatte 66 %
Analphabeten. Zum Vergleich: Dubrovnik (50.000) 26%.



[15] Jakir, Dalmatien, Tab. S. 193: danach kamen 74  Prozent
der Bauern mit ihren eigenen Erzeugnissen nicht bis zur nächsten Ernte  aus.



[16] Vgl. Jakir, Dalmatien, S. 28



[17] Vgl. Harris, Dubrovnik, S.420



[18] Grandits, Familie und sozialer Wandel,  S.271



[19] Sundhaussen, Wirtschaftsgeschichte S. 63:  von 2,8 Milliarden Dinar
Strukturinvestitionen (1925 – 1934) gingen 1,75 nach Serbien, 0,25 nach Kroatien
und o,1 nach Dalmatien.



[20] Jakir, Dalmatien, S. 381.



[21] Zit. bei Jakir, Dalmatien, S.  303



[22] 
Lepoglava, Dezember 1939



[23] 
Jakir, Dalmatien, S.  346

 
[24] 
Sundhaussen, Ustaša -Syndrom, S.151 u. 172



[25] 
ds.  S 177



[26] 
Dizdar, Italian Policies,  S. 183



[27] Wikipedia. Ante-Pavelic



[28] 
Dizdar, Italian Policies, S. 185



[29] 
Jakir, Dalmatien, S. 19



[30] 
Dizdar, Italian Policies, S. 
197